Interview – Dr. Karlheinz Kornhäusl: „Will Diskussionsprozess starten“

15.07.2012 | Politik

Jammern allein genügt nicht – davon ist der Grazer Karlheinz Kornhäusl, der seit Ende Juni 2012 Bundessektions-Obmann der Sektion Turnusärzte in der ÖÄK ist, überzeugt. Er lädt alle Kollegen in Ausbildung ein, in einen Diskussionsprozess einzutreten und aktiv mitzugestalten, wie er im Gespräch mit Ruth Mayrhofer erklärt.

ÖÄZ: Warum engagieren Sie sich für die Anliegen der Turnusärzte auf standespolitischer Ebene?
Kornhäusl: Ich habe mich bereits in der Schüler- sowie in der Studienvertretung engagiert und war schon immer an Systemfragen und Standesvertretung interessiert. Wenn heute in einem Bundesland mehrere Kollegen kollektiv kündigen, junge Ärzte die Flucht in andere Länder antreten, dann müssen sich die Verantwortlichen fragen, woran das liegt und wie man das ändern kann. Alle wissen, dass wir sehenden Auges zumindest auf einen selektiven Ärztemangel zusteuern und niemand tut etwas dagegen. Da ist es als Standesvertretung doch unsere Pflicht, die Stimme zu erheben, wenn es zum Beispiel darum geht, massive Verschlechterungen des Turnusärztestandes zu verhindern – siehe 15. Ärztegesetznovelle. Andererseits sehe ich es aber auch als unsere Pflicht, nicht nur gegen etwas zu sein, sondern auch konkret Konzepte zu erarbeiten und zu verhandeln, wie man die Zukunft gemeinsam besser gestaltet.

Wie haben Sie Ihren eigenen Turnus erlebt?
Mit viel Sonnenschein, aber auch mit vielen Schattenseiten. Ich hatte zwar das Glück, großteils an Abteilungen tätig zu sein, wo einem etwas beigebracht wurde und man seine Verantwortungsbereiche hatte. Aber die ausufernde Bürokratie sowie die Durchführung ‚nichtärztlicher‘ Tätigkeiten sind natürlich Dinge, welche die Motivation nicht unbedingt heben.“

Was hat sich seither verändert?
Natürlich kann ich persönlich nur für die letzten dreieinhalb Jahre sprechen, in denen ich bis jetzt beruflich tätig war. Aber sogar in dieser kurzen Zeit sind mir bereits negative Veränderungen aufgefallen. Ein Beispiel: Die Patientenzahlen in den Ambulanzen explodieren von Jahr zu Jahr, gleichzeitig wirkt sich diese Tatsache aber nicht auf eine Ausweitung der Stellenpläne aus. Burnout ist auch unter jungen Ärzten keine Seltenheit mehr. Immer öfter melden sich verzweifelte Kollegen, weil sie das Gefühl haben, als ‚moderne Arbeitssklaven‘ – ich würde eher sagen: Systemerhalter – gehalten zu werden. Aber ist das bei einer Wochenarbeitszeit von 70 Stunden und mehr verwunderlich? Oder wenn man die Hälfte des Arbeitstages vor dem Computer verbringen muss? Diesem Trend müssen wir massiv entgegensteuern.

Rezente Umfragen zeigen die große Unzufriedenheit der Turnusärzte deutlich auf. Welche Strategien und Reformen sind Ihrer Meinung nach
gesundheitspolitisch notwendig, um die Anliegen der Turnusärzte – und damit auch die Ausbildung – nachhaltig optimaler zu gestalten?

Es ist nicht nur die Ärzteschaft gefordert. Wenn die Politik die hohe Qualität der Versorgung aufrecht erhalten will, dann ist eine Attraktivierung des Arztberufes zwingend notwendig, um nicht deutsche Verhältnisse zu bekommen. Oberste Priorität hat für mich dabei die Verankerung des Turnusärzte-Tätigkeitsprofils im Gesetz sowie ein Heimgehen nach dem Dienst nach 25 Stunden. Auch müssen Arztberuf und Familie leichter vereinbar werden. Wir brauchen daher flexiblere Arbeitszeit- und Teilzeitmodelle sowie mehr Kinderbetreuungsmöglichkeiten in den Spitälern. Ein weiterer Punkt ist die Lehrpraxis, die endlich ausfinanziert werden muss. Eine Idee wäre auch die Schaffung eines Ausbildungs-Oberarztes in Verbindung mit der Verbesserung der Bedingungen der Generation 50plusÄrzte. Im Sinne eines ‚Senior-Doctorship-Modells‘ könnte dieser Kollege zum Beispiel weniger Dienste machen, wobei die damit verbundenen finanziellen Einbußen über Zulagen für seine Ausbildungstätigkeit abgefedert werden müssten. Auch eine Belebung der Supervision soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben.

Wie könnten Turnusärzte selbst zur Verbesserung der Situation beitragen?
Ich rate jedem Kollegen, auf die jeweilig erlebten Missstände aufmerksam zu machen und diese seinem Turnusärztevertreter im Spital und in der jeweiligen Landesärztekammer zu melden. Mir ist bewusst, dass viele von uns das Gefühl haben, dass sich dadurch nichts ändert. Was mich betrifft, so bin ich sicher niemand, der Dinge nur schlecht redet! Natürlich mahlen die Mühlen hierzulande langsam, aber sie mahlen. Und ich möchte lobend anerkennen, dass es in der Zwischenzeit auch Häuser gibt, die von sich aus bemüht sind, die Arbeits- und Ausbildungsbedingungen für uns junge Kollegen zu verbessern. Ich möchte alle Kollegen in Ausbildung zum Allgemeinmediziner einladen, an der laufenden österreichweiten Turnusevaluierung teilzunehmen und auch so einen Beitrag zur Verbesserung der Ausbildungssituation zu leisten.

Wären aus Ihrer Sicht dazu auch Veränderungen im Medizinstudium vonnöten?
Ja! Ein Ziel des neuen Studienplans war ja unter anderem eine praxisorientiertere Lehre. Ich selbst kenne nur den ‚alten Plan‘, weiß aber aus Diskussionen mit jüngeren Kollegen und Professoren, dass das ‚neue System‘ dem bereits genannten Anspruch nicht gerecht wird. Hier sollte man die Zusammenarbeit mit den Verantwortungsträgern unserer Medizinischen Universitäten und der Hochschülerschaft suchen, um gemeinsam Konzepte zu erarbeiten. Vordergründig notwendig ist die Harmonisierung der einzelnen Studienpläne, um ein einheitliches Qualitätsbenchmark zu ermöglichen, aber auch um die Migration innerhalb der österreichischen Medizinunis zu erleichtern.

Welche Prioritäten werden Sie persönlich auf standespolitischer Ebene setzen, um die Qualität der Turnusausbildung im Interesse aller Beteiligten – auch der Patienten – zu optimieren?
Es gibt ja schon viele Vorarbeiten. Ich denke an die konkreten Ergebnisse des Turnusärztegipfels der ÖÄK 2006 oder die Enquete „Spital der Zukunft“ in der Steiermark. Man muss das Rad also nicht immer neu erfinden. Ich will gemeinsam mit meinen Kollegen aus den Bundesländern einen Maßnahmenkatalog basierend auf den bereits erwähnten Ergebnissen erarbeiten und präsentieren, damit wir gemeinsam mit der Unterstützung unserer Facharztkollegen in die Umsetzung gehen können. Ich lade daher alle Kollegen in Ausbildung ein, mit uns in einen aktiven Diskussionsprozess zu treten und sich über die eigens eingerichtete E-Mail-Adresse turnus@aerztekammer.at zu melden.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 13-14 / 15.07.2012