Standpunkt – Vize-Präs. Johannes Steinhart: Qualität ist nicht nur ein Wort

25.02.2013 | Standpunkt

(c) Gregor Zeitler

Wer Qualitätsmanagement einfordert – so wie es viele Politiker und viele andere, meist nicht Sachkundige mit einer rational oft nicht mehr nachvollziehbaren Vehemenz tun – muss sich auch gefallen lassen, dass eben diese Kriterien auch als Maßstab zur Beurteilung ihrer Arbeit herangezogen werden – und schon bei Planungsarbeiten zu gelten haben.

Diese Erkenntnis konnte sich in Österreich noch nicht wirklich durchsetzen, sonst müsste die beschlossene Gesundheitsreform vollkommen anders konzipiert sein. Denn zum seriösen Qualitätsmanagement gehört auch, nicht jeden Fehler, der schon gemacht wurde, noch einmal zu begehen. In der österreichischen Gesundheitspolitik ist man jedenfalls auf dem besten Weg, genau das
zu tun.

In Großbritannien, einem Land, in dem schon bis dato Gesundheitsleistungen etwa ab einem bestimmten Alter reglementiert waren, zeigen sich nun in dramatischer Weise die Auswirkungen eines staatlichen, streng limitierten und dirigistischen Systems. Eine Untersuchungskommission hat in einem Bericht über die Zustände in einem staatlichen, öffentlichen Krankenhaus im zentral-englischen Staffort Erschreckendes zu Tage gebracht. Die Patienten in diesem Spital seien „allein gelassen worden von Managern, die die Kostenkontrolle höher bewerten als das Wohl der Kranken und ihre sichere Betreuung“, beklagte der Vorsitzende der Untersuchungskommission, Richter Robert Francis. Und weiter: Der festgestellte „Mangel an Aufmerksamkeit, Zuwendung, Menschlichkeit und Führung“ in diesem Hospital sei in erster Linie zurückzuführen auf schwere Fehler der Leitung, die nicht bereit gewesen sei, auf Beschwerden der Patienten oder des Personals zu hören.

In insgesamt 290 Empfehlungen mahnt die Kommission einen tiefgreifenden Wandel der Geisteshaltung im öffentlichen Gesundheitswesen ein. Die Empfehlungen verfolgen den Grundsatz, dass staatliche Einrichtungen zur Gesundheitsversorgung bei Qualitätsfragen eine „Nulltoleranz“ gelten lassen müssten, wenn Abstriche aus finanziellen Zwängen drohten.

Angesichts dieses Berichts ist die Bestürzung groß; der britische Premierminister David Cameron sagte, dass dieser „Skandal ins Herz des Gesundheitswesens treffe“. In Österreich hat man noch nicht begriffen, dass andere Länder die Lernkurve schon hinter sich haben. Deutschland etwa hat aus den schlechten Erfahrung, die andere Länder mit elektronischen Gesundheitsakten gemacht haben, gelernt und alle diesbezüglichen Bemühungen gestoppt.

Wer Qualität will, muss schon bei der Planung entsprechende Vorgaben berücksichtigen: dass es um Menschen geht, die krank und zumeist auf ärztliche Hilfe angewiesen sind. Durch die Gesundheitsreform, im Rahmen derer man sich künftig auch in Österreich verstärkt nur noch an Zahlen, am Outcome und an der Effizienz orientieren will, sind ähnliche Zustände wie in Großbritannien nicht mehr auszuschließen.

Die erste Empfehlung, die die britische Kommission aus diesen Vorfällen zieht: eine Kultur zu fördern, in der der Patient wieder an erster Stelle steht.

Dem ist – aus österreichischer Sicht – nichts hinzuzufügen.

Johannes Steinhart
Vize-Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 4 / 25.02.2013