Standpunkt – Vize-Präs. Karl Forstner: Berechtigte Zweifel

25.10.2013 | Standpunkt

Man braucht kein allzu aufmerksamer Konsument der Medien zu sein und kann die entsprechenden Meldungen auch nicht übersehen: Der „Ärztemangel“ ist in der öffentlichen Diskussion angekommen. Nicht besetzbare Stellen von Allgemeinmedizinern in Tirol, Probleme bei den Bereitschaftsdiensten in Salzburg, mehr als 100 offene – weil nicht besetzbar – Turnusarztstellen in Oberösterreich. Dies sind nur Beispiele für eine Entwicklung, die weitgehend mit Ausnahme von Wien (noch?) alle Bundesländer betrifft.

Manche Bundesländer haben im Bereich der angestellten Ärzte bereits mit Anpassungen im Gehaltssystem auf den europäischen Wettbewerb um Ärzte reagiert, wie etwa zuletzt Vorarlberg und die TILAK in Tirol. In Salzburg konnten jüngst gesamtvertraglich strukturelle Maßnahmen zur Attraktivierung von Kassenstellen erreicht werden. Beispielhaft sei hier das Splitting von Kassenstellen und die Etablierung einer postpromotionellen fachlichen Vertiefung angeführt. All diese Maßnahmen weisen in die richtige Richtung und zeigen auch, dass Politik und die Sozialversicherung in den Ländern beginnen, ein Verständnis für die Problemstellung Ärztemangel zu entwickeln.

Offensichtlich unbeeindruckt und gleichgültig ist und bleibt jedoch die Bundespolitik.

So fehlt bis heute eine suffiziente Reform der Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin, obwohl zumindest seit mehr als zehn Jahren darüber diskutiert wird. Österreich ist nahezu das einzige europäische Land ohne finanziell abgesicherte Lehrpraxis. Es scheint die Bundespolitik einfach nicht zu kümmern, dass sich junge Ärztinnen und Ärzte mit ihrer derzeitigen Ausbildung für eine Tätigkeit als Landarzt nicht ausreichend ausgebildet fühlen und daher solche Stellen nicht übernehmen wollen oder können. Vielleicht liegt es daran, dass der Horizont der Minister – obwohl sie auch aus den betroffenen Bundesländern kommen – nach Eintritt in eine Bundesregierung an den Wiener Stadtgrenze endet. Und weil es natürlich verständlich ist, dass die Großstadt Wien einen Landärztemangel nicht kennt, ignoriert die Politik das Problem zur Gänze.

In Aufsichtsräten soll eine Quotenregelung eingeführt werden, um Karrieren von Frauen verstärkt zu fördern – so lautet ein Vorschlag aus der Bundespolitik. Diesen Vorschlag kann und will ich nicht kommentieren.

Aber haben Sie schon ein Wort unserer Regierung gehört, wie man die Arbeitsbedingungen unserer Ärztinnen in Krankenhäusern und Ordinationen auf deren Ansprüche und Erwartungen ausrichten will? Dabei ist dieses Thema bei einem Frauenanteil von 60 Prozent in der jungen Ärztegeneration nicht nur im Hinblick auf Frauenförderung relevant, sondern ganz elementar zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung insgesamt.

In diesen Wochen werden Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer neuen Regierung stattfinden. Hoffen Sie mit mir, dass unsere Politiker endlich den Ernst der Lage begreifen!

Sie haben Zweifel? Ich auch.


Karl Forstner

1. Vize-Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 20 / 25.10.2013