Originalarbeit: Venenscreening

25.03.2013 | Medizin


Beinvenenerkrankungen sind besonders bei älteren und übergewichtigen Frauen sowie nach einer absolvierten Beinvenenthrombose und Vorliegen einer genetischen Belastung häufig. Diese Risikofaktoren können mittels eines opportunistischen Venen-Screenings festgestellt werden, um das weitere Fortschreiten der Venenerkrankung zu verhindern.
Von Helmut Schürer-Waldheim und Werner Schlick*

Gesundheit hat in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert und eine regelmäßige Beurteilung derselben wird mittels Vorsorgeuntersuchungen der Bevölkerung angeboten, doch lässt deren Teilnahme daran nach wie vor zu wünschen übrig. Nachdem zahlreiche epidemiologische Studien eindeutig aufzeigen, dass Beinvenenerkrankungen häufig sind und von den Betroffenen gerne unterschätzt oder als ungefährlich eingestuft werden, war es naheliegend, eine Personengruppe mit möglichen Risikofaktoren zu einer freiwilligen und kostenlosen Untersuchung ihres Venensystems mittels eines opportunistischen Screenings einzuladen. Diese Vorgangsweise, die bei passender Gelegenheit und auf eigenen Wunsch vorgenommen wird, hat zum Ziel, auf die ursächlichen Faktoren einer Krankheitsentstehung aufmerksam zu machen, ein Auftreten derselben rechtzeitig festzustellen sowie bei bereits erkrankten Personen ein weiteres Fortschreiten zu verhindern.

Patienten und Methodik

Für die offene, unkontrollierte Screening-Studie interessierten sich 265 Frauen und ursprünglich auch 29 Männer; diese wurden jedoch wegen der geringen Anzahl nicht in die Studie aufgenommen. Ein immer aktuelles Problem liegt in einer unzureichenden Beteiligung von Probanden an einer Studie, deren Teilnahme auf einer rein freiwilligen Mitwirkung beruht. Dabei ist es sicherlich von Bedeutung, ob es möglich ist, Interessenten persönlich anzusprechen und diese auf für sie ausgerichtete Untersuchungen ohne zeitliche und finanzielle Belastung aufmerksam zu machen. So war es möglich, mit Unterstützung eines privaten Gesundheitszentrums, zusätzlicher Mundpropaganda und dem Anbieten von Patienten-freundlichen Untersuchungszeiten innerhalb von vier Jahren 251 Frauen für die Screening-Studie zu gewinnen.

Bei der Untersuchung selbst erfolgte nach ausführlicher Anamneseerhebung eine klinische Begutachtung beider Beine in stehender Position, wobei alle sichtbaren Zeichen einer vorliegenden venösen Erkrankung dokumentiert und nach dem CEAP-Schema klassifiziert wurden (Tab. 1). Die Bestimmung der vorliegenden venösen Hämodynamik wurde mittels eines Photoplethysmographie-Gerätes errechnet, wobei entweder eine normale oder gestörte Venenfunktion registriert wurde.

Das Durchschnittsalter der Probandinnen betrug 65,4 Jahre, das vorliegende Übergewicht wurde mittels des Body-Mass-Index (BMI) bestimmt: Nur 73 Probandinnen (29,1 Prozent) waren gewichtsmäßig im Normbereich; 108 Frauen (43,0 Prozent) waren übergewichtig und 70 Frauen (27,9 Prozent) bereits adipös. Eine erbliche Belastung lag in 57,4 Prozent vor, eine Beinvenenthrombose war in 17,1 Prozent aufgetreten. Die vorliegende venöse Hämo- dynamik ergab in 65,1 Prozent eine gestörte Venenfunktion, in 33,0 Prozent war diese im Normbereich gelegen.

Im Hinblick auf durchgeführte Therapien gab mehr als die Hälfte der Probandinnen an, Venotonika eingenommen zu haben. Bei 38,6 Prozent der Frauen war eine Kompressions-therapie angeordnet worden, doch wurden mehr Stützstrümpfe als Kompressionsstrümpfe verwendet. Eine Varizenverödung erfolgte in 12,3 Prozent; einer operativen Behandlung unterzogen sich 102 Frauen (40,6 Prozent).

Die Häufigkeit des festgestellten klinischen Stadiums der aufgetretenen Beinvenen- erkrankung wurde mittels der CEAP-Klassifikation bestimmt (Tab. 1).

In den meisten Publikationen werden als Risikofaktoren zunehmendes Alter, Übergewicht und besonders Adipositas, familiäre Belastung und bereits aufgetretene Beinvenen- thrombosen angeführt; aber auch Immobilisation, eine Hormonersatztherapie wie auch Antikonzeptiva oder Berufsgruppen mit vorwiegend stehender Beschäftigung.

In der vorliegenden Studie wurden vier Faktoren verwendet: Lebensalter über 60 Jahre, Adipositas (BMI über 30 kg/m2), eine absolvierte Beinvenenthrombose sowie das Vorliegen einer erblichen Belastung.

Um den Einfluss der Risikofaktoren Alter, Körpergewicht (BMI), vorangegangene Venen- thrombose und familiäre Belastung zu quantifizieren, wurde das jeweilige Chancen- verhältnis mittels Odds Ratio (OR) berechnet. Dabei zeigten sich merklich verstärkte Risikofaktoren bei Frauen mit fortgeschrittenem Alter und nach durchgemachter Beinvenen- thrombose; in etwas geringerem Ausmaß bei vorliegender Übergewichtigkeit und familiärer Belastung. Die Bedeutung eines vorliegenden Risikofaktors ist nach durchgemachter Venenthrombose besonders deutlich erkennbar: Bei Frauen ohne Risikofaktor war es in keinem Fall zum Auftreten einer Beinvenenthrombose gekommen, beim Vorliegen von drei Risikofaktoren hatten alle Frauen eine Thrombose erlitten.

Varikose als spezieller Risikofaktor?

Zahlreiche epidemiologische Publikationen haben sich mit dem Auftreten einer Varikose in der Bevölkerung beschäftigt. Allerdings variieren die angegebenen Zahlen beträchtlich, häufig bedingt infolge von sehr unterschiedlichen Untersuchungsmethoden und Patienten- selektierung. In dieser Studie wurde bei 102 Frauen (40,6 Prozent) eine Varikositas festgestellt, von denen 30 Frauen (11,9 Prozent) eine Rezidiv-Varikose aufwiesen.

Auch hier spielen die bereits erwähnten Risikofaktoren eine wichtige Rolle: Eine Varikose konnte in der älteren Probandinnengruppe (60 bis 90 Jahre) in 84,3 Prozent nachgewiesen werden. Beim Körpergewicht war ein Drittel im Normbereich, fast die Hälfte aber bereits übergewichtig und 22,5 Prozent fettleibig. Eine absolvierte Venenthrombose war mit 27,4 Prozent ein weiterer Risikofaktor, eine bestehende erbliche Belastung war mit 64,4 Prozent daran beteiligt.

Da eine Varikose bei stärkerer Ausprägung sehr häufig zu einer Venenklappeninsuffizienz führt, ist diese oft mit schwerwiegenden Folgen assoziiert. Dazu zählt das Auftreten einer chronischen venösen Insuffizienz, weiters die Ausbildung von trophischen Haut- veränderungen bis hin zu Ulcerationen, aber auch das Auftreten von Beinvenenthrombosen. Die wichtigste Funktion eines Venenscreenings ist es daher, eine bereits aufgetretene Venenerkrankung rechtzeitig zu erkennen und deren weiteres Fortschreiten mit den zur Verfügung stehenden therapeutischen Mitteln zu verhindern.

An präventiven Möglichkeiten ist zunächst an ein Ausschalten der zu einer Varikose führenden Risikofaktoren zu denken. Da man aber weder gegen das Lebensalter noch gegen eine familiäre Belastung oder eine bereits aufgetretene Beinvenenthrombose etwas unternehmen kann, bieten sich hier nur zwei Möglichkeiten an: einerseits bei Übergewicht oder Fettleibigkeit eine Gewichtsreduktion anzustreben und andererseits mehr gezielte körperliche Aktivität mit besonderer Berücksichtigung der Wadenmuskelpumpe, um den venösen Abfluss zu verbessern.

Zusammenfassung

Als Resultat der durchgeführten Studie kann festgehalten werden, dass Frauen mit zunehmendem Alter, anhaltenden Gewichtsproblemen sowie nach einer durchgemachten Beinvenenthrombose und Vorliegen einer erblichen Belastung ein erhöhtes Risiko haben, eine Erkrankung ihrer Beinvenen zu erleiden. Bei der erwiesenen guten Akzeptanz der angebotenen Screening-Untersuchung eröffnen sich somit genügend Möglichkeiten, die zur Prävention von Beinvenenerkrankungen zielführend sind.

Tab. 1: CEAP-Klassifikation und Häufigkeit des klinischen Stadiums bei 251 Probandinnen
n>251 auf Grund von Mehrfachveränderungen

CEAP-Klassifikation

n

%

C0

Keine Zeichen für venöse Erkrankung  

   44

 17,5

C1   

Teleangiektasien

   77

 30,7

C2

Varikose

 102 

 40,6 

C3

Ödem

   15

   6,0

C4

Trophische Hautveränderungen

   14

   5,6

C5

abgeheiltes Ulcus cruris

     3

   1,2

C6

florides Ulcus cruris

     2

   0,8

Literatur bei den Verfassern

*) Dr. Helmut Schürer-Waldheim,
Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie, Wien
Univ. Prof. Dr. Werner Schlick,
Facharzt für Innere Medizin und Lungenkrankheiten, Wien
Korrespondenzadresse:
dr.schuerer-waldheim@gmx.at

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2013