Mono­ar­thri­tis: Gelenks­schmerz eruieren

10.10.2013 | Medizin

Die akute Mono­ar­thri­tis mit Schwel­lung und Schmerz kann die Erst­ma­ni­fes­ta­tion vie­ler Gelenk­er­kran­kun­gen sein. Ist ein Trauma aus­ge­schlos­sen, stel­len Kris­tall­ar­th­ro­pa­thien oder auch eine akti­vierte Arthrose häu­fige Ursa­chen für Schmer­zen und Schwel­lun­gen in ein­zel­nen Gelen­ken dar. Vier Pro­zent der Mono­ar­thrit­i­den sind meta­bo­lisch bedingt.
Von Irene Mlekusch

Gene­rell sind Gelenk­schmer­zen einer der häu­figs­ten Gründe für die Kon­sul­ta­tion des Haus­arz­tes oder der Haus­ärz­tin. Die detail­lierte Ana­mnese ermög­licht bereits die Abgren­zung zu trau­ma­ti­schen Gelenk­be­tei­li­gun­gen. „Post­trau­ma­ti­sche Gelenk­schwel­lun­gen mit ein­deu­ti­gem Pathome­cha­nis­mus gehö­ren auch bei Kennt­nis der ent­spre­chen­den Druck­punkte in die Hand des Exper­ten“, erklärt Manuel Sabeti-Aschraf von der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Ortho­pä­die in Wien. Die Schmer­zen ste­hen in unmit­tel­ba­rem Zusam­men­hang mit dem Trauma und wer­den bei bestimm­ten Bewe­gun­gen ver­stärkt. Eine wei­ter­füh­rende Bild­ge­bung ist obli­gat. „Dif­fe­ren­ti­al­dia­gnos­tisch sind etwa 90 Pro­zent der schmerz­haf­ten Gelenk­schwel­lun­gen durch mecha­ni­sche Über­be­las­tung bezie­hungs­weise mecha­ni­sche Schä­den ver­ur­sacht“, fasst Univ. Prof. Win­fried Gra­nin­ger, Lei­ter der kli­ni­schen Abtei­lung für Rheu­ma­to­lo­gie und Immu­no­lo­gie an der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Innere Medi­zin in Graz zusammen.

Die kli­ni­sche Unter­su­chung und Ana­mnese müs­sen sehr sorg­fäl­tig durch­ge­führt wer­den, sind sich die Exper­ten einig. Sabeti-Aschraf erach­tet die Unter­su­chung im Sei­ten­ver­gleich als beson­ders wich­tig. Ein mög­li­ches Trauma und vor­an­ge­gan­gene Erkran­kun­gen wie gas­tro­in­testi­nale und uro­ge­ni­tale Infekte soll­ten ebenso erho­ben wer­den wie der Schmerz und Schmerz­cha­rak­ter. Ruhe­schmer­zen und anhal­tende Mor­gen­stei­fig­keit deu­ten auf eine ent­zünd­li­che Erkran­kung hin. Akti­vierte Arthro­sen und Osteo­ne­kro­sen wer­den von belas­tungs­ab­hän­gi­gen Schmer­zen mit Lin­de­rung durch Ruhig­stel­lung sowie Anlauf­schmer­zen beglei­tet. Gra­nin­ger sieht aus­ge­hend von der Ana­mnese und der kli­ni­schen Unter­su­chung je nach Ver­dacht den Ein­satz von Sono­gra­phie, Rönt­gen, MRT, Punk­tion und Syn­ovi­al­ana­lyse als sinn­voll an. „Grund­sätz­lich gehört die peri­ar­ti­ku­läre Punk­tion in die Hand des Exper­ten“, sagt Sabeti-Aschraf und ver­weist dar­auf, dass vor allem bei adi­pö­sen Pati­en­ten die Punk­tion unter Ultra­schall­sicht eher erfolg­reich ist.

Ist ein Trauma aus­ge­schlos­sen, stel­len Kris­tall­ar­th­ro­pa­thien wie die Gicht oder auch eine akti­vierte Arthrose häu­fige Ursa­chen für Schmer­zen und Schwel­lun­gen in ein­zel­nen Gelen­ken dar. „Zunächst muss geklärt wer­den, ob es sich um eine arti­ku­läre oder eine peri­ar­ti­ku­läre Schwel­lung han­delt“, so Sabeti-Aschraf. Han­delt es sich um peri­ar­ti­ku­läre Schmer­zen, las­sen sich durch gezielte kli­ni­sche Unter­su­chun­gen eine Bur­si­tis, Ten­di­ni­tis, Inser­ti­ons-Ten­di­no­pa­thie oder eine Enthe­si­tis ein­gren­zen. Eine wei­che Gelenk­schwel­lung kann auf eine Syn­ovia­li­tis oder einen Erguss hin­deu­ten, aber auch bei Algo­n­eu­ro­dys­tro­phie auf­tre­ten. Die Schwel­lung über dem Gelenks­spalt erfor­dert genaue Kennt­nisse der Ana­to­mie. Gra­nin­ger emp­fiehlt bei Unsi­cher­heit zur wei­te­ren Abklä­rung die­ses Sym­ptoms die Sono­gra­phie oder die MRT. „Das Nativ­rönt­gen zeigt oft außer einem Weich­teil­schat­ten keine spe­zi­fi­schen Ver­än­de­run­gen“, ergänzt Gra­nin­ger. Sel­tene Tumo­ren oder Chon­dro­ma­to­sen kön­nen nur mit­tels MRT gefun­den werden.

Beson­ders wich­tig ist der Aus­schluss der sel­te­nen, aber gefähr­li­chen sep­ti­schen Arthri­tis. Sabeti-Aschraf macht dar­auf auf­merk­sam, dass bei jeder eit­ri­gen Ent­zün­dung das Gelenk zer­stört wer­den und mit einer Ver­stei­fung enden kann. Wird eine sep­ti­sche Gelenk­ent­zün­dung inad­äquat behan­delt, kann dies bei bis zu elf Pro­zent der Pati­en­ten zur per­ma­nen­ten Gelenk­schä­di­gung oder sogar zum Tod füh­ren. Ein erhöh­tes Risiko fin­det sich nach Ein­grif­fen am Gelenk sowie Gelenk­pro­the­sen oder bei immun­sup­p­ri­mier­ten Pati­en­ten. Eine Schwä­che des Immun­sys­tems besteht bei schlecht kon­trol­lier­tem Dia­be­tes, HIV, intra­ve­nö­sen Sucht­mit­teln oder bei der Ein­nahme von Kor­ti­son oder Immun­sup­pres­siva und stellt eben­falls einen Risi­ko­fak­tor dar. Der häu­figste Erre­ger ist Sta­phy­lo­coc­cus aureus; es sind aber auch Infek­tio­nen mit beta-hämo­ly­sie­ren­den Strep­to­coc­cen, Gram-nega­ti­ven Bak­te­rien und Strep­to­coc­cus pneu­mo­niae bekannt. Anae­ro­bier und Infek­tio­nen mit Gram-nega­ti­ven Erre­gern fin­den sich eher bei immun­sup­p­ri­mier­ten Pati­en­ten. Eine ein­fa­che Gonor­rhoe kann häma­to­gen zur eit­ri­gen Arthri­tis mit Erre­ger­nach­weis im Gelenk füh­ren. Oft fin­den sich bei Pati­en­ten mit sep­ti­schen Arthrit­i­den sys­te­mi­sche Sym­ptome wie Fie­ber oder Unwohlsein.

Bei jah­re­lang chro­ni­fi­zier­ten Ent­zün­dun­gen des Knie­ge­lenks muss auch an die Lyme Bor­re­liose gedacht wer­den. Myko­bak­te­rien, Pilze und virale Gelenk­s­in­fek­tio­nen sind dage­gen wirk­lich sel­ten. „Bei einer undif­fe­ren­zier­ten Mono- oder Oli­go­ar­thri­tis ist auch an die Spon­dy­lo­ar­thrit­i­den zu den­ken“, bemerkt Gra­nin­ger und sieht es als Auf­gabe des Rheu­ma­to­lo­gen, dann nach Pso­ria­sis, ent­zünd­li­chen Rücken­schmer­zen oder ent­zünd­li­chen Darm­er­kran­kun­gen zu fahn­den. Die reak­tive Arthri­tis ist erst dann eine gül­tige Dia­gnose, wenn bei einer undif­fe­ren­zier­ten Arthri­tis – also einer schmerz­haf­ten Gelenks­schwel­lung ohne ersicht­li­che Ursa­che – eine Infek­tion an gelenks­fer­nen Orten nach­zu­wei­sen ist wie zum Bei­spiel eine uro­ge­ni­tale Chla­my­di­en­in­fek­tion. Dazu muss mit mole­ku­lar­bio­lo­gi­schen oder mikro­bio­lo­gi­schen Metho­den im Abstrich aus Urethra/​Cervix oder im Harn ein Erre­ger­nach­weis durch­ge­führt wer­den. Der sero­lo­gi­sche Anti­kör­per­nach­weis gegen Chla­my­dien ist laut Gra­nin­ger wegen der häu­fi­gen Kreuz­re­ak­tio­nen „abso­lut unbrauch­bar“ und führt nur zur Ver­un­si­che­rung der Betroffenen.

Syn­ovi­al­flüs­sig­keit untersuchen

Die Unter­su­chung der Syn­ovi­al­flüs­sig­keit ist mit der Zell­zäh­lung zur Unter­schei­dung von ent­zünd­li­chen Ergüs­sen oder reak­ti­ven Reiz­zu­stän­den ideal, wobei für die Dia­gnose einer Gicht typi­sche Kris­talle bewei­send sind. Die prak­ti­sche Durch­füh­rung einer Syn­ovi­al­ana­lyse gehört laut Gra­nin­ger zu den Lehr­in­hal­ten der Fach­arzt­aus­bil­dung für Rheu­ma­to­lo­gie. Beim gerings­ten Ver­dacht auf eine sep­ti­sche Mono­ar­thri­tis muss die Syn­ovi­al­flüs­sig­keit unter­sucht wer­den. „Ist die Flüs­sig­keit klar, kann ein lokal­sep­ti­sches Gesche­hen mit hoher Wahr­schein­lich­keit aus­ge­schlos­sen wer­den“, bemerkt Sabeti-Aschraf. Ist das Punk­tat hin­ge­gen trüb und flo­ckig, muss man an eine bak­te­ri­elle Infek­tion den­ken. Gram­fär­bung und Kul­tur sind sofort durch­zu­füh­ren. Bei einer reak­ti­ven Kom­po­nente nimmt die Flüs­sig­keit die Farbe von Harn an. „Ist das Punk­tat aller­dings blu­tig, muss man nach dem ‚Warum‘ fra­gen“, erläu­tert Sabeti-Aschraf. Als mög­li­che Ursa­chen kom­men sowohl Blut­ver­dün­nung und ein Trauma als auch Arthro­sen mit Kno­chen­frag­men­ten in Frage.

„Bei Haut­ver­än­de­run­gen in der Umge­bung des betrof­fe­nen Gelenks muss man an ein Ery­si­pel oder an Pso­ria­sis den­ken. Dann besteht eine Kon­tra­in­di­ka­tion gegen eine Punk­tion“ erklärt Sabeti-Aschraf. Gra­nin­ger ergänzt: „Etwa vier Pro­zent der Mono­ar­thrit­i­den haben eine meta­bo­li­sche Ursa­che.“ Viele Arten von Kris­tall­ab­la­ge­run­gen kön­nen zu einer Gelenks­ent­zün­dung füh­ren; am häu­figs­ten sind es Mono­so­dium-Urate und Kal­zium- Pyro­phos­phat. Sehr sel­ten kom­men aber auch Kal­zi­um­oxa­late oder Apa­tit in Frage. Die Gicht kann jedes Gelenk heim­su­chen; in ers­ter Linie sind jedoch die meta­tar­so­phal­an­gea­len Gelenke sowie Knie und Sprung­ge­lenke betrof­fen. Die Pseu­do­gicht tritt dage­gen ver­stärkt in den Hand­ge­len­ken und Knien auf, kann aber auch in ande­ren Gelen­ken auf­tre­ten. Beide Erkran­kun­gen betref­fen eher ältere Patienten.

Häu­fige Fallgruben

Fall­gru­ben

Rea­li­tät

Das Pro­blem liegt im Gelenk, da der Pati­ent ein schmerz­haf­tes Gelenk angibt.

Gelenks­nahe Weich­teile kön­nen Schmer­zen ver­ur­sa­chen (Bur­si­tis)

Dia­gnos­ti­zierte Urat-Kris­talle oder Pseu­do­gicht schlie­ßen eine Infek­tion aus.

Kris­talle kön­nen auch in sep­ti­schen Gelen­ken vorkommen.

Das Vor­han­den­sein von Fie­ber ermög­licht die Unter­schei­dung Infek­ti­on/­Nicht-Infek­tion.

Fie­ber kann in Fäl­len einer infek­tiö­sen Mono­ar­thri­tis abwe­send sein.

Eine nor­male Serum-Harn­säure-Kon­zen­tra­tion macht eine Gicht unwahrscheinlich.

Harn­säu­re­werte sind bei Pati­en­ten im aku­ten Gicht­an­fall ver­min­dert, umge­kehrt kann diese bei ande­ren Erschei­nun­gen unab­hän­gig erhöht sein.

Nega­tive Gram­fär­bung und bak­te­rio­lo­gi­sche Kul­tu­ren ermög­li­chen den Aus­schluss einer Infektion.

Resul­tate kön­nen anfäng­lich nega­tiv sein. Bei kli­ni­schem Ver­dacht sind mehr­fa­che Bestim­mun­gen erforderlich.


nach Am Fam Phy­si­cian 2003; 68:83–90

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 19 /​10.10.2013