Arbeitszufriedenheit von angestellten Fachärzten: Zunehmend schlechter

15.08.2012 | Politik

Besonders angestellte Fachärzte stehen unter hohem Druck: 40 Prozent haben das Gefühl, dass der Beruf der Gesundheit schadet, wie eine aktuelle Studie aus Oberösterreich zeigt.

Die Arbeitszufriedenheit von angestellten Fachärzten in den oberösterreichischen Spitälern hat in den letzten drei bis fünf Jahren deutlich abgenommen. Das zeigt eine an der Wirtschaftsuniversität Wien durchgeführte Studie mit dem Titel „Die Arbeitszufriedenheit in oberösterreichischen Spitälern“. Im Mittelpunkt des Interesses stand dabei vor allem die Frage, wie und wodurch sich die Arbeitssituation verändert hat und welchen Einfluss dies auf die Zufriedenheit der Ärzte hat.

Um diese Frage zu klären, wurden mit Hilfe eines per Post versandten Fragebogens angestellte Fachärzte aus den Bereichen Chirurgie, Orthopädie, Gynäkologie, Anästhesie und Pädiatrie der oberösterreichischen Spitalsträger – Gesundheits- und Spitals-AG des Landes GESPAG, AKH Linz, UKH Linz sowie sämtliche Ordensspitäler in Oberösterreich – im Jahr 2011 befragt; die Rücklaufquote betrug 43 Prozent. Studienautorin Notburga Krahwinkler, selbst Oberärztin an der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Linz, ging es darum, den „Ist-Zustand“ zu skizzieren. Bislang hätten sich immer viele Ärzte um Stellen in Spitälern beworben. „Aber das hat sich in den letzten Jahren aufgrund von zunehmend schlechteren Rahmenbedingungen und Änderungen im Ausbildungsmodus geändert. Die Spitalsträger werden nicht umhin kommen, sich zu fragen, was sie als Arbeitgeber attraktiv macht. Es wird ein Rennen um die Besten werden“, so Krahwinkler.

Die demographischen Veränderungen in der Bevölkerung führen laut der Studie zu einem gesteigerten Versorgungsaufwand. Einerseits nimmt die Bevölkerung zwar zahlenmäßig ab, aber andererseits steigt die Zahl der älteren und pflegebedürftigen Personen. Daraus resultieren ein erhöhter Bedarf an medizinischer und pflegerischer Betreuung sowie eine erhöhte Arbeitsbelastung für Ärzte. „97 Prozent der befragten Ärzte geben den steigenden Dokumentations- und Administrationsaufwand als starke Belastung an“, erläutert Krahwinkler. Dadurch habe sich das Tätigkeitsfeld von angestellten Fachärzten insgesamt verändert; aufgrund der zahlreichen Schreibarbeiten bleibe viel weniger Zeit für den Patienten. „Das ist nicht das, was einen Arzt mit Zufriedenheit erfüllt“, betont die Studienautorin.

Hinzu kommt ein gesteigertes Patientenaufkommen in den Spitalsambulanzen. Der Untersuchung zufolge ist die „Hemmschwelle“, eine Ambulanz aufzusuchen, ohne davor einen niedergelassenen Arzt besucht zu haben, in den letzten Jahren stark gesunken. Dafür verantwortlich gemacht werden lange Wartezeiten bei niedergelassenen Vertragsärzten sowie der niederschwellige, rund um die Uhr mögliche Zugang zu den Ambulanzen.

Bei der Frage, ob die Patienten vermehrt wegen geringfügigen Beschwerden eine Spitalsambulanz aufsuchen, wurde von einer überwiegenden Mehrheit mit ‚Ja‘ geantwortet. „Mehr als 60 Prozent sind überdies der Meinung, dass die Patienten anspruchsvoller geworden sind“, erläutert Krahwinkler. Die Patienten von heute seien zunehmend selbstbewusster und auch fordernder; außerdem seien sie vielfach schon durch das Internet vorinformiert. Für Ärzte wiederum ist es aufgrund des hohen Dokumentationsaufwandes und der daraus resultierenden knappen Zeitressourcen schwierig, diesen gesteigerten Patientenforderungen nachzukommen. Krahwinkler dazu: „Die Ärzte werden vom System durch Zeit und Möglichkeiten beschnitten und bleiben dabei auf der Strecke.“ Der hohe Druck, unter dem angestellte Fachärzte stehen, lässt sich auch in der Befragung erkennen: Mehr als ein Drittel fühlt sich deutlich mehr unter Stress als früher; mehr als 40 Prozent haben zunehmend das Gefühl, dass der Beruf der Gesundheit schadet.

Der Studienautorin zufolge ist aber auch eine Tendenz hin zum „passiven Patienten“ zu erkennen. Alltagsbelastungen und Zeitmangel lassen die Patienten zunehmend inaktiver werden, so dass sie sich in die Hände der Ärzte begeben, um sich „gesund machen zu lassen“, ohne selbst einen Beitrag dazu leisten zu müssen. Tritt die gewünschte Heilung nicht ein, wird die Schuld bei anderen gesucht. „Der Aussage, dass die Patienten klagfreudiger geworden sind, stimmt mehr als die Hälfte der Befragten zu“, weiß Krahwinkler. Auch die Hemmung, eine Schadensersatzforderung zu stellen, ist mittlerweile relativ gering. Wenig verwunderlich ist folglich, dass ein Großteil der befragten Fachärzte der Aussage, wonach die rechtliche Situation für Ärzte immer schwieriger wird, zustimmt.

Besonders unzufrieden: Gynäkologen

Signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern konnte Krahwinkler im Rahmen ihrer Studie nicht ausmachen. Auch Alter und Generationsunterschiede spielen keine große Rolle. Gravierende Unterschiede ließen sich allerdings anhand der Fachdisziplinen erkennen. Während die Orthopäden und die Kinderärzte in punkto Zufriedenheit am besten abschnitten, zeigte sich eine hohe Unzufriedenheit bei den Gynäkologen. „Ich erkläre mir das hauptsächlich durch die unregelmäßigen Arbeitszeiten in der Gynäkologie. Während Orthopäden kaum Akuteingriffe machen müssen, ist es in der Geburtshilfe und Frauenheilkunde an der Tagesordnung, Eingriffe wie etwa einen Notkaiserschnitt zu einem nicht geplanten Zeitpunkt durchführen zu müssen. Hier spielt die Arbeitsautonomie eine große Rolle“, so Krahwinkler.

Wie unzufrieden die befragten Ärzte mit ihrer Arbeitssituation sind, lässt sich auch an den Empfehlungen der Ärzte für die Berufswahl ihrer Kinder erkennen. Lediglich 30 Prozent würden ihren Kindern raten, Medizin zu studieren. „Das lässt sich als Anzeichen für große Unzufriedenheit werten, denn für sein Kind will man im Normalfall immer das Beste“, so Krahwinkler abschließend.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 15-16 / 15.08.2012