Einsparungen im Gesundheitswesen: „Mittendrin im Rationieren“

10.03.2012 | Politik

Eine finanzpolitische Machtdemonstration sieht ÖÄK-Präsident Walter Dorner in den als Gesundheitsreform präsentierten Vorhaben. In Wirklichkeit handle es sich dabei um die Reduzierung von Leistungen, erklärte er kürzlich bei einem Hintergrundgespräch.
Von Marion Huber

Im Rahmen des Sparkpakets sollen bekanntlich einige Milliarden Euro im Gesundheitswesen eingespart werden. Aber wird die Gesundheitsreform das System reformieren oder viel eher rationieren? „Ich sehe keine Reformgedanken im Sparpaket. Es geht nur um den Kampf um Macht und Geld. So wird eine finanzpolitische Machtdemonstration als Reform tituliert“, zeigte sich ÖÄK-Präsident Walter Dorner kürzlich bei einem Hintergrundgespräch überzeugt. „Mir fehlen Kongruenz und Sinnhaftigkeit in dieser Sache. Und mir fehlen die Inhalte bei den angestrebten Sparzielen“, so sein Fazit. Bisher sei wenig bis nichts darüber gesagt worden, mit welchen Maßnahmen die Sparziele erreicht werden sollen und wie sie sich auf die Patienten auswirken werden. In Wirklichkeit sei man damit schon „mittendrin in Rationierungen und der Reduzierung von Leistungen“, so Dorner weiter.

Im Kern der Reform stünden – ähnlich wie bei der im Jahr 2008 geplanten Kassenreform – Pläne zur Zentralisierung des Gesundheitswesens. „Es besteht die Gefahr einer föderalisierten Staatsmedizin“, warnte der ÖÄK-Präsident.. Denn bei den Verhandlungen der Steuerungsgruppe zur Gesundheitsreform – die ohne Beteiligung der Ärztevertreter stattfinden – spiele sich sehr viel hinter den Kulissen ab. Ginge es nach der Steuerungsgruppe und deren Plänen für die Modellregion Vorarlberg, würde das ASVG ausgehebelt und der Gesamtvertrag gekippt werden. „Durch den Strukturplan Gesundheit wäre alle Macht bei den Ländern, die den Bund dann noch mehr vor sich hertreiben würden. Ich muss das aufs Schärfste kritisieren“, betonte Dorner.

Nicht nur in Sachen Staatsmedizin stehe man dort, wo man schon im Jahr 2008 einmal gestanden sei – auch die Forderungen der ÖÄK seien die gleichen geblieben. „Wenn eine Reform sinnvoll sein soll, dann muss der Prozess ausgehend von den Leistungserbringern und nicht wie bisher von oben nach unten verordnet werden. Man muss jene Akteure miteinbeziehen, die wissen, was los ist“, plädierte Dorner. Darüber hinaus forderte er – einmal mehr – die Finanzierung des Gesundheitswesens aus zwei Töpfen: „Wenn man alles Wasser in einen Topf gibt, wird alles auf einmal schal. Das Geld muss also aus zwei klar definierten Quellen kommen.“ Der niedergelassene Bereich solle sich aus den Geldern finanzieren, welche die soziale Krankenversicherung einnimmt, der Spitalsbereich wiederum aus Steuermitteln. Damit wäre eine transparente und überschaubare Finanzierung beider Bereiche gewährleistet.

„Was außerdem fehlt, ist eine vernünftige Bildungspolitik im Gesundheitswesen. Bei uns werden die Prioritäten einfach falsch gesetzt. Man muss die Reform an den Wurzeln beginnen, nicht nur an der Oberfläche feilen“, betonte der höchste Ärztevertreter. So sei speziell die Ausbildung ein wichtiger Wirtschaftsfaktor – und gut ausgebildete Ärzte ein wesentlicher Spareffekt. Diesem Aspekt würde die Politik jedoch nicht die nötige Zuwendung geben. Bei der von der ÖÄK schon lange geforderten verpflichtenden Lehrpraxis oder der Reform der Ausbildung zum Allgemeinmediziner scheitere es an Macht und Geld. Als einen der „großen Unruheherde“ sieht Dorner außerdem das Turnusärzte-Tätigkeitsprofil, das im Gesetz verankert werden muss. Wenn diese „Basics“ erfüllt werden, könnte man den Bedarf an Medizinern auch künftig decken.

Was die professionelle Gesundheitsbegleitung der Menschen anbelangt, ist dem ÖÄK-Präsidenten das Hausarzt-Modell ein besonderes Anliegen: „Eine gut ausgebaute Primärversorgung durch Hausärzte wirkt sich positiv auf den Gesundheitszustand der Bevölkerung aus. So könnte man schätzungsweise 300 bis 400 Millionen Euro pro Jahr einsparen.“ Außerdem müsse man sich wieder auf die sozialen Wurzeln des österreichischen Gesundheitssystems besinnen und auf Humanisierung anstatt auf Ökonomie und Macht setzen. Dorner dazu abschließend: „Ich werde auch nach meiner Präsidentschaft nicht aufhören, zu predigen, dass man die Humanisierung pflegen muss. Das fordere ich auch von der Politik.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 5 / 10.03.2012