25. Gra­zer Fort­bil­dungs­tage : Kopf­schmerz­dia­gnos­tik: Was, wann und wieviel

25.09.2014 | Medizin

90 Pro­zent der rund 240 ver­schie­de­nen For­men von Kopf­schmer­zen kön­nen auf­grund der Ana­mnese dia­gnos­ti­ziert wer­den. Bild­ge­bende Ver­fah­ren sind nur in den sel­tens­ten Fäl­len not­wen­dig. Ein Vor­trag bei den 25. Gra­zer Fort­bil­dungs­ta­gen­An­fang Okto­ber befasst sich damit, wie viel und wel­che Dia­gnos­tik bei Kopf­schmer­zen not­wen­dig ist.Von Verena Ulrich

Mit einer Lebens­zeit­prä­va­lenz von 70 Pro­zent zäh­len Kopf­schmer­zen zu den häu­figs­ten Gesund­heits­pro­ble­men. Nach Anga­ben der WHO (Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­tion) gehö­ren Kopf­schmer­zen zu den zehn Erkran­kun­gen mit der stärks­ten funk­tio­nel­len Behin­de­rung welt­weit. Auf­grund der hohen epi­de­mio­lo­gi­schen Bedeu­tung und der phy­si­schen sowie psy­chi­schen Belas­tung für Betrof­fene ist eine kor­rekte Dia­gnose von hoher Bedeu­tung, um eine wirk­same The­ra­pie ein­lei­ten zu kön­nen. „Mehr als zwei Drit­tel aller Kopf­schmerz­er­kran­kun­gen kön­nen von einem in Kopf­schmer­zen erfah­re­nen Neu­ro­lo­gen allein mit­tels gründ­li­cher Ana­mnese und einer kli­nisch-neu­ro­lo­gi­schen Unter­su­chung dia­gnos­ti­ziert wer­den“, sagt Univ. Prof. Chris­tian Lampl, Vor­stand der Abtei­lung für Akut­ger­ia­trie und Remo­bi­li­sa­tion am Kran­ken­haus der Barm­her­zi­gen Schwes­tern in Linz.

Ins­ge­samt gibt es 240 ver­schie­dene For­men von Kopf­schmer­zen, wobei man pri­märe von sekun­dä­ren unter­schei­det. Zu den pri­mä­ren zäh­len der Span­nungs­kopf­schmerz, die Migräne und der Clus­ter-Kopf­schmerz. Sekun­dä­ren Kopf­schmer­zen liegt eine Erkran­kung, ein Unfall oder die Ein­nahme von Sub­stan­zen wie Medi­ka­mente, Rausch- oder Genuss­mit­tel zugrunde. „Für die Dia­gnos­tik des pri­mä­ren Kopf­schmer­zes sind bild­ge­bende Ver­fah­ren nicht nötig. Nur bei sym­pto­ma­ti­schen oder sekun­dä­ren Kopf­schmer­zen wie zum Bei­spiel nach einem Schä­del-Hirn­trauma ist eine radio­lo­gi­sche Unter­su­chung anzu­ra­ten“, weiß Lampl. Tech­ni­sche Zusatz­un­ter­su­chun­gen sind dem­nach immer nur dann nötig, wenn der Ver­dacht auf eine sekun­däre Kopf­schmerz­form besteht.

Pati­en­ten sind viel­fach in Sorge, dass eine schwere Erkran­kung wie ein Tumor die Ursa­che für ihre Kopf­schmer­zen sein könnte. Der Experte gibt Ent­war­nung: „Ver­ur­sacht ein Tumor Kopf­schmer­zen, ist er schon so groß, dass er zuvor zu neu­ro­lo­gi­schen Aus­fäl­len führt“, so Lampl. Soll­ten jedoch neu­ro­lo­gi­sche Aus­fälle den Kopf­schmerz des Pati­en­ten beglei­ten, ist in der Regel wei­tere Abklä­rung not­wen­dig. „Aber auch dahin­ge­hend gibt es Ein­schrän­kun­gen, denn eine klas­si­sche Migräne kann auch neu­ro­lo­gi­sche Sym­ptome, die Auren, ver­ur­sa­chen“, ergänzt Lampl. Cha­rak­te­ris­tisch für Migräne mit Auren sind dyna­mi­sche, meist visu­elle oder sen­so­ri­sche Wahr­neh­mungs­stö­run­gen, die in etwa 20 Minu­ten dau­ern und meist der Kopf­schmerz­phase vor­an­ge­hen. Wer­den diese Auren in klas­si­scher Form geschil­dert, ist eben­falls keine bild­ge­bende Dia­gnos­tik indi­ziert. Sollte die Tumo­rangst des Pati­en­ten eine große psy­chi­sche Belas­tung dar­stel­len, die der Arzt im Pati­en­ten­ge­spräch nicht lin­dern kann, ist es even­tu­ell sinn­voll, den­noch eine bild­ge­bende Dia­gnos­tik zur Beru­hi­gung des Pati­en­ten anzuordnen.

Kopf­schmer­zen im Halswirbelsäulenbereich

„Über­be­an­sprucht wer­den bild­ge­bende, dia­gnos­ti­sche Ver­fah­ren bei Kopf­schmer­zen, die im Hals­wir­bel­säu­len­be­reich auf­tre­ten“, so Lampl. Laut dem Exper­ten sei der ein­zige Kopf­schmerz, der auf eine Ver­än­de­rung der Hals­wir­bel­säule zurück­zu­füh­ren ist, der cer­vi­ko­gene Kopf­schmerz und der könne eben­falls ein­deu­tig kli­nisch dia-gnos­ti­ziert wer­den. Der cer­vi­ko­gene Kopf­schmerz tritt bei 2,5 Pro­zent der Bevöl­ke­rung auf, Frauen sind drei­mal häu­fi­ger betrof­fen. Spe­zi­elle Sym­ptome sind ein ein­sei­ti­ger, sei­ten­kon­stan­ter Schmerz, der fast aus­schließ­lich als kon­ti­nu­ier­li­cher und in der Inten­si­tät fluk­tu­ie­ren­der Dau­er­schmerz impo­niert. Der Schmerz kann von eini­gen Stun­den bis zu eini­gen Tagen andau­ern und strahlt typi­scher­weise vom Nacken zu Stirn, Schläfe oder dem Auge aus. Manch­mal beob­ach­tet man Begleit­sym­ptome wie Übel­keit, Brech­reiz, Schwin­del, eine dis­krete Hör- und Licht­emp­find­lich­keit und sel­ten Schluck­stö­run­gen. Trifft diese Beschrei­bung zu und kann eine Migräne aus­ge­schlos­sen wer­den, ist die Dia­gnose auch ohne Bild­ge­bung eindeutig.

Aus­führ­li­che Ana­mnese ist das Um und Auf

Das Um und Auf in der Kopf­schmerz­dia­gnose ist laut Lampl, dass der behan­delnde Arzt sich für die Ana­mnese Zeit nimmt. Eine aus­führ­li­che Befra­gung von min­des­tens 30 bis 35 Minu­ten nach Sym­pto­men, Begleit­sym­pto­men, Fre­quenz und Loka­li­sa­tion des Schmer­zes ist not­wen­dig. Kann der Kopf­schmerz nach der Pati­en­ten­be­fra­gung nicht ein­deu­tig zuge­ord­net wer­den, emp­fiehlt Lampl die Über­wei­sung zu einem Kopf­schmerz- Spe­zia­lis­ten, der den neu­ro­lo­gi­schen Sta­tus erhebt und wei­tere Unter­su­chun­gen durch­führt. „Wenn ein erst­ma­li­ger Kopf­schmerz auf­tritt, der nicht typisch in ein Dia­gno­se­schema passt oder ändert sich ein bestehen­der Kopf­schmerz in Fre­quenz, Dauer und Begleit­sym­pto­men, muss eine wei­tere Abklä­rung durch einen Neu­ro­lo­gen ver­an­lasst wer­den“, fasst Lampl zusam­men. In jedem Fall sei auch eine wei­ter­füh­rende Unter­su­chung not­wen­dig, wenn es sich um einen sekun­dä­ren Kopf­schmerz han­delt, dem bei­spiels­weise ein Unfall oder eine Ent­zün­dung vor­aus­ge­gan­gen ist.

25. Gra­zer Fortbildungstage

6. bis 11. Okto­ber 2014

Con­gress Graz, 8010 Graz

Nähere Infor­ma­tio­nen und Anmel­dung: www.med.or.at

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 18 /​25.09.2014