Pro­test­tag 16. Jän­ner: Brei­ter Bogen

25.01.2013 | Politik


Von Ordi­na­ti­ons­schlie­ßun­gen (Ober­ös­ter­reich) über einen Vor­trag (Kärn­ten) bis hin zu einem Medi­zin-Kaba­rett (Salz­burg) spannte sich der Bogen der Ver­an­stal­tun­gen. Diese und viele andere fan­den im Zuge des Pro­test­tags gegen die Gesund­heits­re­form am 16. Jän­ner statt.
Von Agnes M. Mühlgassner

In Ober­ös­ter­reich waren rund 1.200 Ordi­na­tio­nen – das sind rund 80 Pro­zent aller Kas­sen­or­di­na­tio­nen – geschlos­sen; in den Spi­tä­lern hat es Ärz­te­ver­samm­lun­gen gege­ben. Mit einem Pro­test­marsch mit Trom­meln und Tril­ler­pfei­fen haben rund 700 ober­ös­ter­rei­chi­sche Ärz­tin­nen und Ärzte in Linz ihren Unmut gegen die Gesund­heits­re­form zum Aus­druck gebracht. Auf den zahl­rei­chen Trans­pa­ren­ten war etwa zu lesen: „Elf Mil­li­ar­den Euro, die nir­gendwo feh­len – das ist unglaub­wür­dig“, „Noch weni­ger Zeit für unsere Pati­en­ten – nein danke!“ und „Ja zum Soli­dar­sys­tem – nein zum Leistungsabbau“.

Bei der Kund­ge­bung im Fest­saal des Lin­zer Schloss­mu­se­ums, die nach dem Pro­test­marsch abge­hal­ten wurde, sagte der Prä­si­dent der Ärz­te­kam­mer Ober­ös­ter­reich, Peter Nie­der­mo­ser, dass man „die Ärzte zu Befehls­emp­fän­gern der Poli­tik machen will. Es geht um die Macht­er­grei­fung der Poli­tik.“ Noch 2008 habe Alois Stö­ger als Obmann der ober­ös­ter­rei­chi­schen GKK erklärt, dass es „unge­sund und unrea­lis­tisch“ sei, das Bud­get zu kür­zen. Nie­der­mo­ser dazu: „So schnell ändert man seine Mei­nung. Es ist eine Schande.“ Und der ober­ös­ter­rei­chi­sche Ärz­te­kam­mer­prä­si­dent kün­digte wei­tere Maß­nah­men gegen die „Spa­rund Reduk­ti­ons­re­form“ an. In fünf Jah­ren werde man teil­weise vor den Trüm­mern eines Gesund­heits­we­sens ste­hen. Man werde die Reform dort­hin brin­gen, wohin sie gehöre: in den Papier­korb der Geschichte. Nie­der­mo­ser ließ kei­nen Zwei­fel daran, dass die Pro­teste auch kein Ende neh­men wür­den: „Es ist der Anfang des Ver­hin­derns die­ses Papiers.“ Zur Pro­test­ver­an­stal­tung waren nicht nur Ärzte gekom­men, wie Nie­der­mo­ser gegen­über der ÖÄZ erklärte, son­dern auch viele Pati­en­ten – die Stim­mung ins­ge­samt sei durch­aus „kämp­fe­risch“ gewe­sen. Nie­der­mo­ser: „Die Anwe­sen­den am Lin­zer Haupt­platz haben uns auf­ge­for­dert, wei­ter­zu­ma­chen, um diese Reduk­tio­nen abzuwehren.“

Zu einem Medi­zin-Kaba­rett-Abend, bei dem das Gesund­heits­sys­tem reflek­tiert wer­den sollte, hatte die Ärz­te­kam­mer Salz­burg gela­den – und rund 400 Ärz­tin­nen und Ärzte waren gekom­men. Auf Ordi­na­ti­ons­schlie­ßun­gen hat man in Salz­burg ver­zich­tet. Man wolle jedoch mit die­ser Ver­an­stal­tung deut­lich machen, dass „wir die soge­nannte Gesund­heits­re­form als schlechte Ent­schei­dung der Poli­tik qua­li­fi­zie­ren“, erklärte der Prä­si­dent der Ärz­te­kam­mer Salz­burg, Karl Forst­ner. Die Salz­bur­ger Ärzte seien bereit, an der Umge­stal­tung des Gesund­heits­we­sens mit­zu­wir­ken, so Forst­ner. „Es liegt an der Poli­tik, end­lich mit den Leis­tungs­er­brin­gern in einen Dia­log einzutreten.“

Trotz schlech­ter Wet­ter­be­din­gun­gen waren rund 80 Kärnt­ner Ärz­tin­nen und Ärzte in die Ärz­te­kam­mer Kla­gen­furt zum Vor­trag von Univ. Prof. Klaus Fir­lei, Pro­fes­sor für Arbeits- und Sozi­al­recht an der Uni­ver­si­tät Salz­burg, gekom­men. Und sie waren betrof­fen ange­sichts der Aus­füh­run­gen des Exper­ten, dass es sich bei die­ser Reform nicht um etwas Abs­trak­tes, son­dern um etwas sehr Kon­kre­tes handle. Die Poli­tik preise öffent­lich das Gesund­heits­we­sen als eines der bes­ten der Welt, führe aber intern Ratio­nie­run­gen ein. Fir­lei führte aus, dass die Über­brin­ger die­ser Bot­schaft die Ärzte seien – sowohl nie­der­ge­las­sene als auch Spi­tals­ärzte. Die Vor­gangs­weise der Poli­tik im Zusam­men­hang mit der Gesund­heits­re­form bezeich­nete Fir­lei als „ethisch höchst fragwürdig“.

Auf einen kon­ti­nu­ier­li­chen Pro­zess setzt die Ärz­te­kam­mer Stei­er­mark und wid­met künf­tig den Mitt­woch der Gesund­heit, erklärte der Prä­si­dent der stei­ri­schen Ärz­te­kam­mer, Her­wig Lind­ner, vor Jour­na­lis­ten in Graz. „Wir set­zen auf die Kraft der Infor­ma­tion“, betonte er. Denn der­zeit habe in Öster­reich „die Bud­get­po­li­tik einen höhe­ren Stel­len­wert als qua­li­täts­volle Gesund­heits­ver­sor­gung“. Das sei auch mit einer der Gründe für die Akti­vi­tä­ten, denn: „Wir machen uns Sor­gen um die Gesund­heits­ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung und sind über­zeugt, dass die Bevöl­ke­rung Abstri­che machen muss“, unter­strich Lindner.

Mit Ende Jän­ner 2013 beginnt eine län­ger­fris­tige Infor­ma­ti­ons­kam­pa­gne mit jeweils regio­na­len Schwer­punk­ten in den Bezirks­haupt­städ­ten – der Start erfolgt in Lie­zen – und ande­ren Hot spots wie etwa Ein­kaufs­zen­tren. Dort wer­den Infor­ma­ti­ons­stände ein­ge­rich­tet; gleich­zei­tig wird es in den Ordi­na­tio­nen Aktio­nen geben. Hat man den Pati­en­ten im Zuge der ers­ten Infor­ma­ti­ons­welle im Dezem­ber noch „Trost­pflas­ter“ ver­teilt, erhal­ten sie nun eine Gebrauchs­in­for­ma­tion für eine „ehr­li­che Gesund­heits­re­form“. Wei­ters ist geplant, aus­ge­wählte Poli­ti­ker wie etwa die zustän­di­gen Bür­ger­meis­ter in die Ordi­na­tio­nen ein­zu­la­den, um ihnen die Mög­lich­keit zu geben, Gesund­heits­ver­sor­gung vor Ort zu erle­ben – und so ihre Ent­schei­dun­gen auf einer rea­len Basis tref­fen zu kön­nen. Ins­ge­samt geht es der Ärz­te­kam­mer Stei­er­mark um einen „kon­ti­nu­ier­li­chen Prozess“.

Zu einer Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung ver­sam­mel­ten sich die Reprä­sen­tan­ten der Ärz­te­kam­mer Bur­gen­land im bur­gen­län­di­schen Traus­dorf. Ärz­te­kam­mer­prä­si­dent Michael Lang zeigte sich dabei über­zeugt davon, dass „dann ein­fach nicht mehr alle not­wen­di­gen Leis­tun­gen ange­bo­ten wer­den kön­nen“. Man werde kri­tisch beob­ach­ten, wie die kon­kre­ten Geset­zes­vor­schläge zur Umset­zung der 15a-Ver­ein­ba­rung lau­ten wer­den, so der Prä­si­dent der bur­gen­län­di­schen Ärz­te­kam­mer. Auch Lang bekun­dete den Wil­len der Ärz­te­schaft, an einer Neu­ge­stal­tung des Gesund­heits­we­sens mit­zu­wir­ken. Jetzt liege es – so Lang – an der Poli­tik, „end­lich mit den Leis­tungs­er­brin­gern in einen Dia­log einzutreten“.

Gesund­heits­re­form: Reak­tio­nen der Parteien

Nach dem Beschluss der Gesund­heits­re­form im Minis­ter­rat sprach Bun­des­kanz­ler Wer­ner Fay­mann (S) von einem „wich­ti­gen Mei­len­stein“. Für ihn ist die Gesund­heits­re­form ein Beweis für die Arbeits­fä­hig­keit der Bun­des­re­gie­rung. Vize­kanz­ler Michael Spin­de­leg­ger (V) sieht in der Reform eine Bestä­ti­gung dafür, dass man den Anfang 2012 gefass­ten Sanie­rungs­plan tat­säch­lich auch ein­halte. Gesund­heits­mi­nis­ter Alois Stö­ger (S) ver­sprach, dass die Reform bei den Pati­en­ten ankom­men werde.

Ableh­nung kommt hin­ge­gen von der FPÖ und vom BZÖ. Andreas Karls­böck (F) warnt vor einem Belas­tungs­pa­ket für die Pati­en­ten und einem Orwell’schen Über­wa­chungs­pa­ket für Ärzte. Für den Gesund­heits­spre­cher des BZÖ, Wolf­gang Spa­diut, ist das „eupho­ri­sche Gehabe“ von Stö­ger unan­ge­bracht. Eli­sa­beth Kauf­mann-Bruck­ber­ger vom Team Stro­nach for­dert eine Zusam­men­le­gung der Sozialversicherungsträger.

Als ein­zige Oppo­si­ti­ons­frak­tion begrüß­ten die Grü­nen die Reform. Des­sen Gesund­heits­spre­cher Kurt Grü­ne­wald erklärte, die geplante Kos­ten­dämp­fung müsse durch intel­li­gente Struk­tur­be­rei­ni­gun­gen erfol­gen und dürfe nicht zu Leis­tungs­ver­kür­zun­gen bei den Behand­lun­gen führen.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 1–2 /​25.01.2013