Hausarztmodell: Nachgefragt

25.05.2012 | Politik

Zahlreiche Vertreter der österreichischen Politik haben in den vergangenen Wochen das von der Bundeskurie niedergelassene Ärzte veröffentlichte Buch „Arzt der Zukunft – Zukunft des Arztes“ erhalten. Die ÖÄZ hat nachgefragt, was die Spitzenpolitiker konkret unternehmen werden, um die Position des Hausarztes nachhaltig zu stärken.
Von Marion Huber

Die Ordinationen von Allgemeinmedizinern am Land können nur noch schwer oder gar nicht nachbesetzt werden; das Interesse von angehenden Jungmedizinern, Allgemeinmediziner zu werden, ist so gut wie nicht existent. Gleichzeitig werden die Spitalsambulanzen von Patienten überrannt, sind überlastet. Die Kosten steigen ins Uferlose – ganz entgegen den Bestrebungen der Gesundheitsreform. Was braucht es also, um die medizinische Versorgung der Bevölkerung im niedergelassenen Bereich auch künftig zu sichern?

Mit dem Buch „Arzt der Zukunft – Zukunft des Arztes“ hat sich die Bundeskurie
Niedergelassene Ärzte der ÖÄK dieser Fragestellung gewidmet und das Buch an Spitzenrepräsentanten der heimischen Politik übermittelt. Schließlich wird seit Jahren in diversen Regierungsprogrammen die Aufwertung der niedergelassenen Ärzte propagiert, geschehen ist bis dato allerdings nicht viel. Die ÖÄZ hat daher nachgefragt: Wie beurteilen Sie das Hausarztmodell der Österreichischen Ärztekammer? Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, damit die Position des Hausarztes in Österreich gestärkt und das Hausarztmodell Realität wird?

Von Gesundheitsminister Alois Stöger – er wurde von Bundeskanzler Faymann mit unserer Anfrage befasst – haben wir dazu folgendes Statement erhalten: „Die von mir ermöglichten Gruppenpraxen werden die Rolle der Hausärztinnen und Hausärzte als zentrale Anlaufstelle für die Menschen in Österreich stärken. Durch die leichtere Erreichbarkeit wird der Hausarzt, was mir sehr wichtig ist, in seiner Rolle gestärkt.“ Klar sei für ihn, Stöger, aber auch, dass er an der freien Arztwahl, die sich in Österreich bewährt habe, „nicht rütteln“ möchte. Michael Spindelegger, Vizekanzler und Außenminister, wollte in erster Linie festhalten, dass „es die ÖVP war, die im aktuellen Regierungsprogramm den Vorschlag der Erarbeitung eines Hausarztmodells erfolgreich eingebracht hat“. Und weiter: „Deshalb begrüße ich auch ein Hausarztmodell, das dem Hausarzt eine neue und größere Rolle zuteilwerden lässt – nämlich jene als Arzt des Vertrauens, der als Koordinator im Gesundheitssystem fungiert und die Patientinnen und Patienten lebenslang betreut.“ Die Hausärzte sollten als „Lotsen“ im Gesundheitssystem fungieren und damit die oft überlaufenen Spitalsambulanzen und somit auch das Gesundheitssystem entlasten.

Für Heinz-Christian Strache, Bundesparteiobmann der FPÖ, haben im Hausarztmodell der ÖÄK viele Punkte Niederschlag gefunden, die seit Jahren von der FPÖ gefordert würden. Als besonders wichtige Themen seien die Lehrpraxen und die Ärzte-GmbHs zu nennen. „Auch wir sind der Meinung, dass die Ausbildung in Lehrpraxen ein unersetzbarer Bestandteil der Ärzteausbildung ist und genügend Mittel des Bundes dafür bereitgestellt werden müssten“, betonte er. Außerdem würde – so Strache – die Möglichkeit zur Bildung von echten Ärzte-GmbHs enorme Einsparungen im Gesundheitsbereich bringen. Derzeit werde das Modell der GmbHs schlecht angenommen, weil es „zu kompliziert und halbherzig“ sei. „Die Ärzte-GmbH muss ihrem Namen gerecht werden“, so seine Forderung.

Die Bedeutung von Lehrpraxen und flexiblen Formen der Zusammenarbeit sieht auch Eva Glawischnig, Bundessprecherin und Klubobfrau der Grünen: „Wir fordern neue Ausbildungskonzepte in der Allgemeinmedizin mit einem breiteren Fächerkanon und die Umsetzung des Modells von ausreichenden Angeboten an Lehrpraxen.“ Eine Flexibilisierung von Ordinationsmodellen mitüberlappenden Öffnungszeiten sei für die Grünen ein weiterer Punkt. Glawischnig dazu: „Hier liefert das Hausarztmodell wichtige Beiträge.“

Auch das BZÖ weise, so deren Klubobmann Josef Bucher, seit Jahren auf die Problematik hin, dass das österreichische Gesundheitssystem in der bestehenden Form unfinanzierbar werde, wenn nicht im Rahmen einer Verwaltungs- und Organisationsreform von Seiten der Politik massiv gegengesteuert werde. Dazu gehöre – als übergeordnete Maßnahme – die Zusammenlegung der 22 Sozialversicherungsträger, insbesondere der Krankenkassen, mit bundesweit einheitlichen Leistungskatalogen mit einheitlicher Leistungsbeschreibung und einer bundesweiten Honorarordnung. „Das ist die Maßnahme, die wir vom BZÖ prioritär umgesetzt haben wollen“, erklärte Bucher. Dicht gefolgt von der zentralen Maßnahme direkt für die Patienten, nämlich der Stärkung des niedergelassenen Bereichs mit freier Arztwahl. „Den Maßnahmen, welche die Österreichische Ärztekammer in ihrem Modell vorschlägt, können wir vom BZÖ daher nur zustimmen“, betonte der Klubobmann.

Bei den konkreten Maßnahmen zur Aufwertung des Hausarztes sind die Antworten der Politiker unterschiedlich detailliert. Vizekanzler Spindelegger betont, dass man dafür Sorge tragen müsse, dass es zu keinem Hausärztemangel komme und der Beruf des Hausarztes nicht verloren gehe: „Im Gegenteil, wir benötigen meines Erachtens eine Stärkung der Primärversorgung und damit einhergehend eine Aufwertung der Hausärztinnen und Hausärzte, da ohne diese eine Kontinuität in der Langzeitversorgung nicht möglich ist.“ Dies bedeute aber auch, neue Wege in der Ausbildung der Turnusärzte einzuschlagen und beispielsweise zu überlegen, einen stärkeren Fokus auf die Lehrpraxis zu legen.

Die FPÖ ihrerseits werde chefärztlichen Repressalien, Leistungsdeckelungen, unsozialen Selbstbehalten aber auch einer ausufernden Bürokratie in der Arztpraxis „mit allen Mitteln“ (Strache) entgegentreten. Organisatorisch habe die FPÖ bereits ganz konkrete Schritte gesetzt, indem mit Andreas Karlsböck, selbst langjähriger Funktionär der Ärztekammer für Wien, ein eigener Ärztesprecher bestellt wurde. „Um eine Verbesserung für Patienten und Hausärzte herbeizuführen, wurden von uns zahlreiche Anträge eingebracht, die aber stets von SPÖ und ÖVP abgelehnt wurden“, so Strache. Dennoch werde man dort, wo Gemeinsamkeiten bestehen, die Umsetzung des Hausarztmodells auch weiterhin unterstützen – sowohl durch Anträge im Ausschuss als auch durch parlamentarische Anfragen. Strache abschließend: „Wenn die Regierungsparteien und insbesondere Gesundheitsminister Stöger die wirklichen Probleme erkennen würden, könnten wir endlich die von uns geforderten Maßnahmen umsetzen und damit auch die Position der Hausärzte in Österreich stärken.“

Für Glawischnig ist die Stärkung des niedergelassenen Versorgungsbereiches, insbesondere der Hausärzte und Hausärztinnen, ein wichtiger Baustein der Gesundheitsreform. „Das Hausarztmodell der ÖÄK setzt hier wichtige und innovative Signale. Uns Grünen ist dabei die Glaubwürdigkeit der Umsetzung und die Sicherheit der Finanzierung wichtig“, so ihr Resümee. Auch Bucher sichert dem Hausarztmodell seine Unterstützung zu: „Wir werden das Anliegen auch bei der Beschlussfassung in unterschiedlichen Gesetzesmaterien – Gesundheit, Finanzen, Universitäten – im Parlament entsprechend im Auge behalten und unterstützen.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 10 / 25.05.2012