Gesundheitsreform: Nicht ohne die Ärzte

25.06.2012 | Politik

Im Rahmen einer Pressekonferenz während der Vollversammlung in Bregenz präsentierte das neue ÖÄK-Präsidium seine Arbeitsschwerpunkte. Heftig kritisiert wurde dabei die neue Gesundheitsreform.
Von Agnes M. Mühlgassner

In seinem Grundsatz-Statement erklärte der neu gewählte ÖÄK-Präsident Artur
Wechselberger, sich „gegen jeden stellen zu wollen, der versucht, die Leistungserbringung der Ärzte zu verhindern oder einzustellen“. Angesprochen auf die kürzlich präsentierten Pläne zur Gesundheitsreform (siehe Kasten) meinte er: „Eine Gesundheitsreform ist ohne die, die im Gesundheitsbereich an erster Stelle stehen, nicht machbar.“

Der erste Vize-Präsident der ÖÄK, der Salzburger Ärztekammer-Präsident Karl Forstner erklärte, dass sich die Rahmenbedingungen für die Ärzte seit Jahren verschlechterten durch die überbordende Bürokratie und die Verrechtlichung der Medizin – „und zwar beschäftigen sie uns so, dass sie uns von unserem Einsatz für den Patienten ablenken.“ In seinen Augen symptomatisch für jenes „Gesundheitsreform genanntes Papier“, das man vorgelegt bekommen habe. Forstner weiter: „Es geht hier nicht um Verbesserungen für die Patienten. Es geht um die Beschränkung der Freiheit des Berufes. Es geht um den Rückbau der Sozialpartnerschaft und um die Reduktion der Mittel. So sei die Einsparung von rund 3,5 Milliarden Euro bis 2016 „viel Geld, das dem österreichischen Gesundheitssystem und damit dem Patienten entzogen wird“. Die Konsequenz: „Es geht in Richtung Ent-Solidarisierung. Es geht darum, dass man eine Leistung gar nicht mehr bekommt“, stellte Forstner unmissverständlich klar. Der Vorwurf an die Politik, dass sie nicht sagt, dass das auch mit Leistungskürzungen verbunden ist. Das ist der Skandal an dieser Gesundheitsreform.

Als „paradox“ bezeichnete es Forstner, dass man mit dem Rückbau der Sozialpartnerschaft kombiniert mit dirigistischen Maßnahmen sowie einer Reduktion der Mittel davon ausgeht, dass damit die Qualität besser würde. „Das kann mit Sicherheit nicht sein“, betonte er. „Solche Konzepte sind zurückzuweisen.“

Auch für den Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte und zweiten Vize-Präsidenten der ÖÄK, Harald Mayer, ist die Gesundheitsreform in erster Linie von Leistungs-Einsparungen getragen. Grundlegende Probleme wie etwa die Überlastung der Spitalsambulanzen würden dadurch nicht gelöst. Erklärtes Ziel ist es daher, den „ungefilterten Zugang zu Spitalsambulanzen zu bremsen“. Rasches Handeln sei auch erforderlich, um die Abwanderung von österreichischen Turnusärzten in das benachbarte Ausland zu stoppen. Hier gelte es, den Jungärztinnen und Jungärzten endlich attraktivere Arbeitsbedingungen in Österreich zu bieten. Und es gehe auch darum, Teilzeitarbeit in den Spitälern attraktiver zu machen – angesichts der Tatsache, dass in den Spitälern bei Frauenanteil bei den Ärzten bereits bei 60 Prozent liegt. Hier seien die Dienstgeber aufgefordert, Arbeitszeitmodelle zu entwickeln, dass auch Frauen in Teilzeit arbeiten und ausgebildet werden können.

Auch der dritte ÖÄK-Vizepräsident und Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte, Johannes Steinhart, kann der Gesundheitsreform nichts Positives abgewinnen: „Das ist mit großer Vorsicht zu genießen, wenn die Gesundheitsausgaben fix an das BIP gekoppelt werden. Damit wird schlicht und einfach ignoriert, dass in wirtschaftlich schlechten Zeiten mehr Menschen krank sind.“ Was Steinhart besonders stört: Dass derzeit nur nach Ersparniskriterien geplant werde. Auf der anderen Seite würden durch ELGA und E-Medikation dem Gesundheitssystem Geldmittel in Milliardenhöhe entzogen – „nur um bürokratische Dinge am Laufen zu halten“, so der Kurienobmann. Seine größte Sorge: „Dass die Politik den Hausarzt zu Tode streichelt.“

Der neue ÖÄK-Finanzreferent Herwig Lindner sieht in der aktuellen Gesundheitsreform nichts Anderes als eine Spitalsreform: „Hier sollen Abteilungen und ganze Spitäler geschlossen werden, ohne dass der niedergelassene Bereich ausgebaut wird. Wenn man im niedergelassenen Bereich nicht Angebote schafft, dann geht das in Richtung Rationierung.“ Und eines stellt Lindner klar: „Wenn es zu Verschlechterungen kommt, dann werden wir entsprechende Informations-Maßnahmen starten.“ Sollte es auch zu gravierenden Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen für Ärzte kommen, schließt Lindner Kampfmaßnahmen nicht aus.

Details zur Gesundheitsreform neu

Im Frühjahr 2011 haben die Verhandlungen zur Gesundheitsreform begonnen. Nun wurde kürzlich die zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung erzielte Einigung präsentiert. Fazit: Obwohl künftig im Gesundheitsbereich gespart wird, soll die Qualität besser werden.

Die sechs Mitglieder der Steuerungsgruppe – Gesundheitsminister Alois Stöger, Finanzministerin Maria Fekter, der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer, die Wiener Gesundheits-Landesrätin Sonja Wehsely, der Verbandsvorsitzende im Hauptverband Hans Jörg Schelling sowie die Obfrau der Wiener GKK Ingrid Reischl – präsentierten gemeinsam die erzielte Einigung.

Zentraler Punkt dabei ist, dass die Planung und Steuerung von niedergelassenem und Spitals-Bereich künftig gemeinsam erfolgen soll; das Geld von Bund, Ländern und Sozialversicherung soll in einem „virtuellen Budget“ zusammenfließen. Alois Stöger zeigte sich davon überzeugt, „einen wichtigen Schritt im Gesundheitswesen zustande gebracht zu haben“. Des Weiteren sieht er darin „Maßnahmen, wie das Gesundheitssystem besser werden kann und wir es ausbauen können“.

Die Ziele werden dabei auf Bundesebene in Abstimmung mit Ländern und Sozialversicherung in einem mehrjährigen Vertrag, der auch Ausgabenobergrenzen enthält, festgelegt. Bei den Qualitäts-Parametern und den Finanz-Kennzahlen ist ein Bundes-einheitliches Monitoring vorgesehen. Die operative Umsetzung auf Landesebene wird in Verträgen zwischen Sozialversicherung und Ländern fixiert.

Pühringer, der zusammen mit Sonja Wehsely die Interessen der Länder in der Steuerungsgruppe vertreten hat, betonte, dass damit das Ende des Verschiebens von Patienten zwischen niedergelassenem und Spitals-Bereich gekommen sei. „Was die Medizin kann, muss sie auch tun dürfen – im Sinn der Finanzierbarkeit“, so Pühringer.

Künftig dürfen die Kosten im Gesundheitswesen nicht stärker steigen als das durchschnittliche Wirtschaftswachstum von 3,6 Prozent. So will man bis zum Jahr 2016 auf eine kumulierte Kostendämpfung von 3,43 Milliarden Euro kommen. Dazu Finanzministerin Maria Fekter: „Würden wir nichts unternehmen, würden die Gesundheitskosten explosionsartig steigen, weil es im System Doppelgleisigkeiten und Ineffizienzen gibt.“ Es gehe nicht nur darum, das Gesundheitswesen abzusichern, sondern auch darum, die Finanzen langfristig sicherzustellen. „Wenn Zielvereinbarungen nicht eingehalten werden, dann gibt es Sanktionen. Dann können auch die Finanzziele nicht eingehalten werden und es kann auch der Stabilitätspakt nicht eingehalten werden“, skizzierte Fekter die Zusammenhänge. Wird festgestellt, dass Zielvereinbarungen nicht eingehalten werden, soll es im ersten Jahr eine Mahnung/Rüge geben und in weiterer Folge Sanktionen.

Allerdings müssen die Inhalte dieser Gesundheitsreform erst in einer §15a-Vereinbarung umgesetzt werden; die erforderlichen Beschlüsse sollen im Herbst erfolgen. Anfang 2013 soll die geplante Gesundheitsreform in Kraft treten.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 12 / 25.06.2012