Mit der kommenden Gesundheitsreform ist in Österreich erstmals ein zentral gesteuertes Gesundheitswesen geplant. Dieser Reform, die als Ziel lediglich die Deckelung der Ausgaben definiert und nur dem Diktat des Sparens unterworfen ist, erteilt die ÖÄK eine klare Absage. Von Agnes M. Mühlgassner
Man müsste die Augen vor der Realität verschließen, wenn man glaubt, dass elf Milliarden Euro ohne Konsequenzen für die Patienten eingespart werden könnten – diese nüchterne Analyse zog ÖÄK-Präsident Artur Wechselberger beim letzten Vorstand der ÖÄK Mitte Oktober angesichts der vorliegenden Pläne zur Gesundheitsreform.
Aufgrund des EU-Stabilitätspakts, den der Nationalrat im März 2012 beschlossen hat, muss Österreich ab 2017 einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen. Für den Gesundheitsbereich ist eine Bindung der öffentlichen Gesundheitsausgaben an das BIP (Bruttoinlandsprodukt) vorgesehen und die Steigerung in diesem Bereich darf nicht mehr als 3,6 Prozent betragen. Das bedeutet konkret, dass bis 2016 rund 3,4 Milliarden Euro und bis 2010 elf Milliarden Euro eingespart werden sollen. Wechselberger dazu: „Das hat tiefgreifende Veränderungen in der Versorgungsstruktur zur Folge und es bedeutet eine Reduktion der Versorgungsleistungen für die Bevölkerung.“ Denn elf Milliarden Euro spare man nicht einfach so ein, ohne es zu spüren und ohne dass Leistungen vorenthalten werden.
Mit gravierenden Auswirkungen ist auch auf die ärztliche Standesvertretung selbst zu rechnen: So droht die Aushebelung der Gesamtvertragskompetenz der Ärztekammer; ebenso soll es künftig kein Mitspracherecht beim Stellenplan mehr geben und die Honorarautonomie soll fallen. Die Qualitätssicherung soll weg von der ÖQMed (Österreichische Gesellschaft für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der Medizin) zu einem neu zu schaffenden zentralen Institut verlagert werden. Durch die neuen alternativen Versorgungsmodelle – sie werden Polykliniken genannt und erinnern von ihrer Struktur her stark an die schon einmal in Österreich angedachten Medizinischen Versorgungszentren (MVZs). Artur Wechselberger stellte klar: „Wir wehren uns gegen die Zentralisierung der Steuerung im Gesundheitssystem und fordern eine maßgebliche Einbindung in den Diskussionsprozess über die Gesundheitsreform.“ Der Vorstand der ÖÄK hat die vorliegenden Pläne zur geplanten Gesundheitsreform einstimmig abgelehnt.
Der Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in der ÖÄK, Johannes Steinhart, sieht in dieser Gesundheitsreform „in Wirklichkeit das Herunterfahren der Leistung für die Bevölkerung.“ Die Standesvertretung bekenne sich jedoch zu einem Gesundheitssystem, in dem jeder unabhängig vom Alter und vom Einkommen die medizinische Behandlung bekommt, die er benötigt. „Und die Verantwortung liegt bei der Politik, dass dies auch angeboten und entsprechend honoriert wird“, betont Steinhart. In Wirklichkeit werde versucht, damit die freie Arztwahl „zu begraben“.
Was die absehbare Mehrbelastung der Spitalsärztinnen und Spitalsärzte anlangt, vertritt der Kurienobmann der angestellten Ärzte in der ÖÄK, Harald Mayer, eine klare Position: „Es kann nicht sein, dass in Zukunft jegliche Form der ambulanten Medizin in den Spitalsambulanzen stattfindet. Die Behandlung in den Ambulanzen muss auf ein gesetzliches Mindestmaß reduziert werden.“
Indessen streiten sich diejenigen, die die Gesundheitsreform schon gerne umgesetzt hätten, neuerlich. Denn Bund und Länder haben vereinbart, dass bei den Einsparungen von 3,4 Milliarden die Aufteilung im Verhältnis 60:40 erfolgen soll. Doch die Länder verlangen nun zusätzlich 230 Millionen Euro von der Sozialversicherung. „Das werden wir nicht tun und das können wir auch nicht tun“, erklärte dazu der Verbandsvorsitzende im Hauptverband, Hansjörg Schelling. Er verwies darauf, dass die Sozialversicherungen zwischen 2010 und 2016 inclusive Sanierung der Krankenkassen knapp vier Milliarden Euro aufbringen; die Länder zwischen 2013 und 2016 jedoch nur zwei Milliarden Euro. Schelling drängt auf eine rasche Einigung über die Gesundheitsreform: Um noch heuer einen Beschluss im Nationalrat und in den Landtagen zu erzielen, müsste die 15a-Vereinbarung bis Ende Oktober stehen …
1) Betreffend die Selbstverwaltung der Angehörigen eines freien Berufs:
2) Entlastung der Spitalsambulanzen durch Reduktion auf ihr gesetzliches Aufgabengebiet und Verlagerung in den niedergelassenen Bereich. 3) Zur Deckelung der öffentlichen Gesundheitsausgaben (Finanzziele):
4) Maßgebliche Einbindung der Österreichischen Ärztekammer:
5) Keine Zentralisierung der Steuerung im österreichischen Gesundheitswesen. |
Auswirkungen der Reform auf den niedergelassenen Bereich
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Auswirkungen der Reform auf den Spitalsbereich
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© Österreichische Ärztezeitung Nr. 20 /25.10.2012