Ent­wick­lungs­hilfe: Der weite Weg nach Ifakara

10.09.2013 | Politik

Ein „Tiro­ler“ Spi­tal im tan­sa­ni­schen Busch ver­sorgt 600.000 Men­schen. Es braucht Hilfe.
Von Mar­tin Stickler

Es ist März im Kilo­m­berotal. Regen­zeit. Die Queck­sil­ber­säule zeigt 40 Grad. 100 Pro­zent Luft­feuch­tig­keit zieht sich ins Mark, ver­klebt die Augen und raubt den Atem.

Die Land­schaft ver­sinkt im undurch­dring­li­chen Grau einer dich­ten Regen­wand. Was­ser­fälle knal­len auf die satte, leh­mige Erde und wir­beln hüft­hohe Schlamm­fon­tä­nen auf. Müh­sam bewegt sich eine kleine Men­schen­gruppe am Rande des Fluss­lau­fes über den tie­fen, nahezu unpas­sier­ba­ren Boden. Zwei aus­ge­mer­gelte Och­sen stem­men sich unter auf­peit­schen­den Zuru­fen eini­ger im Morast ver­zwei­felt her­um­wa­te­ner Män­ner gegen die Unbil­den des Kli­mas. Nur mit äußers­ter Kraft­an­stren­gung gelingt es Mensch und Tier, ein Gespann in Gang zu hal­ten, das als Beför­de­rungs­mit­tel für eine ältere Frau dient. In durch­nässte Tücher gewi­ckelt ist sie schmerz­ver­krümmt auf Stroh gebet­tet, das nur not­dürf­tig die Uneben­hei­ten des Busches abfedert.

Noch 30 Kilo­me­ter nach Ifa­kara. Die Distrikt­stadt im Süd­wes­ten Tan­sa­nias, wo end­lich medi­zi­ni­sche Hilfe war­tet. Ein Spi­tal – das St. Fran­cis Hos­pi­tal – mit­ten im afri­ka­ni­schen Busch, weitab von Tou­ris­ten­pfa­den. Erreicht der Kran­ken­trans­port end­lich das ret­tende Ziel, wird er nicht allein sein. Für 600.000 Men­schen auf einem Ein­zugs­ge­biet halb so groß wie Öster­reich ist das vom Tiro­ler Chir­ur­gen Karl Schöpf gemein­sam mit Schwei­zer Ordens­leu­ten 1955 gegrün­dete Schwer­punkt­kran­ken­haus das ein­zige Auf­fang­la­ger, das ärzt­li­che Ver­sor­gung bie­tet. Für eine Bevöl­ke­rung, die weiß Gott vom Schick­sal nicht ver­wöhnt wird. Ein biss­chen Sub­sis­tenz­land­wirt­schaft sorgt für ein durch­schnitt­li­ches Monats­ein­kom­men von gerade ein­mal fünf Euro. Busse und Eisen­bahn ver­keh­ren sel­ten, in der Regen­zeit oft gar nicht, und sie sind meis­tens uner­schwing­lich. Gelän­de­gän­gige Ambu­lanz­au­tos gibt es nicht. Und so schlep­pen sich die Kran­ken tage­lang heran, aus ihren Dör­fern und Hüt­ten, die oft hun­derte Kilo­me­ter ent­fernt liegen.

Die Men­schen sind gezeich­net von Krank­heit. Dabei spie­len die für die erste Welt so typi­schen Zivi­li­sa­ti­ons­krank­hei­ten wie Dia­be­tes, Herz-Kreis­lauf­erkran­kun­gen oder Krebs eine sekun­däre Rolle. Es sind vor allem die regio­nal­spe­zi­fi­schen, tro­pen­as­so­zi­ier­ten Lei­den, die ihr Tri­but velangen.

Von Mala­ria bis Unterernährung

Mit dem Ama­zo­nas­be­cken gilt das Kilo­m­berotal als das Gebiet mit der höchs­ten Mala­ria­rate welt­weit. Bis zu 25 Mal pro Nacht sticht die Anophe­les­mü­cke bei unge­schütz­ten Per­so­nen zu. Mit fata­len Fol­gen vor­ran­gig für Kin­der, die noch keine Teil­im­mu­ni­tät auf­ge­baut haben. Mala­ria ist die Todes­ur­sa­che Num­mer eins im Tiro­ler Busch­kran­ken­haus. Gefolgt von AIDS. Die Dun­kel­zif­fer ver­viel­facht wohl die offi­zi­elle Infek­ti­ons­rate von neun Pro­zent. Rund 6.000 Pati­en­ten wer­den an der AIDS-Ambu­lanz in Ifa­kara betreut. Lepra und in der Regen­zeit auf­tre­tende Infek­ti­ons­krank­hei­ten wie Typhus und Cho­lera sind wei­tere Her­aus­for­de­run­gen. Dazu zäh­len auch Oncho­zer­kia­sis, Befall von Ein­ge­wei­de­wür­mern, Hepa­ti­tis A und sehr häu­fig bei Kin­dern Mal­nu­tri­tion. Bisse von Kro­ko­di­len, Fluss­pfer­den, Schlan­gen, Löwen und Affen for­dern ebenso ihre Opfer wie Unfall­ver­let­zun­gen, die bei der Kokos­nuss-Ernte durch Stürze von Pal­men ver­ur­sacht wer­den.

Hilfe drin­gend gefragt

Das Kran­ken­haus ver­fügt über 371 Bet­ten in Abtei­lun­gen für Chir­ur­gie, Innere Medi­zin, Gynä­ko­lo­gie und Geburts­hilfe, Kin­der­heil­kunde, chro­ni­sche Erkran­kun­gen, Inten­siv­me­di­zin. Dazu kom­men Ambu­lan­zen für Tuberkulose/​HIV, Zahn­heil­kunde, Phy­sio­the­ra­pie, Ergo­the­ra­pie, Psych­ia­trie, Augen­heil­kunde und Lepra.

Der der­zei­tige Stan­dard des Kran­ken­hau­ses ent­spricht unge­fähr dem unse­rer Spi­tä­ler in den 1950iger Jah­ren. Jähr­lich fah­ren öster­rei­chi­sche Ärz­tin­nen und Ärzte auf eigene Kos­ten nach Ifa­kara, um in Ope­ra­ti­ons­saal, Ambu­lan­zen und Sta­tio­nen mit­zu­ar­bei­ten und Hilfe dort anzu­bie­ten, wo sie erbe­ten wird.

Mitt­ler­weile ist das Kran­ken­haus in tan­sa­ni­scher Hand und wegen der wirt­schaft­li­chen Schwie­rig­kei­ten des Staa­tes in größ­ter finan­zi­el­ler Bedräng­nis. Geld fehlt an allen Ecken und Enden. Selbst für die wich­tigs­ten Inve­si­tio­nen, oft auch für basale Not­wen­dig­kei­ten, wie Was­ser und Strom. So ist das Kran­ken­haus von Spon­so­ren abhängig.

Der ehe­ma­lige Pri­ma­rius am Zam­ser Kran­ken­haus, Wil­fried Schen­nach, hat es sich zur Auf­gabe gemacht, mit dem Ver­ein „Ärzte für Ifa­kara“ das Lebens­werk sei­nes Arzt­kol­le­gen und Grün­ders, Karl Schöpf, zu erhal­ten und dadurch wenigs­tens die medi­zi­ni­sche Grund­ver­sor­gung der bit­ter­ar­men Bevöl­ke­rung in den tan­sa­ni­schen Tro­pen zu gewähr­leis­ten. „Das St. Fran­cis Hos­pi­tal ist für uns so etwas wie ein Tiro­ler Kran­ken­haus im afri­ka­ni­schen Busch gewor­den. Es ist eines der weni­gen Ent­wick­lungs­hil­fe­pro­jekte, das auch jetzt nach 60 Jah­ren noch seine pri­märe Auf­gabe erfül­len kann, was man von vie­len ande­ren Pro­jek­ten nicht behaup­ten kann“, sagt Schen­nach. Die Initia­tive küm­mert sich um die Aus­bil­dung von tan­sa­ni­schen Ärz­ten und Pfle­ge­per­so­nal ebenso wie um die Finan­zie­rung begin­nend bei Kran­ken­bet­ten bis zur Ope­ra­ti­ons­saal­ein­rich­tung. Schen­nach: „All das gehört nicht nur finan­ziert son­dern auch erhalten.“

Auf der aktu­el­len Wunsch­liste ganz oben ste­hen ein oder zwei Ambu­lanz­au­tos, um die Pati­en­ten gra­tis und vor allem schnel­ler und siche­rer ins Kran­ken­haus zu brin­gen. Unter­stüt­zung für ein mus­ter­gül­ti­ges öster­rei­chi­sches Pro­jekt ist also drin­gend gefragt.

Denn die Wege sind lang und beschwer­lich nach Ifakara.

Das wird gebraucht

  • Equip­ment und Medikamente
  • Aus­bil­dung von Ärz­ten und Pflegepersonal
  • Medi­zi­ni­sche Leis­tung vor Ort
  • Ambu­lanz­fahr­zeuge

Das muss erhal­ten werden

  • Kran­ken­zim­mer­ein­rich­tung
  • Wäsche
  • Groß­wasch­ma­schi­nen
  • Not­strom­ag­gre­gate
  • Solar­ener­gie
  • Ope­ra­ti­ons­saal­ein­rich­tung
  • Ope­ra­ti­ons­in­stru­mente
  • Ste­ri­li­sa­to­ren
  • Brun­nen und Pum­pen zur Wasserversorgung
  • Rönt­gen­ge­räte
  • Ent­wick­lungs­ma­schi­nen
  • Endo­skope
  • Und, und, und…


Tipp: www.ifakara.org

Kon­to­num­mer:
Bank­ver­bin­dung: Ärzte für Ifa­kara
Raiff­ei­sen­kassa Ober­land West in Zams/​Tirol
IBAN Code: AT963635900000030783
BIC Code: RZTIAT22359

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 17 /​10.09.2013