Neues ÖÄK-Referat für Gender Mainstreaming: Gegen die Ungleichbehandlung

10.10.2013 | Politik

Wenn Frauen die Betreuungspflicht von Kindern übernehmen, erleben sie dadurch berufliche Nachteile im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen. Jedoch erfahren auch immer mehr Männer Ungleichbehandlungen beim Versuch, Familie und Beruf zu vereinbaren. Das neu eingerichtete ÖÄK-Referat für Gender Mainstreaming will das ändern. Von Elisabeth Gerstendorfer

Die Aufgaben einer Familie erfolgreich zu meistern, ist nicht einfach, wenn einer der Partner Arzt ist oder, wie oft, beide Eltern als Ärzte arbeiten“, sagt Univ. Prof. Anita Rieder, Referentin des neu eingerichteten ÖÄKReferats für Gender Mainstreaming und Leiterin des Instituts für Sozialmedizin an der Medizinischen Universität Wien. Das Referat für Gender Mainstreaming beschäftigt sich seit Mai 2013 unter Leitung des Präsidenten der Ärztekammer Wien, Univ. Prof. Thomas Szekeres, damit, Rahmenbedingungen für Ärztinnen und Ärzte zu schaffen, die ihnen die Ausübung ihres Jobs ohne Ungleichbehandlung ermöglichen. Anders als bei expliziter Frauenpolitik geht es darum, eine Gleichstellung beider Geschlechter in allen Bereichen der ärztlichen Berufsausbildung zu erreichen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf steht dabei ganz oben auf der Agenda – vor allem, weil sie immer noch die größte Quelle von geschlechtsspezifischen Nachteilen darstellt. „Schon in der Schwangerschaft verlieren Spitalsärztinnen einen großen Teil ihres Gehalts durch das Verbot der Nachtarbeit sowie Verbote, in bestimmten Bereichen zu arbeiten. Die beruflichen Einschränkungen haben ihre Berechtigung. Allerdings braucht es Modelle, die Frauen für diese Zeit absichern“, so Rieder. Für den Pflegebereich gäbe es bereits Modelle. Darin ist vorgesehen, dass der durch Mutterschutz bedingte Verdienst-Entgang ersetzt wird. Ähnliche Bedingungen sind nach Ansicht von Rieder auch für Ärztinnen denkbar.

Auch im niedergelassenen Bereich können sich Ärztinnen bei einer Schwangerschaft derzeit nicht absichern – zwar gibt es bei Selbstständigkeit die Möglichkeit einer Betriebsunterbrechungsversicherung, diese gilt jedoch nicht bei Schwangerschaft. „Auch immer mehr Väter wollen die Möglichkeit der Väterkarenz nutzen. Dazu braucht es aber Rahmenbedingungen, die das überhaupt ermöglichen. Die Modelle müssen moderner werden“, meint Rieder. Viele Jungärztinnen und Jungärzte seien frustriert, wenn sie in den ersten Praxismonaten merkten, wie schwierig es für sie einmal sein werde, Familie, Kinder und Zeit zum Leben zu vereinbaren, sagt Rieder.

Den Bedarf an strukturellen Änderungen zeigen Ergebnisse der Ärztinnenstudie Oberösterreich (Dreer-Topakian, 2010), die unter rund 2.000 oberösterreichischen Ärztinnen durchgeführt wurde: Nicht einmal 30 Prozent der befragten Ärztinnen unter 40 Jahre haben Kinder, wobei jede zweite kinderlose Ärztin angab, dass sie in einem anderen Beruf Kinder hätte. Diejenigen, die Kinder haben, nannten vor allem Schwierigkeiten bei der Betreuung und wünschen sich mehr Unterstützung durch den Arbeitgeber. Niedergelassene Ärztinnen wiesen in der Studie eine signifikant höhere Arbeitszufriedenheit auf als Spitalsärztinnen. Rieder dazu: „Für Ärzte – und in der Regel sind es Ärztinnen – ist die Teilzeit-Arbeit in einem Krankenhaus sehr ungerecht bezahlt. Die Zuschläge für Nacht- und Wochenenddienste werden nur zu einem Teil ausbezahlt. Darüber hinaus gibt es in Österreich 36 verschiedene Dienstrechte, die dieses Thema regeln.“ Hier möchte das Referat für Gender Mainstreaming ansetzen. In den Sitzungen – auch unter Beteiligung von Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek – werden nicht nur Ungleichbehandlungen diskutiert, sondern Lösungsansätze erarbeitet. Beispielsweise sollen künftig Jobsharing-Praxen verstärkt gefördert werden, um Betreuungsschwierigkeiten sowie nicht abschätzbare tägliche Arbeitszeiten im niedergelassenen Bereich durch fixe Ordinationszeiten zu reduzieren. Um dem Problem von unzureichenden Öffnungszeiten von Krippen und Kindergärten in Bezug auf Spitalsdienste entgegenzusteuern, seien vor allem die Träger gefragt. In manchen Kliniken würden bereits umfassende Betreuungsmöglichkeiten angeboten; weitere sollten – so Rieder – folgen.

Leichterer Zugang zu Fächern

Auch bei den Lehrpraxen und dem Zugang zu den diversen Fächern will das Referat Geschlechtergerechtigkeit erreichen. „Die Fächer müssen für Männer und Frauen gleichermaßen barrierefrei zugänglich sein. In vielen Fächern, etwa in der Unfallchirurgie sehe ich bereits Veränderung“, berichtet Rieder. Davon, dass es typische Männer- und Frauenfächer gibt, müsse man sich verabschieden. Nicht nur für das Fach, auch für Patienten und ihre Angehörigen sei wichtig, dass beide Geschlechter vertreten sind. Gemischte Teams hätten sich in vielen Bereichen bewährt.

Große Geschlechtsunterschiede gibt es hingegen bei Führungspositionen: Nur etwa jedes siebente Primariat ist weiblich besetzt. Zum Vergleich: Etwa die Hälfte aller Ärzte sind Frauen (47 Prozent); bei den Turnusärzten sind es sogar 61 Prozent. Rieder: „In den vergangenen Jahren wurde bei Neubestellungen immer mehr auf Geschlechtergerechtigkeit geachtet. Dennoch stoßen viele Frauen noch an eine gläserne Decke in ihrer Karriere, besonders aufgrund von Kinderzeiten, die ihnen in ihrer Diensterfahrung fehlen.“ Als Positivbeispiel gingen die Universitäten voran, die bereits eine hohe Sensibilität hinsichtlich Geschlechtergerechtigkeit entwickelt hätten.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 19 / 10.10.2013