Turnusausbildung in Österreich: Nur Mittelmaß

25.01.2013 | Politik


Die ersten Ergebnisse der seit eineinhalb Jahren laufenden Turnusevaluierung zeigen klar die Stärken und Schwächen des derzeitigen Systems auf.
Von Agnes M. Mühlgassner

Geht man nach dem Schulnotensystem, erhält die Ausbildung derzeit die Bewertung 2,79. Und dieses Befriedigend ist für uns unbefriedigend“, erklärt der Kurienobmann der angestellten Ärzte in der ÖÄK, Harald Mayer, bei der Präsentation der ersten Ergebnisse der österreichweiten Online-Befragung der Turnusärztinnen und Turnusärzte zu ihrer Ausbildung im Rahmen einer Pressekonferenz im Dezember 2012.

Im Zuge der Evaluierung seien „Besorgnis erregende Dinge“ zu Tage getreten, wie Mayer eingesteht. Einen der Gründe ortet er in der Tatsache, dass Turnusärzte rund 50 Prozent ihrer Zeit mit administrativen Tätigkeiten verbringen. Und diese Zeit fehle dann bei der Ausbildung und zwar sowohl von Seiten des Ausbildners als auch von Seiten des Auszubildenden. „Diese Zeit ist ja im System schon längst nicht mehr vorhanden“, kritisiert Mayer. Die Konsequenz daraus: „Ohne Zeit findet auch keine Ausbildung statt.“ Wenn man gut ausgebildete Ärzte haben wolle, müsse man auch die Ressourcen dafür schaffen. Um in Österreich flächendeckend die Lehrpraxis einzuführen, seien jährlich 15 Millionen Euro notwendig. „Aber dafür gibt es kein Geld, für diverse Spekulationsgeschäfte aber schon, und zwar etliche Millionen Euro mehr.“ Dass junge Ärztinnen und Ärzte nicht dort ausgebildet werden, wo sie einmal tätig werden sollen, bezeichnet der stellvertretende Obmann der Bundeskurie angestellte Ärzte und Turnusärztevertreter Karlheinz Kornhäusl als „paradox“. Und er ergänzt: „Wir sind eines der letzten Länder in Europa, in dem es keine flächendeckende Ausbildung in der Lehrpraxis gibt.“

Sinnvolles Tool

Die Beteiligung liegt bei 44 Prozent – Kornhäusl sieht darin eine Bestätigung, dass es sich bei der Evaluierung um ein „sinnvolles Tool“ handelt. Die parallel dazu mitevaluierten Lehrpraxen werden „durchgehend von West nach Ost mit sehr gut“ beurteilt, was den wichtigen Stellenwert dieser Ausbildung einmal mehr unterstreicht, betont der oberste Turnusärztevertreter in der ÖÄK.

Sorge bereite ihm, Kornhäusl, wie derzeit die Ausbildung in den österreichischen Krankenhäusern von statten gehe. „Für mich persönlich ein Armutszeugnis“, sagt er. Wie auch anders sollte man es bezeichnen, wenn Jungärzte in Ausbildung nahezu die Hälfte ihrer Tagesarbeitszeit damit verbringen, Zettel zu sortieren, Befunde zu übertragen und ausständigen Befunden nachzutelefonieren. „Das kann es nicht sein“, empört sich Kornhäusl. Wer heute Jungärzte schlecht ausbildet, bekomme dafür in zehn, 15 Jahren die Rechnung präsentiert.

Als die entscheidenden Einzel-Aspekte bei der Beurteilung führt Kornhäusl an: die aktive Teilnahme und die Miteinbeziehung der Turnusärzte an Besprechungen und Visiten. Alle Abteilungen, an denen es Bedside-teaching gäbe, würden darüber hinaus gut beurteilt. Ebenso fallen dort, wo Turnusärzte selbstständig Untersuchungen durchführen dürfen und wo man ihnen Kompetenzen überträgt, die Beurteilungen der Turnusärzte gut aus.

Damit Veränderungen zum Positiven hin möglich sind, erhält jede Landesärztekammer in Form eines „Abteilungsradars“ Informationen über die jeweils zehn am besten und am schlechtesten bewerteten Abteilungen. Dabei gehe es keineswegs darum, jemanden an den Pranger stellen zu wollen, wie Kornhäusl ausdrücklich betont. Man wolle vielmehr „jenen helfen, wo die Beurteilung schlecht ausgefallen ist“.

Die vom Ärztlichen Qualitätszentrum in Linz durchgeführte online-Evaluierungläuft noch bis August 2014. Wer den Fragebogen zur Evaluierung nicht ausfüllt, erhält insgesamt drei Erinnerungs-Mails. Durch individuelle Links für den Zugang ist sichergestellt, dass jede Abteilung von einem Turnusarzt nur einmal evaluiert werden kann. Die Evaluierung erfolgt nach einer österreichweit einheitlichen Methodik. Somit sind die Ergebnisse sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene vergleichbar.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 1-2 / 25.01.2013