Hausapotheken: Aufgeschoben – nicht aufgehoben

25.05.2013 | Politik

Die Existenz von Hausapotheken ist gesichert – vorerst jedenfalls. Ohne die kürzlich im Nationalrat erfolgte Gesetzesänderung hätte es für 180 ärztliche Hausapotheken das mögliche „Aus“ bedeutet. Bis 2015 sollen neue Modelle für eine dauerhafte Lösung entwickelt werden.
Von Marion Huber

Das Schlimmste konnte – fürs Erste jedenfalls – verhindert werden. Dank einer Änderung des Apothekengesetzes hat sich die Lage der ärztlichen Hausapotheken zumindest entspannt. „Man hat die Notbremse gezogen und einen notwendigen ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht“, analysiert Gert Wiegele, Leiter des Referats für Landmedizin und Hausapotheken in der ÖÄK. 

Bestehende Hausapotheken in Zwei-Arzt-Gemeinden müssen nun nicht mehr innerhalb von drei Jahren nach der Ansiedlung einer öffentlichen Apotheke stillgelegt werden, sondern erst spätestens Ende 2018. Auch die Zusammenlegung von Gemeinden, wie dies etwa in der Steiermark geplant ist, stellt keine Gefahr für Hausapotheken dar. Speziell ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger setzte sich hier ein, so dass ein entsprechender Entschließungsantrag gemeinsam mit SPÖ-Gesundheitssprecherin Sabine Oberhauser Ende April 2013 eingebracht und dann im Nationalrat einstimmig beschlossen wurde. Warum dieser Sinneswandel? Oberhauser dazu: „Uns war völlig klar, dass etwas gemacht werden muss – nicht aufgrund des Landärzte- oder Hausapotheken-Mangels, sondern weil es aufgrund der Gemeinde-Zusammenlegungen in der Steiermark Regelungsbedarf gegeben hat.“ Und Rasinger ergänzt: „Der Druck von Seiten der Politik, vor allem aus der Steiermark, und auch der Seniorenvertreter war sehr groß. Nachdem wir in den letzten Jahren schon 100 Hausapotheken verloren haben, war klar, dass es so nicht weitergehen kann.“

Spezialfall Steiermark

In der Steiermark wären ohne Gesetzesänderung laut Berechnungen der Ärztekammer 20 ärztliche Hausapotheken durch Gemeinde-Zusammenlegungen und weitere 30 bis 40 durch die Drei-Jahres-Frist weggefallen, wie Jörg Garzarolli, Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte der Ärztekammer Steiermark, schildert: „Wir haben uns sehr eingesetzt und waren in den Gemeinden, beim Gemeindebund, bis zu den Landeshauptleuten und im Ministerium vorstellig.“ Durch den neuen Nationalratsbeschluss wurde die Gemeindestruktur aus dem Jahr 2006 „eingefroren“, was Garzarolli als „zufriedenstellendes Zwischenergebnis“ wertet.

Der Hintergrund: Ende Juni 2012 hat der Verfassungsgerichtshof zwar den Vorrang für Hausapotheken in Ein-Arzt-Gemeinden bestätigt; die seit 2006 geltende zehnjährige Übergangsfrist für ärztliche Hausapotheken nach Eröffnung einer Apotheke für Zwei-Arzt-Gemeinden wurde aber als verfassungswidrig aufgehoben. Ab 2014 hätten die ärztlichen Hausapotheken in solchen Gemeinden ihre Bewilligung verloren, wenn die Konzession für eine Apotheke erteilt wird. In ganz Österreich wären mehr als 180 von den insgesamt 876 ärztlichen Hausapotheken davon betroffen gewesen.

Dieses „Hausapotheken-Sterben“ müssten die Patienten ausbaden – Hand in Hand geht auch das Landärzte-Sterben. „Ich versuche seit Jahren, die ärztliche Versorgung am Land aufrechtzuerhalten – und das geht gerade in kleineren Gemeinden ohne Hausapotheke schlicht und einfach nicht“, weiß Rasinger. Bekanntlich war in den letzten Jahrzehnten in diversen Regierungsprogrammen immer wieder die Rede von der Aufwertung des Hausarztes und dessen Bedeutung für die Versorgung. Zuletzt sollte der Hausarzt im Zuge der kommenden Gesundheitsreform aufgewertet werden. Rasinger dazu: „Aber damit man einen Hausarzt überhaupt hat, muss man ihn erstens gut ausbilden – Stichwort: Lehrpraxis – und zweitens muss er überleben können.“ Der ÖVP-Gesundheitssprecher – selbst Allgemeinmediziner im 12. Wiener Gemeindebezirk – schwärmt grundsätzlich von seinem Beruf: „Aber die Arbeit wird einem von vorne bis hinten mit sinnloser Bürokratie und schlechter Bezahlung vermiest. Wenn man kleinen Gemeinden auch noch die Hausapotheke wegnimmt, gibt es überhaupt keinen Grund mehr für junge Leute, aufs Land zu ziehen.“ Man müsse deutsche Zustände vermeiden, wo flächendeckend ganze Landstriche wie etwa Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt ohne Hausärzte dastehen: „Und es ist ohnehin schon eins vor zwölf!“

Der Obmann der Bundeskurie Niedergelassene Ärzte in der ÖÄK, Johannes Steinhart, zeigt sich erfreut über die „breite Unterstützung“ und die „hohe Anerkennung der Landärzte selbst bis in die Spitzen der Politik“. Er gibt jedoch – ebenso wie Rasinger – zu bedenken: „Wir müssen auch weiterhin dafür sorgen, dass diese Tätigkeit attraktiv genug bleibt, um auch der ländlichen Bevölkerung die ihr zustehende umfassende medizinische Versorgung zu garantieren.“

Denn die Schließung von gefährdeten Hausapotheken ist mit dem Nationalratsbeschluss nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben. Gemäß dem Entschließungsantrag sollen bis 2015 neue Modelle für eine dauerhafte Lösung entwickelt werden. „Das ist zwar jetzt ein positives Signal, die Wahrheit wird sich aber erst zeigen, wenn die Verhandlungen beginnen“, warnt Garzarolli vor zu viel Euphorie. Die aus seiner Sicht „ideale Versorgung“: Eine Liberalisierung dahingehend, dass in der Ordination prinzipiell Medikamente abgegeben werden können.

Steinhart wiederum betont in diesem Zusammenhang, dass die Ärzteschaft „prinzipiell allen konstruktiven Lösungsvorschlägen offen gegenüber steht“. Seine Forderung: der Liberalisierung der Apothekenzulassungen in den letzten Jahren müsse auch eine Liberalisierung der bestehenden Einschränkungen für ärztliche Hausapotheken folgen. „Wir sind gespannt auf entsprechende Vorschläge der Apothekerkammer“, so der Kurienobmann. Wiegele konkretisiert: „In den jetzigen Ein-Arzt-Gemeinden muss die Hausapotheke sicher sein und wir werden darauf hinarbeiten, dass auch Zwei-Arzt-Gemeinden durch Hausapotheker zu versorgen sind.“ Außerdem müsse die „unglückselige Kilometerregelung“ wegfallen und dem Apothekengesetz mit einer 500-Meter-Grenze angepasst werden. Was bezüglich der medikamentösen Versorgung bislang nur im Apothekengesetz festgeschrieben ist, solle laut Wiegele auch im Ärztegesetz verankert werden.

Insgesamt für „eine bessere Zusammenarbeit zwischen Hausapotheken und Apotheken im Sinne des Patienten“ plädiert SPÖ-Gesundheitssprecherin Oberhauser. Wichtig sei dabei, dass Patienten gut erreichbar und qualitätsgesichert die Medikamente, die verschrieben wurden, bekommen. Sie könne sich verschiedene Modelle vorstellen, so Oberhauser: „Genaueres muss mit den Betroffenen besprochen werden, sowohl mit den Apothekern als auch mit den Hausapotheken-führenden Ärzten und deren Standesvertretung.“

Rasinger nennt es als „Hauptziel“, die Hausapotheken in ihrem Bestand weitestgehend zu erhalten: „Ich möchte nicht, dass dieses Hausapotheken-Sterben weitergeht und ich möchte, dass man klare Regeln trifft, wann eine Hausapotheke bestehen darf und wann eine öffentliche Apotheke einzurichten ist.“ Zwei Regelungen bezüglich Hausapotheken hat der ÖVP-Gesundheitsexperte verhandelt – die letzte habe sogar vor dem Verfassungsgerichtshof gehalten. Probleme gab es durch einen Fehler bei der Pensionierungs-Regelung – also wenn bei Pensionierung eines Hausapotheken-führenden Arztes durch die Gesetzeslage der Nachfolger keine Hausapotheke mehr erhält. Dies sieht der ÖVP-Gesundheitssprecher als „besonders unbefriedigend“ an: „Die SPÖ war seit fünf Jahren nicht bereit, das zu sanieren und deshalb haben wir diese permanenten Streitereien.“

Lösung ohne „Kampfgetöse“

Dabei sind ohne Hausapotheken alle Verlierer, sagt Rasinger: „Wir werden keine Ärzte aufs Land bekommen, für die Patienten ist es untragbar und auch die Apotheken selbst sagen, dass sie in 20 Prozent der Apotheken kaum Gewinn erwirtschaften. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Klein-Apotheke viel Geld abwirft.“ Eine nachhaltige Lösung scheint für alle das Beste. Rasinger dazu: „Leider ist in den letzten sechs Jahren permanent Druck auf den Minister ausgeübt worden und er hat sich nicht einen Zentimeter bewegen wollen. Das ist traurig, aber wahr.“ Lässt man aber das „Kampfgetöse“ (Rasinger) weg, sollte eine Lösung möglich sein.

Im Hinblick auf die bevorstehende Nationalratswahl drängt die Zeit. Wiegele mahnt: „Man muss jetzt versuchen, die Politik zu zwingen, sich auf eine definitive Lösung festzulegen.“ Die ÖÄK werde jedenfalls „mit aller Kraft darauf drängen, dass die Politik ihr Versprechen diesmal einhält“.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 10 / 25.05.2013