Museum für Völkerkunde: Asien: Wenn die Götter tanzen

10.04.2013 | Spektrum

Kommunikation mit dem Göttlichen, Opfergabe oder höfisches Machtritual: Tanz hat in der asiatischen Welt viele Bedeutungen. Unter dem Titel „Getanzte Schöpfung“ präsentiert das Museum für Völkerkunde eine Auswahl an Figuren, Masken und Ritualobjekten sowie Meister des asiatischen Tanzes.Von Barbara Wakolbinger

Die wirbelnden Arme, das ausgestreckte Bein: Shiva ist vermutlich der bekannteste tanzende Gott der asiatischen Mythenwelt. Tanzt er, besitzt Shiva unendliche Energie, mit der er über das Werden, Sein oder Vergehen der gesamten Schöpfung bestimmen kann. Shiva ist aber bei Weitem nicht der einzige bewegungsfreudige Gott: In vielen Zeugnissen der bildenden Kunst sowie in Tempelfiguren finden sich Abbildungen von Gottheiten in rhythmischer Bewegung oder von menschlichen Tänzern in Ritualen. Denn Tanz hat in Asien viele Funktionen: Er ist ein Gespräch mit den Göttern oder Ahnen oder kann mittels Trance einen Weg in eine andere Welt eröffnen. In besonders hohem Ausmaß ist Tanz ein traditioneller Bestandteil der sakralen und höfischen Rituale vieler asiatischer Kulturen. Denn ritualisierter Tanz bedeutete auch Machtausübung und Repräsentation. Das Ziel des Tanzes konnte der Wunsch nach Fruchtbarkeit oder Harmonie und Balance sein, aber auch schlicht eine Opfergabe darstellen. Denn die Bewegungen sind gleichzeitig auch eine Form der Meditation und Hingabe. „In vielen asiatischen Mythenwelten entsteht die Schöpfung aus einem Tanz. Gleichzeitig ist jeder Tanz auch eine Schöpfung des Choreografen“, erklären die Kuratorinnen Sri Kuhnt-Saptodewo und Bettina Zorn den Titel der Ausstellung „Getanzte Schöpfung“, die sich all diesen Facetten des Tanzes in Asien im Museum für Völkerkunde in Wien widmet.

Liebesgeschichten und Dämonen

Die Ausstellung führt den Besucher nach Indonesien, Thailand, Malaysia und Indien, aber auch in den japanischen Raum. Dort spielt Tanz nicht nur in der Mythologie eine wichtige Rolle, sondern etwa auch im Kagura, dem Maskentheater der Shintô-Religion. Denn die Anrufung der Götter in den Schreinen erfolgt mittels Tanz und Gesang. Von besonderer Bedeutung sind in der japanischen Kultur auch Masken, die einzelne Charaktere, aber auch Dämonen oder einfaches Volk symbolisieren können. Tanz- und Maskentheater hatte vor allem am asiatischen Hof einen großen Stellenwert; erst ab dem 18. Jahrhundert wird es auch zu reinen Unterhaltungszwecken gespielt.

Beliebte Inhalte von Tänzen sind unter anderem Varianten der Erzählungen aus dem Epos „Ramayana“, das die Liebesgeschichte zwischen Rama und Sita erzählt. Zwar stammt das Epos aus Indien, aber die Tänze sind auch in Thailand, Burma, Malaysia oder Java bekannt und beliebt. In ihren Tänzen beeinflussten sich die asiatischen Kulturen auch gegenseitig: Da Hoftänzer als königliche Insignien galten, wurden sie im Falle einer feindlichen Eroberung gerne als Beute genommen und verbreiteten so das Wissen um Tänze und Inhalte in anderen Reichen, erzählt Kuhnt-Saptodewo. In jedem asiatischen Land entstanden ganz eigene Varianten des klassischen Stoffs. Ein weiteres beliebtes Thema ist auch die Lebensgeschichte des Buddhas, die von Generation zu Generation im Tanz weitergegeben wird.

Live-Performances

Die Kuratorinnen standen vor der schwierigen Aufgabe, eine Ausstellung über Bewegung zu schaffen. „Das geht natürlich nicht ohne die Tänzer selbst“, so Kuhnt-Saptodewo. Deshalb wurden sechs verschiedene Tänzer und Choreografen aus Korea, Japan, Bali, Indien, Indonesien und Thailand nach Wien eingeladen. Diese steuern nicht nur eigene Tänze bei und stehen für Publikumsgespräche und Workshops zur Verfügung, sondern wählten aus dem Bestand des Museums für sie wichtige Ritualgegenstände. Kultgegenstände wie Fächer, Masken und Kostüme werden ebenso zu sehen sein wie Figuren von Tänzern und Göttern. Ergänzt wird die Auswahl mit Fotografien und Abbildungen von traditionellen Tänzen. Allerdings sollen die geladenen Tänzer auch den wechselseitigen Einfluss der Kulturen im Zeitalter der Globalisierung ausdrücken: So sind zwar alle Choreografen klassisch ausgebildet, haben aber neue und modernere Formen des traditionellen Tanzes entwickelt.

Interaktiv geplant

Im Museum für Völkerkunde steht auch der interaktive Aspekt im Vordergrund. Deshalb sind während der gesamten Ausstellungsdauer unter anderem getanzte Führungen, Workshops, Vorträge und Konzerte geplant. In Kooperation mit dem „ImPulsTanz“-Festival steht außerdem eine asiatischeuropäische Performance-Reihe auf dem Programm.

Was, Wann, Wo:

„Getanzte Schöpfung“

17. Aprisl bis 30. September 2013

Museum für Völkerkunde Wien/Neue Burg, Heldenplatz

Täglich außer Dienstag von 10 bis 18 Uhr, Mittwoch bis 21 Uhr

http://www.ethno-museum.ac.at

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 7 / 10.04.2013