Wahlärzte: Steigende Tendenz

25.10.2012 | Politik

Jeder dritte Österreicher geht mittlerweile zu einem Wahlarzt, wie eine repräsentative Umfrage aus dem Sommer 2012 ergab. Im Vergleich dazu haben 2008 lediglich 25 Prozent der Befragten einen Wahlarzt aufgesucht. Von Ruth Mayrhofer

Im Auftrag der Niederösterreichischen Ärztekammer in Kooperation mit der Wiener und der Kärntner Ärztekammer hat das Marktforschungsinstitut OGM mit einer Stichprobe von 2.200 Interviews eine für Österreich repräsentative Umfrage durchgeführt und kürzlich bei einer Pressekonferenz in Wien vorgestellt.

Der Trend in Richtung Behandlung durch Wahlärzte ist dabei deutlich erkennbar. Rund ein Drittel aller Österreicher hat in diesem Jahr schon einen Wahlarzt konsultiert. Trotzdem kennen die Österreicherinnen und Österreicher dieses System noch nicht im Detail. Zwar wissen österreichweit im Schnitt 73 Prozent, dass sie von den Kassen eine Rückerstattung für ihren Wahlarzt-Besuch einfordern können, doch nur 15 Prozent konnten im Rahmen der OGM-Umfrage auch die korrekte Höhe dafür beziffern. Auch die Tendenz zum Einreichen der Rechnungen steigt leicht an, doch verzichten 15 Prozent der Befragten darauf, weil entweder die Rückerstattungssumme zu gering oder der Aufwand zu groß ist (19 Prozent). Als Gründe für den Besuch eines Wahlarztes werden geringere Wartezeiten (60 Prozent) und bessere Qualität (42 Prozent) genannt – diese vor allem dadurch, dass sich der Arzt mehr Zeit nimmt (35 Prozent).

Zu den Beweggründen der Österreicher, einen Wahlarzt aufzusuchen, erklärte Josef Huber, Präsident der Ärztekammer für Kärnten: „Ein Internist mit Kassenvertrag hatte rein statistisch gesehen im Jahr 1990 13.000 Einwohner zu versorgen. 2010 waren es bereits 15.500. Da ist es vollkommen klar, dass die Wartezeiten auf einen Arzttermin länger und die Behandlungszeiten kürzer werden müssen.“ Daraus ergibt sich, dass Patienten bei Wahlärzten schneller zu Terminen kommen und sich die Ärzte mehr Zeit für ihre Patienten nehmen können. Beides sind auch die hauptsächlichen Gründe für die Patienten dafür, das Kassensystem zu umgehen.

Nach Ansicht von Huber ist das System der Honorarrückerstattung „grotesk“. Und weiter: „Durch die Limitierungen bei den Kassenärzten sinkt auch der Rückverrechnungsanteil für den Wahlarztpatienten.“ Wahlärzte hätten schon einen hohen Stellenwert im System, obwohl der Aufwand der Kassen mit etwa sechs Millionen Euro im Vergleich zu 85 Millionen Euro für Kassenärzte für die GKK Kärnten eher gering ist. „Das sollte auch von der Kasse durch eine stärkere Unterstützung wie etwa beim Ordinationsbedarf anerkannt werden.“

Für Christoph Reisner, Präsident der Ärztekammer Niederösterreich, zugleich Wahlarzt-Referent der Ärztekammer für Wien und der Ärztekammer für Niederösterreich, ist aufgrund der aktuellen Umfrage klar: „Das öffentliche Gesundheitswesen, das im wohnortnahen Bereich durch niedergelassene Ärzte repräsentiert wird, kann mittlerweile ohne die ergänzende Funktion der Wahlärzte nicht aufrecht erhalten werden.“ Vergleicht man die Ärztedaten aus den Jahren 1990, 2000 und 2010, ist folgende Entwicklung deutlich erkennbar: Die gesamte Ärztezahl in Österreich hat sich in den letzten 20 Jahren um 75 Prozent auf rund 40.000 vergrößert. Die Zahl der Kassenärzte ist mit rund 7.650 jedoch nahezu konstant geblieben. Im Spital wurde das Personal um etwa 60 Prozent aufgestockt. „Die Wahlärzteschaft hat sich dahingegen im Vergleichszeitraum auf fast das Sechsfache vergrößert“, betont Reisner.

Zwar wäre eine 100-prozentige Rückerstattung aus Sicht der Wahlärzte wünschenswert, wie der Präsident der Ärztekammer für Wien, Univ. Prof. Thomas Szekeres, erklärte. Allerdings sei diese Frage „höchstgerichtlich ausjudiziert“. Im Zusammenhang mit der geplanten Gesundheitsreform meinte Szekeres: „Die Gesundheitsausgaben haben eine große Bedeutung für die Wirtschaft. Jeder ausgegebene Euro trägt überdurchschnittlich zum Wirtschaftswachstum bei. Hier den Sparstift anzusetzen, ist eine politische Entscheidung, die einen Rückschritt bedeutet und damit abzulehnen ist.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 20 / 25.10.2012