Stand­punkt – Präs. Wal­ter Dor­ner: Die Bil­dung der Zukunft

25.02.2012 | Standpunkt

(c) Bernhard Noll

Das öster­rei­chi­sche Gesund­heits­we­sen steht – sofern man über den Tel­ler­rand des täg­li­chen par­tei­po­li­ti­schen Hick-Hacks hin­aus­sieht und sich in einem grö­ße­ren Kon­text damit befasst – vor gewal­ti­gen Her­aus­for­de­run­gen. Dabei geht es um keine gerin­gere Frage als die: Wel­che Bil­dungs­po­li­tik benö­tigt der Gesundheitssektor?

Ganz grund­sätz­lich – und ich bedaure dies zutiefst – ist die Ent­wick­lung in der Medi­zin dadurch gekenn­zeich­net, dass hier eine Nivel­lie­rung hin zu ande­ren Gesund­heits­be­ru­fen statt­fin­det: Man aka­de­mi­siert die Pflege, die Phy­sio­the­ra­pie und noch viele andere. Im Zuge des­sen wird auch die Medi­zin nivel­liert, obwohl das Wis­sen beson­ders in die­sem Bereich jedes Jahr wächst und auch die Anfor­de­run­gen, die­ses Wis­sen umzu­set­zen, kon­ti­nu­ier­lich stei­gen. Offen­sicht­lich will man das hohe Niveau, auf dem unsere jun­gen Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen der­zeit noch aus­ge­bil­det wer­den, künst­lich her­un­ter­drü­cken – man will nur noch „Gesund­heits­dienste-Anbie­ter“ haben. Diese Gesund­heits­dienste-Anbie­ter sol­len – bild­lich gespro­chen – alle zusam­men in einen Sack gesteckt wer­den, auch die Ärzte, und bei Bedarf zieht man ein­fach einen x‑beliebigen Anbie­ter heraus.

Das ist der fal­sche Weg. Viel­mehr wird man sich Gedan­ken dar­über machen müs­sen, wie wird die Welt ins­ge­samt aus­se­hen, in der in Zukunft eine Gesund­heits­leis­tung erbracht wird. Wie wird man Gesund­heit und Krank­heit im 21. Jahr­hun­dert ent­ge­gen tre­ten? Und in einem grö­ße­ren Zusam­men­hang betrach­tet muss man sich auch die Frage stel­len: Wel­che Fach­leute wer­den wir brau­chen? Das sind ele­men­tare Fra­gen, deren Ant­wor­ten man nicht so ein­fach aus dem Ärmel schüt­teln kann.

Man wird sich über­le­gen müs­sen, wofür man die Ärzte und die Gesund­heits­be­rufe benö­tigt. Man wird berück­sich­ti­gen müs­sen, dass man den ange­hen­den Ärz­ten nicht nur her­vor­ra­gende Kom­pe­ten­zen in punkto Wis­sen­schaft und For­schung ver­mit­telt, son­dern auch, dass man ihnen gewisse Grund­kennt­nisse in Betriebs­wirt­schaft und Jus mit­ge­ben muss. Es kann also dezi­diert nicht um eine Ver­kür­zung des Medi­zin­stu­di­ums gehen, son­dern man muss sich viel­mehr über­le­gen, ob hier die rich­ti­gen Inhalte prä­sen­tiert wer­den und ob man das Stu­dium in einer gewis­sen Weise eigent­lich nicht ver­län­gern müsste.

Das jet­zige Medi­zin­stu­dium noch wei­ter ver­kür­zen zu wol­len, ist völ­li­ger Unsinn. Viel wich­ti­ger wäre es, sich Gedan­ken dar­über zu machen, ob die der­zeit exis­tie­rende Zugangs­re­ge­lung zum Medi­zin­stu­dium in Öster­reich wirk­lich die­je­ni­gen jun­gen Men­schen zu Ärz­tin­nen und Ärz­ten aus­bil­det, die tat­säch­lich dafür geeig­net sind. Zen­trale Eigen­schaf­ten wie Sozi­al­kom­pe­tenz und huma­ni­täre Gesin­nung fin­den ja der­zeit kaum Beach­tung bei die­ser Form des Ein­gangs­tests. Schon vor dem Ein­stieg ins Medi­zin­stu­dium muss es daher eine Zeit­spanne im Aus­maß von sechs Mona­ten bis zu einem Jahr geben, in der der künf­tige Arzt sozial tätig sein muss. Fort­set­zen muss sich das Ganze im Cur­ri­cu­lum, wo man auch auf die ethi­schen Aspekte ein­ge­hen muss – das wie­derum muss ein kon­ti­nu­ier­li­cher Pro­zess sein, der sechs Jahre hin­durch andau­ert und nicht nur in Form eines Block­prak­ti­kums absol­viert wird.

Die Frage der Bil­dung – wie Wis­sen in der Medi­zin ver­mit­telt wird – wird in Zukunft min­des­tens ebenso wich­tig sein wie die Inhalte selbst. Wir brau­chen drin­gend Exper­ten aus der Bil­dungs­po­li­tik mit dem nöti­gen Weit­blick, damit die Aus­bil­dung der Jung-Medi­zi­ner in Öster­reich auch in Zukunft noch die an sie gestell­ten Her­aus­for­de­run­gen meis­tern kann.

Wal­ter Dor­ner
Prä­si­dent der Öster­rei­chi­schen Ärztekammer

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 4 /​25.02.2012