Steiermark: Alles ist anders

25.04.2012 | Politik


Bereits unmittelbar nach der Wahl hat man sich in der Steiermark auf eine Koalition zwischen der Interessensgemeinschaft Ärzte, der Aktion Freier Arzt sowie dem Verein für Wahl- und Spitalsärzte geeinigt. Bei der konstituierenden Vollversammlung am
26. April soll der Internist Herwig Lindner zum neuen Präsidenten gewählt werden.
Von Agnes M. Mühlgassner

Mit nun 15 Mandaten (plus zwei) ist der Verband aus IG AÄ (Interessensgemeinschaft angestellte Ärzte) und IG NÄ (Interessensgemeinschaft niedergelassene Ärzte) stimmenstärkste Fraktion in der Ärztekammer Steiermark. Der amtierende Ärztekammer-Präsident Wolfgang Routil konnte die bei der Wahl 2007 erzielten 13 Mandate nicht halten; seine Gruppierung „Die Vereinigung“ verlor drei Mandate bei den angestellten Ärzten und hält nun in der Vollversammlung bei zehn Sitzen. Die Aktion Freier Arzt – Liste Meister/Stryeck erlangte ebenso wie 2007 acht Mandate; der Verein für Wahlärzte und Spitalsärzte – Liste Millauer/Wehrschütz hält bei sieben andaten; die Liste Angestellte Ärzte in der Sozialversicherung verlor ein Mandat und erhält einen Sitz in der Vollversammlung.

In der Kurie der angestellten Ärzte hat die Interessensgemeinschaft angestellte Ärzte 14 Mandate, die Vereinigung und die Liste Meister/Stryeck je vier Mandate. Die Liste Millauer/Wehrschütz kommt auf fünf Mandate, die Liste der angestellten Ärzte in der Sozialversicherung auf ein Mandat. In der Kurie der niedergelassenen Ärzte hält die Vereinigung sechs Mandate, die Interessensgemeinschaft Ärzte ein Mandat, die Liste Meister/Stryeck vier Mandate und die Liste Millauer/Wehrschütz zwei Mandate.

In der Steiermark waren 5.629 Personen wahlberechtigt, 3.265 machten von ihrem Wahlrecht Gebrauch – das entspricht einer Beteiligung von 58 Prozent. Die Zahl der zu vergebenden Mandate betrug in der Steiermark 41. Davon entfallen auf die angestellten Ärztinnen und Ärzte 28 Mandate, auf die niedergelassenen 13 Mandate.

Künftige Koalition

Bereits unmittelbar nach der Wahl einigte man sich auf eine Koalition, die künftig 31 der insgesamt 41 zu vergebenden Mandate innehat. Zusammengeschlossen haben sich dabei Herwig Lindner von der IG AÄ sowie Christoph Schweighofer von der IG NÄ, Eiko Meister von der Aktion Freier Arzt (AFA), Martin Millauer vom Verein für Wahl und Spitalsärzte sowie die Liste Angestellte Ärzte in der Sozialversicherung.

Die Reaktion von Dietmar Bayer zum Wahlausgang: „Die steirischen Ärzte haben sich einen Kurswechsel gewünscht und diesen auch gewählt. Das ist ein toller Auftrag, den wir von den steirischen Ärztinnen und Ärzten bekommen haben und wir werden mit diesem Auftrag sorgsam, aber zielsicher umgehen.“ Seine künftige Aufgabe werde darin liegen, sich speziell um die strategische Kommunikation zu kümmern.

Das Amt des Präsidenten wird Herwig Lindner, der als Internist am LKH West Graz tätig ist, übernehmen. Er beurteilt die Zusammensetzung der neuen Koalition wie folgt: „In dieser Koalition sind alle großen Gruppen abgebildet, die Spitalsärzte, die niedergelassenen Kassenärzte, aber auch die Wahlärzte.“ Diese breite Basis sei vor allem angesichts der Herausforderungen, die in den nächsten Jahren auf die Ärzte zukommen, essentiell, da sei es „ganz, ganz wichtig, dass wir nach außen hin eine konsensuale Meinung gegenüber der Landespolitik vertreten, auch wenn es innerhalb der Ärzteschaft durchaus unterschiedliche Meinungen gibt“.

Seine Analyse der Wahl: „Die Politik, die bisher in der steirischen Ärztekammer betrieben worden ist, hat die Anliegen der Spitalsärzte sehr stark vernachlässigt.“ Im Wahlergebnis – die IG hält in der angestellten Kurie künftig 14 von 28 Mandaten – sieht er ein „eindeutiges Signal“ der Spitalsärzte, in Zukunft eine bessere Vertretung haben zu wollen und dies mit Recht einzufordern. Lindner ist davon überzeugt, dass es insgesamt einen Systemwechsel geben wird. Die Lippenbekenntnisse der Politik von der Stärkung des niedergelassenen Bereiches, den aber in den letzten 15, 20 Jahren keine Taten folgten, werde man nicht weiter tatenlos hinnehmen. Besonders angesichts der ständigen Diskussion darüber, die Spitäler herunterzufahren, Betten abzubauen und den Patientenstrom einzudämmen. Lindner: „Hier muss man investieren und den Bereich zwischen dem niedergelassenen Einzelkämpfer und dem Spital ausbauen.“ Dass es hier ohne Steuerungsmechanismen nicht gehen wird, steht für ihn außer Frage. „Sei es jetzt, dass es die Ambulanzgebühr ist oder ein Solidarbeitrag, wenn man direkt eine Spitalsambulanz aufsucht.“

Ein besonderes Anliegen sind dem Spitalsarzt Lindner naturgemäß die Anliegen seiner ärztlichen Kolleginnen und Kollegen in den Spitälern. Die Arbeitsbedingungen seien in den letzten Jahren deutlich schlechter geworden – was sich letztlich auf die Ärzte ausgewirkt habe. So habe die Burnout-Studie eine Rate von 50 Prozent an Betroffenen ergeben – mit welchen Folgen? „Bis jetzt eigentlich keine. Es hat sich niemand für die Spitalsärzte stark gemacht.“ Im Gegenteil: Durch Sparmaßnahmen im personellen Bereich komme es laufend zu einer weiteren Verdichtung der Arbeit. Um hier etwas zu ändern, benötige man jedoch „das Verständnis der Spitalsträger, auch das Verständnis der Politik“.

Gemäß dem Wahl-Slogan seiner Gruppierung – „Mehr Patient, mehr Arzt und weniger System“ – will Lindner seine Aktivitäten darauf fokussieren: „In Zukunft soll es in diese Richtung gehen.“ In der Vergangenheit hätten Ökonomen und Gesundheitsbürokraten vorgeschrieben, wie der Spitalsalltag zu gestalten sei. „Das soll wieder umgedreht werden. Wir brauchen mehr Zeit für die Patienten und für die Zuwendungsmedizin. In diese Richtung müssen wir wieder hin.“

Wolfgang Routil, der von 1999 bis 2003 und wieder seit 2007 Präsident der Ärztekammer Steiermark war, ortet grundsätzlich ein Verständnisproblem: „Viele in der Kollegenschaft haben die Funktion der Ärztekammer seit der Kurienreform nicht verinnerlicht.“ Denn schließlich würden als direkte Vertretung die Kurienführungen gewählt. „Das heißt verantwortlich für die Politik und für die Ergebnisse oder Nicht-Ergebnisse bei den Spitalsärzten war und ist die Kurie der angestellten Ärzte. Wenn man damit nicht zufrieden ist, dann wählt man dort Alternativen. Mit der Kurienführung war aber auch die Vereinigung nicht zufrieden und hat mit einem neuen Team um Vertrauen geworben. Dieses Vertrauen wurde nicht erteilt. Das heißt: Die Verluste aus dem Gesamtergebnis resultieren aus dem nicht erteilten Vertrauen in der angestellten Kurie.“

Und obwohl die IG in der angestellten Kurie die stärkste Gruppierung ist und die Vereinigung diesen Part in der niedergelassenen Kurie innehat, wird es „dennoch eine andere Koalition geben“, so Routil. Er werde nun ein geordnetes Haus übergeben und das Geschehen aus der zweiten Reihe mit Interesse beobachten; eine neuerliche Kandidatur als Präsident strebt er nicht an. Wo die größten Herausforderungen für das Gesundheitssystem der Zukunft liegen? Routil dazu: „Die Ärzteschaft ist sehr gefordert, sich ihrer Gesamt-Verantwortung zu besinnen und diese aber auch gegenüber der Politik zu leben. Ein Anbiedern an die Politik als Reformpartner, eine Art Wettbewerb, wer besser mit der Politik plaudern kann, schafft weder Nutzen noch Respekt. Die Ärzteschaft wird die nächsten schwierigen Jahre nur dann bestehen, wenn sie diese gemeinsame Verantwortung parteipolitisch unabhängig leben kann und wenn sie es dort, wo sie es bisher noch nicht getan hat, noch lernt.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 8 / 25.04.2012