Wie­ner Pri­vat­spi­tal: Dum­ping-Löhne für Turnusärzte?

25.05.2013 | Politik


In einem Wie­ner Pri­vat­spi­tal wer­den Tur­nus­ärzte mit einem Grund­ge­halt von knapp mehr als 1.600 Euro brutto beschäf­tigt – Nacht­dienste inklu­sive. Und es man­gelt nicht an Bewer­bern. Tur­nus­ärz­te­ver­tre­ter orten ein noch nie dage­we­se­nes Lohn­dum­ping.
Von Bar­bara Wakolbinger

Eine 40-Stun­den-Woche, Nacht­dienste inklu­sive, Monats­ge­halt 1.631,98 Euro brutto – mit­tels Inse­rat sucht die Wie­ner Pri­vat­klink nach Tur­nus­ärz­ten. „Es ist unge­heu­er­lich, Tur­nus­ärzte ernst­haft um 1.600 Euro beschäf­ti­gen zu wol­len“, meint Harald Mayer, Obmann der Bun­des­ku­rie Ange­stellte Ärzte der Öster­rei­chi­schen Ärz­te­kam­mer. Bei sol­chen Gehäl­tern dürfe man sich nicht wun­dern, dass öster­rei­chi­sche Medi­zin­ab­sol­ven­ten ins Aus­land abwan­dern, wo „sie bes­ser bezahlt und mehr wert­ge­schätzt wer­den“, so Mayer. Der ärzt­li­che Direk­tor der Wie­ner Pri­vat­kli­nik im neun­ten Wie­ner Gemein­de­be­zirk, Univ. Prof. Rai­ner Kotz, sieht das anders. Denn zusätz­lich zum Grund­ge­halt wür­den Tur­nus­ärzte in der Pri­vat­kli­nik pau­schal 1.000 Euro Klas­se­gel­der bezie­hen und nach dem Ende des Tur­nus für jede zusätz­lich geleis­tete Tätig­keit als Assis­tenz bezahlt. Diese Aus­zah­lun­gen kom­men aller­dings etwa erst nach sechs Mona­ten zum Tra­gen – wenn wie­derum der Pati­ent bezahlt hat. „Je nach­dem, wie viel zu tun ist, kom­men da durch­aus auch noch ein­mal hohe Beträge zustande“, berich­tet Kotz.

Diese Argu­men­ta­tion will Mayer nicht gel­ten las­sen: „Diese Beträge sind nicht Bestand­teil des Gehalts. Sie kos­ten den Dienst­ge­ber nichts.“ Denn die Zula­gen wür­den aus Gel­dern der Pri­vat­ver­si­che­run­gen bezahlt. „Die­ses Kran­ken­haus ist schlicht und ein­fach nicht bereit, sei­nen Tur­nus­ärz­ten mehr zu bezah­len. Sie wer­den als bil­ligste Arbeits­kräfte ein­ge­setzt.“ Auch Karl­heinz Korn­häusl, stell­ver­tre­ten­der Kuri­en­ob­mann der ange­stell­ten Ärzte der ÖÄK und zugleich Tur­nus­ärz­te­ver­tre­ter, unter­streicht das: „Rele­vant ist vor allem, was der Trä­ger selbst zahlt.“ Dass ins­ge­samt große Pro­bleme auf Öster­reich zukom­men, soll­ten sich „diese Geis­tes­hal­tung und die Miss­ach­tung der Jung­ärz­te­schaft“ nicht ändern, davon sind Mayer und Korn­häusl über­zeugt. Und „zu Recht“ wür­den sich junge Ärzte nach Stel­len im Aus­land umse­hen. „Das Gehalt liegt ja nur knapp über dem von der Gewerk­schaft gefor­der­ten Min­dest­lohn für alle“, so Mayer.

Hohe Fluk­tua­tion

Sie­ben Tur­nus­ärzte sind der­zeit in der Wie­ner Pri­vat­kli­nik beschäf­tigt, erklärt Kotz; offene Stel­len gäbe es im Moment nicht. Den­noch ist das Inse­rat immer noch online, denn in dem Pri­vat­spi­tal herrscht eine hohe Fluk­tua­tion bei Tur­nus­ärz­ten; einige kom­men dann – trotz Anmel­dung – doch nicht. „Viele nut­zen uns nur als Zwi­schen­sta­tion und blei­ben drei, vier Monate“, erklärt Kotz. In der Wie­ner Pri­vat­kli­nik kann man nur Innere Medi­zin und Chir­ur­gie im Rah­men des Tur­nus absol­vie­ren, also ins­ge­samt etwas mehr als ein Jahr. Außer­dem sei es nicht immer ein­fach, geeig­nete Kan­di­da­ten für die Arbeit in einer Pri­vat­kli­nik zu fin­den, wie Kotz wei­ter aus­führt. Das per­sön­li­che Ver­hal­ten spiele eine wesent­lich grö­ßere Rolle, „viele eig­nen sich nicht“, sagt der ärzt­li­che Direktor.

In öffent­li­chen Spi­tä­lern ist die Bezah­lung der Tur­nus­ärzte zen­tral gere­gelt. Die Zusam­men­set­zung des Gehal­tes – es besteht aus den drei Säu­len Grund­ge­halt, Nacht­dienste und Zula­gen – unter­schei­det sich aller­dings von Bun­des­land zu Bun­des­land, weiß Korn­häusl. Einen all­ge­mein gül­ti­gen Kol­lek­tiv­ver­trag der Öster­rei­chi­schen Ärz­te­kam­mer gibt es nur für in Lehr­pra­xen ange­stellte Tur­nus­ärzte. Das Ent­gelt ist hier bei Anstel­lung direkt nach dem Stu­di­en­ab­schluss für 30 Stun­den die Woche mit min­des­tens 1.300 Euro im ers­ten bis drit­ten Monat bis zu 1.800 Euro ab dem voll­ende­ten sechs­ten Monat angesetzt.

Im Spi­tal sieht das anders aus: Das Gehalts­schema für Ärzte in Aus­bil­dung beim Wie­ner Kran­ken­an­stal­ten­ver­bund (KAV) beginnt laut Home­page der Wie­ner Ärz­te­kam­mer bei 2.001,72 Euro brutto, ab dem vier­ten Nacht­dienst im Monat kom­men 374,46 Euro pro Dienst dazu. Beim Job­an­ge­bot für Tur­nus­ärzte der Wie­ner Pri­vat­kli­nik sind fünf Nacht­dienste im Monat bereits inbe­grif­fen. Anders als in so manch ande­ren Spi­tä­lern sei dafür in der Wie­ner Pri­vat­kli­nik die 40-Stun­den-Woche garan­tiert, ver­si­chert Kotz. „Die sie­ben Tur­nus­ärzte wech­seln sich im Rad ab.“ Wer also Nacht­dienst hat, bleibt dafür als Aus­gleich ein­mal unter­tags zu Hause. Auch das Betreu­ungs­ver­hält­nis in der Pri­vat­kli­nik stimme, betont der ärzt­li­che Lei­ter. Tur­nus­ärzte, die nur als Hilfs­kräfte ein­ge­setzt wer­den – wie es immer wie­der aus ande­ren Spi­tä­lern berich­tet wird – gibt es den Aus­sa­gen von Kotz zufolge in der Wie­ner Pri­vat­kli­nik nicht. Wei­ters seien regel­mä­ßige Fort­bil­dun­gen ebenso Bestand­teil der Aus­bil­dung eines Tur­nus­arz­tes wie die all­mor­gend­li­che Bespre­chung. „Jeder Tur­nus­arzt ist einem Chir­ur­gen oder einem Inter­nis­ten zuge­teilt, der ihn betreut“, so Kotz.

Tipp­feh­ler?

Den­noch: „Ich habe das Gehalt im Inse­rat zuerst für einen Tipp­feh­ler gehal­ten“, sagt Korn­häusl. Und: So etwas habe er noch nie gese­hen. Gerade des­we­gen, weil Tur­nus­ärzte in Öster­reich mitt­ler­weile schon Man­gel­ware seien, „ver­stehe ich die­ses Lohn­dum­ping nicht“. Die Kran­ken­haus­trä­ger müss­ten sich statt­des­sen vor allem ange­sichts der aktu­el­len Ent­wick­lun­gen über­le­gen, wie sie die Arbeit in ihren Ein­rich­tun­gen attrak­ti­ver gestal­ten kön­nen. „Ver­rückt“ bezeich­net Mayer die Idee, Nacht­ar­beit mit 1.600 Euro brutto zu ent­loh­nen. „Da ver­dient dann wirk­lich bald das Rei­ni­gungs­per­so­nal mehr“, so der Obmann der Bun­des­ku­rie Ange­stellte Ärzte.

Nicht nur bei den offi­zi­el­len Ver­tre­tern, auch bei den Tur­nus­ärz­ten selbst sorgt das Inse­rat für Auf­re­gung und Kopf­schüt­teln. „Eigent­lich sollte man dort anru­fen und fra­gen, wie oft man Kopf voran gegen eine Wand lau­fen muss, um so ein Ange­bot zu machen“, lau­tet eine Reak­tion auf das Inse­rat in einem der aktivs­ten öster­rei­chi­schen Inter­net­fo­ren für Tur­nus­ärzte. „Unfass­bar“ und „Heute ist nicht 1. April?“ andere.

Nichts­des­to­trotz: Laut Kotz „sta­peln sich“ die Bewer­bun­gen für die Tur­nus­arzt­stel­len. Die genaue Zahl könne er der­zeit nicht nen­nen, die Mappe sei aber „dick“. Wien ist auch in die­ser Hin­sicht anders: Im Gegen­satz zu allen ande­ren Bun­des­län­dern war­tet man in den Kran­ken­häu­sern des KAV (Kran­ken­an­stal­ten­ver­bund) noch immer rund ein Jahr auf den Turnus.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 10 /​25.05.2013