Ärztetage Grado 2014: Arzt-Patienten-Gespräch: Fünf Minuten entscheiden

10.05.2014 | Medizin

Der Erfolg eines Gesprächs hängt von den ersten fünf Minuten ab. Welche Punkte zu einer gelungenen Gesprächsführung beitragen – speziell wenn es um die Übermittlung einer schlechten Nachricht geht – steht im Mittelpunkt eines Seminars bei den diesjährigen Ärztetagen in GradoEnde Mai. Von Verena Ulrich

Das Übermitteln einer unerfreulichen Diagnose steht immer wieder am Anfang der Arzt-Patienten-Beziehung. Solche Aufklärungsgespräche sind nicht nur kommunikativ fordernd, sondern können auch sehr heikel sein. Ein Seminar bei den diesjährigen Ärztetagen in Grado Ende Mai setzt sich mit dieser Thematik auseinander. Missglückt das Gespräch, kann sich das erwiesenermaßen negativ auf den Krankheitsverlauf des Patienten auswirken oder gar zu einer suizidalen Einengung führen. Im schlimmsten Fall drohen dem Arzt sogar rechtliche Konsequenzen, wenn sich der Patient nicht ausreichend aufgeklärt fühlt. Werden jedoch einige Regeln beachtet, können die Belastungen für Arzt und Patient wesentlich reduziert werden und der Weg für eine gute Arzt-Patienten-Beziehung ist geebnet.

  • Persönliche Vorbereitung
    „Das Wichtigste ist eine gute Vorbereitungsphase“, weiß Maria Brunner-Hantsch, Fachärztin für Psychiatrie, Neurologie und psychotherapeutische Medizin sowie Lehrtherapeutin der Österreichischen Ärztekammer. „Der Arzt muss sich mental und emotional vorbereiten, Befunde durchsehen, die therapeutischen Optionen abklären, sich über das soziale Netzwerk des Patienten informieren und vor allem einen geschützten Rahmen für das Gespräch schaffen.“ Das Gespräch sollte angekündigt und ein Termin vereinbart werden. Ein häufiger Fehler ist, dass Gespräche im Stehen, in der Gegenwart anderer Patienten oder in Hektik geführt werden. „Eine ruhige Atmosphäre für das Gespräch zu schaffen und ausreichend Zeit einzuplanen, ist die Grundvoraussetzung für einen gelungenen Gesprächsverlauf“, so Brunner-Hantsch. In dieser Phase ist auch abzuklären, wer bei dem Gespräch dabei sein sollte. Oft ist es sinnvoll, Bezugspersonen des Patienten oder weiterbehandelnde Ärzte mit einzubeziehen.

  • Für Verständlichkeit sorgen
    Beim Gespräch selbst ist es wichtig, sich auf das Gegenüber einzustellen und geeignete Formulierungen zu wählen. Medizinische Fachbegriffe sollten eher vermieden oder ausreichend erklärt werden. „Der Arzt muss die Sprache des Patienten sprechen. Oft sind die Patienten mental oder sprachlich nicht in der Lage, die Tragweite der überbrachten Nachricht zu erfassen“, so Brunner-Hantsch. Es ist wichtig, schon während des Gespräches mit Rückfragen zu überprüfen, ob die Informationen richtig verstanden wurden. Untersuchungen belegen, dass sich die Betroffenen auch nach intensiven Aufklärungsgesprächen aufgrund der Schocksituation nur an einen geringen Teil der Information erinnern. Gegebenenfalls können Zeichnungen, schriftliche Stichpunkte oder Infobroschüren eingesetzt werden.

  • Zeit nehmen und lassen
    Es ist unerlässlich, für das Gespräch viel Zeit einzuplanen. Für den Patienten sind während des Gespräches Pausen wichtig. Er muss die Möglichkeit haben, das Gesagte zu verarbeiten und Fragen zu stellen. Wer mit einer für ihn schlechten Nachricht konfrontiert wird, kann sich zunächst wie gelähmt fühlen. „Der Arzt muss dem Patienten Zeit geben, Emotionen wie Trauer, Wut oder Schock zuzulassen. Der Patient soll seine Gefühle aussprechen können, der Arzt die Reaktionen wahrnehmen und empathisch darauf reagieren. Oft ist weniger mehr und Worte überflüssig. Da sein, ein Taschentuch bereithalten, eine tröstende Berührung und vor allem zuhören“, empfiehlt die Expertin.

  • Absicherung und weitere Planung
    Nachdem der weitere Therapieverlauf besprochen wurde und Folgetermine vereinbart sind, muss sich der Arzt über den psychischen Zustand des Patientenim Klaren sein. Oft kommt es nach solchen Gesprächen, die für den Patienten einschneidende Erlebnisse darstellen, zu einer posttraumatischen Belastungssituation (posttraumatic stress disorder). Im schlimmsten Fall kann eine suizidale Einengung folgen. Der Arzt sollte sich daher vergewissern, dass der Patient psychisch stabil ist und ein Netzwerk an Angehörigen für ihn da ist. Ist dies nicht gegeben, muss ein Kriseninterventionsteam eingeschaltet und ein soziales Netz organisiert werden. Jedenfalls sollte der Arzt ein weiterführendes Hilfsangebot wie Psychologen oder Selbsthilfegruppen anbieten und das Gefühl geben, jederzeit selbst als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen.

  • Selfcare
    Als letzten Punkt sollte sich der Arzt die eigenen Ängste in derartigen Situationen vergegenwärtigen. Oft wird außer Acht gelassen, dass das Überbringen der schlechten Nachricht nicht nur für den Empfänger, sondern auch für den Sender sehr belastend ist. „Ein solches Gespräch macht dem Arzt Angst, verursacht Stress und konfrontiert ihn mit der eigenen Vergänglichkeit. Es ist oft gar nicht so leicht, die Emotionen selber auszuhalten“, weiß Brunner-Hantsch. Die Expertin empfiehlt neben dem regelmäßigen Austausch mit Kollegen auch psychologische Beratung oder Supervision in Anspruch zu nehmen, wenn die Belastungen zu groß werden.

Die „ABCDE-Regel“
Werden diese grundlegenden Maßnahmen beachtet, sind laut Brunner-Hantsch die Voraussetzungen für eine gelungene Arzt-Patienten-Beziehung geschaffen. Die Expertin unterstreicht, wie wichtig die Vorbereitungsphase und die geeigneten Rahmenbedingungen sind. „Kommunikationsexperten sagen, dass der Erfolg des Gespräches von den ersten fünf Minuten abhängt“, so Brunner-Hansch. Als Hilfestellung dient die ursprünglich aus dem angloamerikanischen Sprachraum stammende „ABCDE-Regel“:
A: Achtung Vorbereitung!
B: Beziehung aufbauen
C: „Communicate well“- Verständlich kommunizieren
D: Denken Sie an die Reaktionen des Patienten und der Angehörigen
E: Emotionen zulassen und managen

23. Ärztetage Grado 2014
Termin: 25. bis 31. Mai 2014
Details: www.arztakademie.at/grado

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 9 / 10.05.2014

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