Obe­res Bel­ve­dere: Emil Nolde: unge­malte Bilder

25.11.2013 | Spektrum

Mit der Macht­er­grei­fung der Natio­nal­so­zia­lis­ten in Deutsch­land fiel das Schaf­fen des Expres­sio­nis­ten Emil Nolde plötz­lich unter den Begriff „ent­ar­tete Kunst“. Doch auch das kom­plette Mal­ver­bot konnte ihn nicht davon abhal­ten: Die heim­lich ange­fer­tig­ten „Unge­mal­ten Bil­der“ sind Schwer­punkt der Aus­stel­lung im Belvedere.Von Bar­bara Wakolbinger

Der Geruch der Ölfarbe konnte ihn jeder­zeit ver­ra­ten, des­halb wech­selte Emil Nolde zu klei­nen Aqua­rel­len und Gou­achen. Statt in sei­nem Ate­lier malte er nun im Näh­zim­mer sei­nes Hau­ses, von dem er einen guten Blick auf ankom­mende Besu­cher hatte. Denn die Natio­nal­so­zia­lis­ten hat­ten Nolde 1941 mit einem kom­plet­ten Mal­ver­bot belegt. Obwohl er anfangs mit der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ideo­lo­gie und ihrem nor­di­schen Natur­mys­ti­zis­mus sym­pa­thi­sierte, durfte der als „ent­ar­tet“ gel­tende Expres­sio­nist nicht mehr arbei­ten. Doch auch davon ließ sich Nolde nicht abschre­cken: Mehr als 1.300 „Unge­malte Bil­der“ schuf er in den Jah­ren 1938 bis 1945 – sie bil­den den Schwer­punkt der Nolde-Aus­stel­lung, die noch bis Februar 2014 im Unte­ren Bel­ve­dere zu sehen ist. Obwohl wesent­lich klei­ner als seine bis dahin bevor­zug­ten Ölge­mälde, zei­gen Werke wie die „Land­schaft in rotem Licht“ die glei­che Inten­si­tät und Leucht­kraft, die den „Farb­ma­gier“ schon früh auszeichneten.

Im Bel­ve­dere beginnt man jedoch ganz am Anfang näm­lich im klei­nen Dorf Nolde im deutsch-däni­schen Grenz­ge­biet, in dem der Künst­ler 1867 als Emil Han­sen gebo­ren wurde. Nach einer Aus­bil­dung zum Holz­bild­hauer ver­brachte er seine Lehr­jahre als rei­sen­der Möbel­tisch­ler, bis er schließ­lich als Fach­leh­rer für gewerb­li­ches Zeich­nen sess­haft wurde. Erst der Ver­kaufs­er­folg einer von ihm gestal­te­ten Post­kar­ten-Serie ver­an­lasste Nolde, sich ganz der Kunst zu wid­men. Er stu­dierte in Deutsch­land und in Frank­reich, wo er mit dem fran­zö­si­schen Impres­sio­nis­mus ebenso in Berüh­rung kam wie mit den revo­lu­tio­nä­ren „Fau­ves“ um Matisse. Seine Bil­der wur­den strah­len­der, fri­scher und bun­ter. Es ent­stan­den unter ande­rem far­ben­präch­tige Gar­ten- und Natur­bil­der, die dann von reli­giö­sen Moti­ven ergänzt wur­den. Um 1911 fand er zu sei­nem eige­nen Stil. Von da an domi­nier­ten leuch­tende Farb­flä­chen seine Gemälde, wäh­rend die Details zuneh­mend in den Hin­ter­grund tra­ten. The­ma­tisch zeigte sich der Künst­ler in sei­nem Werk zuneh­mend breit: Es tum­mel­ten sich gro­teske Phan­ta­sie­we­sen, eksta­ti­sche Tän­ze­rin­nen und die Figu­ren des Ber­li­ner Nacht­le­bens neben bibli­schen Sze­nen, Natur­im­pres­sio­nen und Meeresstimmungen.

Auf der Suche nach „ursprüng­li­chen“ Moti­ven reiste Nolde bis nach Neu­gui­nea; seine Begeis­te­rung für die nor­di­sche Fabel­welt und die dar­aus ent­ste­hende Nähe zur ras­sisch beein­fluss­ten Mythen­welt des Nor­dens lie­ßen ihn zunächst auch die Macht­über­nahme der Natio­nal­so­zia­lis­ten begrüßen.

Die schöns­ten Werke: „Selbst­über­ra­schun­gen“

„Nolde schuf seine Gemälde vor allem aus sei­ner eige­nen Vor­stel­lungs­kraft und Emp­fin­dung her­aus. Oft­mals war er selbst ganz erstaunt über die Ergeb­nisse und bezeich­nete die schöns­ten Werke daher als ‚Selbst­über­ra­schun­gen‘“, schil­dert der Kura­tor der Aus­stel­lung, Ste­phan Koja. Sein Umgang mit Far­ben fand dann vor allem in sei­nem Alters­werk, den „Unge­mal­ten Bil­dern“ und den ver­ein­zel­ten Ölbil­dern wie „Gro­ßer Mohn (rot, rot, rot)“ Aus­druck und Voll­endung. Aus der Reichs­kunst­kam­mer aus­ge­schlos­sen und mit einem Mal­ver­bot bedacht, flüch­tete er sich in sein Ate­lier in See­büll, wo er seine phan­tas­ti­schen Dar­stel­lun­gen den­noch auf die Lein­wand brachte. Aus zufäl­li­gen Farb­kleck­sen ent­stan­den so Gesich­ter, Figu­ren und gro­teske Misch­we­sen zwi­schen Mensch und Tier, aber auch Land­schaf­ten, die Nolde aus dem Gedächt­nis malte. Rund 50 Werke die­ser Zeit sind im Bel­ve­dere zu sehen.

Ins­ge­samt ist mit rund 200 Arbei­ten ein guter chro­no­lo­gi­scher Quer­schnitt durch das Schaf­fen des deut­schen Expres­sio­nis­ten gelun­gen. Ein Exkurs ist den Wech­sel­wir­kun­gen in der Kunst­szene die­ser Zeit und den dar­aus ent­stan­de­nen Wer­ken gewid­met: Mit sei­nen dra­ma­ti­schen Far­ben beein­flusste Nolde unter ande­rem die öster­rei­chi­schen Maler Oskar Kokoschka, Max Wei­ler und Her­bert Boeckl.

Was, Wann, Wo:

„Emil Nolde. In Glut und Farbe“

25. Okto­ber 2013 bis 2. Februar 2014
Unte­res Bel­ve­dere
Renn­weg 6
1030 Wien

www.belvedere.at

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 22 /​25.11.2013