Psychologen-Gesetz: ÖÄK-Vorschläge berücksichtigt

15.07.2013 | Politik


Die Novelle zum Psychologen-Gesetz sorgte schon als Entwurf für Aufregung: Doch im letzten Moment konnte die ÖÄK in intensiven politischen Gesprächen zahlreiche Verbesserungen erzielen. So gibt es etwa keine Vorbehaltsregelung gegenüber Ärzten.
Von Barbara Wakolbinger

Bereits in der Begutachtungsphase sorgte die Novelle zum Psychologen-Gesetz für Aufregung und Proteste: Wo Psychologen und Politik vor allem eine Aufwertung im Bereich der Ausbildung erkannten, ortete etwa Karl Forstner, Präsident der Ärztekammer Salzburg und Leiter des Referats Psychosoziale, psychosomatische und psychotherapeutische Medizin (PPP-Referat) der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) einen „massiven Eingriff in die Kompetenzen der Ärzteschaft“ bei der Behandlung von Patienten mit psychischen Erkrankungen. „Die Tätigkeit der Psychologen wird wissentlich weit in den ärztlichen Bereich ausgeweitet“, erklärte er. „Unter diesen Bedingungen ist nicht mehr garantiert, dass Patienten die Leistungen dort erhalten, wo auch die Kompetenzen liegen.“

Strittig waren vor allem zwei Punkte der Gesetzesnovelle: Der so genannte „Diagnostikvorbehalt“, in dem festgelegt wird, dass die klinisch-psychologische Diagnostik sowie die Erstellung von klinisch-psychologischen Befunden den klinischen Psychologen vorbehalten bleibt sowie die Definition der Tätigkeit von klinischen Psychologen. Diese umfasste auch „die klinisch-psychologische Behandlung von krankheitswertigen Störungen durch Maßnahmen bei Einzelpersonen, Paaren und Gruppen; psychologische Interventionen in der Akutversorgung und in Krisensituationen“, wie es wörtlich im Entwurf hieß.

„Das Gesetz ist ein Versuch, Aufgaben auf Personen zu übertragen, die dazu nicht ausgebildet sind“, sagte Forstner. Da würden auch die nun vorgesehene Verdopplung der Praktikumszeit auf zwei Jahre und die verpflichtende Selbsterfahrung zu kurz greifen. Natürlich würden Psychologen wertvolle Arbeit leisten, aber „im Vergleich zur intensiven, jahrelangen Aus- und Weiterbildung von Fachärzten oder durch PSY-Diplome sind das Schmalspur-Ausbildungen. Hier gilt der alte Spruch: Schuster, bleib bei deinen Leisten“, meinte der Leiter des PPP-Referats.

Laut ÖVP-Gesundheitsprecher Erwin Rasinger bringe die Gesetzesnovelle eine bessere Kontrolle der Ausbildungsstellen, eine zentrale Prüfung für alle klinischen und Gesundheitspsychologen sowie den verpflichtenden Nachweis von Spezialisierungen. „Wenn jemand in Zukunft den Titel Kinderpsychologe führen will, muss er ein Curriculum nachweisen und kann nicht einfach ein Taferl raushängen.“ Zusätzlich sind etwa eine Haftpflichtversicherung für alle selbstständigen Psychologen, bezahlte Praxisstellen sowie ein Psychologie-Beirat geplant.

Klare Unterscheidung notwendig

Aber nicht nur die Ärzte sahen sich durch die Neuerungen bedroht. „Ich habe den Eindruck, da wird eine Nebelkerze nach der anderen gezündet“, meinte etwa Eva Mückstein, Präsidentin des Österreichischen Bundesverbands für Psychotherapie. „Die Psychologen haben in diesem Entwurf eine sehr weitreichende Krankenbehandlungskompetenz zugeschrieben bekommen. Sieht man genauer hin, geht es um Methoden und Interventionstechniken, die alle aus der Psychotherapie kommen.“ Sie befürchtet, dass Klinische Psychologen diese Methoden in Zukunft anwenden, ohne eine komplette Psychotherapieausbildung zu haben. „Eine klare Unterscheidung zwischen klinisch-psychologischer Behandlung und Psychotherapie wurde unterlassen“, führte Mückstein weiter aus. Denn im Vordergrund stehe das Recht des Patienten auf bestmögliche Behandlung – und diese sei eben nur bei Psychotherapeuten oder Ärzten mit psychotherapeutischer Ausbildung garantiert.

Die Vorsitzende des Berufsverbandes Österreichischer Psychologen (BÖP), Ulla Konrad, verstand die Aufregung dagegen nicht ganz. Die Klinischen Psychologen würden nicht versuchen, jemandem etwas wegzunehmen. Im Gegenteil: „Die Versorgung muss ausgeweitet werden, um spezifische psychische Erkrankungen besser behandeln zu können“, so Konrad. Man strebe schon lange eine Aufnahme der klinisch-psychologischen Behandlung ins Allgemeine Sozialversicherungsgesetz an. „Wir haben unser Gesetz jetzt verhandelt, zum Teil Missstände beseitigt. Ich hoffe, die Psychotherapeuten machen das in ihrem Bereich jetzt auch.“

Georg Psota, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, wollte sich hingegen gar nicht erst in den Details des Gesetzesentwurfs verlieren: „Das ist so vieldeutig formuliert, dass es gar nicht absehbar ist, welche Konsequenzen das nach sich zöge.“ Klar sei jedoch, dass eine Gruppe zur Behandlung von psychisch kranken Menschen ermächtigt werde, welche die dafür notwendigen Kompetenzen nicht besitzt. „Auch Physiotherapeuten sind wichtig und gut. Aber wir sind uns alle einig, dass sie nicht operieren sollen“, verglich er. Der Bereich der psychischen Erkrankungen lasse sich nicht aus der Medizin herauslösen.

Kurz vor Redaktionsschluss wurde bekannt, dass der umstrittene Gesetzesentwurf zwar in Kürze im Nationalrat beschlossen werden wird, jedoch mit deutlichen Änderungen.

Dabei hat man laut SPÖ-Gesundheitssprecherin Sabine Oberhauser vor allem der Sorge der Psychotherapeuten und Psychiater nach einer mangelnden Abgrenzung der Tätigkeitsbereiche Rechnung getragen. Auch die heftig kritisierten Diagnostik- und Tätigkeitsvorbehalte gebe es in dieser Form nicht mehr. „Wir haben präzisiert: Es gibt keinerlei Einschränkungen für Ärzte“, so ÖVP-Gesundheitssprecher Rasinger.

Die neuen Regelungen zur Ausbildung und zur Spezialisierung der Psychologen bleiben dagegen bestehen. „Der nun vorliegende Entwurf ist ein guter Kompromiss für alle Berufsgruppen“, meint ÖGPP-Vorsitzender Psota. „Jetzt geht es wirklich um Verbesserungen in der Psychologen-Ausbildung.“ Auch ÖBVP-Präsidentin Mückstein zeigt sich zufrieden: „Der Entwurf wurde in den wesentlichen Punkten zufriedenstellend abgeändert. Es ist sehr erfreulich, dass unsere Einwände gehört wurden.“ Dass der neue Gesetzestext den Erwartungen der Ärzteschaft wesentlich besser entspreche, bestätigt auch der Leiter des PPP-Referats Forstner: „Wir haben eine vernünftige und sachlich begründete Teilung bei der Behandlung von Patienten erreicht.“

Das hat die ÖÄK erreicht:

Nach intensiven politischen Verhandlungen – die ÖÄK hat sich massiv eingebracht und war durch Kammeramtsdirektor Lukas Stärker und die Juristin Renate Wagner-Kreimer vertreten – ist es der ÖÄK gelungen, folgende Verbesserungen zu erzielen:

  • Keine Vorbehaltsregelung gegenüber Ärzten – kein Eingriff in das ärztliche Berufsrecht;
  • Deutliche Klarstellungen im Berufsbild der Klinischen Psychologen und Gesundheitspsychologen;
  • Keine Erweiterung zum derzeitigen Berufsbild der Klinischen Psychologen und Gesundheitspsychologen;
  • Keine Vermittlung von Fertigkeiten hinsichtlich Psychopharmaka;
  • Vermittlung von Kenntnissen in der Psychopharmakologie und Psychopathologie durch Fachärzte für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin;
  • Kurze und prägnante Erläuterungen, keine nachteiligen Äußerungen;
  • Postgraduelle Ausbildung – verstärkter Einbezug der Ärzteschaft (zum Beispiel Selbsterfahrung);
  • Psychologenbeirat (Vertreter der ÖÄK);
  • Praktische Fachausbildung der Klinischen Psychologen in einem klinischen Setting.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2013