Aka­de­mie für Vor­sor­ge­me­di­zin: Gegen alle Widerstände

15.12.2013 | Politik

Dass sich die Inter­es­sen von Eltern, Ärz­ten und Poli­tik in punkto Imp­fun­gen ver­ein­ba­ren las­sen, hat 1998 nie­mand für mög­lich gehal­ten. Und trotz­dem: 2013 fei­ert die Wis­sen­schaft­li­che Aka­de­mie für Vor­sor­ge­me­di­zin in Graz ihr 15-jäh­ri­ges Bestehen mit einem stän­dig wach­sen­den Auf­ga­ben­spek­trum. Von Bar­bara Wakolbinger

Exakt 1.439.501 admi­nis­trierte Imp­fun­gen, 241.846 Scheck­hefte Gesund­heit und 621 stei­ri­sche Schu­len, die eng mit der Aka­de­mie für Vor­sor­ge­me­di­zin zusam­men­ar­bei­ten – das ist die Bilanz der 15-jäh­ri­gen Arbeit der Wis­sen­schaft­li­chen Aka­de­mie für Vor­sor­ge­me­di­zin (WAVM) in Graz. Begon­nen hat alles sehr viel beschei­de­ner: „Unser Anfang waren die Masern“, erin­nert sich der All­ge­mein­me­di­zi­ner Jörg Pruck­ner, Obmann der Aka­de­mie. Zeit­gleich mit der Masern­epi­de­mie wurde die Prä­mie für erfolg­reich absol­vierte Unter­su­chun­gen im Rah­men des Mut­ter-Kind-Pas­ses abge­schafft: Die Masern­fälle stie­gen, die Unter­su­chungs­zah­len beim Mut­ter-Kind-Pass san­ken. Höchste Zeit, gegen­zu­steu­ern, denn die­sen Ver­lust an Vor­sor­ge­qua­li­tät woll­ten weder Ärzte noch das Land Stei­er­mark in Kauf neh­men. Ein Gespräch mit einer Kol­le­gin im Feber 1996 – „wir haben über Masern, den Pass und die Wün­sche des Lan­des dis­ku­tiert“ – war die Geburts­stunde der Akademie.

Hef­tige Widerstände

Rasch machte sich Pruck­ner mit einem klei­nen Team an die Umset­zung, grün­dete einen gemein­nüt­zi­gen Ver­ein, plante und stieß damit auf hef­tige Wider­stände. „Rundum hat­ten wir nichts als Geg­ner“, erzählt er. Nie­mand konnte sich vor­stel­len, dass es mög­lich ist, die Inter­es­sen der Schu­len, Eltern und Kin­der, der Ärzte und Apo­the­ker sowie der Ver­wal­tung unter einen Hut zu brin­gen. Doch bereits ein Jahr spä­ter konnte die Stei­ri­sche Lan­des­re­gie­rung an Bord geholt wer­den, 1998 nahm die Aka­de­mie schließ­lich ihre ope­ra­tive Tätig­keit auf. „Wir hat­ten ein Büro in der Ärz­te­kam­mer Stei­er­mark: ein lee­rer Raum mit einem Anruf­be­ant­wor­ter“, erin­nert sich Pruck­ner an die Anfänge. Nach und nach über­zeugte das Kon­zept, der Wider­stand wan­delte sich an allen Fron­ten zu brei­ter Unter­stüt­zung. Ein Jahr nach der Grün­dung star­tete das „Scheck­heft Gesund­heit für Eltern und Kind“.

Die Aka­de­mie sei mit der rich­ti­gen Idee zur rich­ti­gen Zeit an der rich­ti­gen Stelle gewe­sen, ist Pruck­ner noch heute über­zeugt. Mitt­ler­weile geben ihm auch die Zah­len Recht: Rund 80.000 Impf­bons für das Gra­tis­impf­kon­zept des Lan­des wer­den jähr­lich admi­nis­triert; ins­ge­samt wur­den bereits mehr als 150.000 Kin­der betreut. Müt­ter wer­den bereits kurz nach der Geburt über die Optio­nen infor­miert; die Daten der geimpf­ten Kin­der in einer gro­ßen stei­ri­schen Impf­da­ten­bank gesam­melt. Auch die Ver­rech­nung der Arzt­ho­no­rare erfolgt über die Wis­sen­schaft­li­che Aka­de­mie für Vor­sor­ge­me­di­zin. „Ein kom­plet­tes Impf­ser­vice bestehend aus Infor­ma­tion und Impf­lo­gis­tik, das vor­her in die­ser Form gefehlt hat“, fasst Pruck­ner zusam­men. Zum Infor­ma­ti­ons­teil gehö­ren heute nicht nur meh­rere Ziel­grup­pen-ori­en­tierte Web­sites, Schul­bü­cher und Infor­ma­ti­ons­bro­schü­ren für Kin­der, Eltern und Ärzte, son­dern auch meh­rere Maga­zine, die regel­mä­ßig über Vor­sorge und Neu­ig­kei­ten informieren.

Auch das Büro ist inzwi­schen mit den Auf­ga­ben und Her­aus­for­de­run­gen zu einem mehr­köp­fi­gen Team unter der Lei­tung von Mar­git Pufitsch-Weber gewach­sen. Logis­tik, Doku­men­ta­tion, ein Erin­ne­rungs­ser­vice, wis­sen­schaft­li­che Impf­stu­dien – die Aka­de­mie erwei­tert ihr Auf­ga­ben­spek­trum auch heute noch stän­dig. Die neu­este Koope­ra­tion mit dem Land Stei­er­mark stellt die „Inter­dis­zi­pli­näre Kon­takt- und Anlauf­stelle“, kurz I.K.A, für Sucht­kranke dar. Seit 2012 bie­tet die Anlauf­stelle nicht nur sucht­me­di­zi­ni­sche Betreu­ung, son­dern auch psy­cho­so­ziale Beglei­tung für „eine Rand­gruppe, die sonst kaum jemand will“, so der Obmann der Akademie.

Neue Her­aus­for­de­run­gen

Auch in Zukunft will Pruck­ner aktiv sein: „Die erste Gene­ra­tion unse­rer Kin­der ist heute fast erwach­sen. Jetzt geht es darum, sie trotz­dem im Sys­tem zu behal­ten.“ Denn sobald Kin­der dem Schul-Impf­pro­gramm ent­wach­sen sind, nimmt die Impf- und Auf­fri­schungs­treue dra­ma­tisch ab. Pruck­ner möchte sie nun zumin­dest per E‑Mail an ihre Impf­ter­mine erin­nern – die Impf­da­ten­bank, in der alle bis­he­ri­gen Imp­fun­gen gespei­chert sind, macht es mög­lich. Ein Pro­jekt für die nächs­ten fünf­zehn Jahre? Pruck­ner dazu: „Nein, so gedul­dig bin ich nicht. In zwei Jah­ren muss das stehen.“

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 23–24 /​15.12.2013