Therapie der Hepatitis C: Erfolge und Grenzen

10.10.2012 | Medizin


Die Therapie der Hepatitis C befindet sich momentan im Umbruch. Mit den im Jahr 2011 zugelassenen Proteaseinhibitoren hat sich zwar der Therapieerfolg deutlich erhöht – doch damit sind die Anforderungen an den behandelnden Arzt gestiegen.
Von Alexandra Angelovski

Im deutschsprachigen Raum liegt die Prävalenz der chronischen Hepatitis C bei etwas unter einem Prozent und ist damit noch relativ niedrig. „Die Übertragung erfolgt ausschließlich auf dem Blutweg“, betont Univ. Prof. Petra Munda von der Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie im AKH Wien. Somit entstanden vor der Entdeckung des Virus praktisch alle Infektionen durch Blutkonserven („Posttransfusionshepatitis“, „Non-A-Non-B-Hepatitis“). Durch die Testung aller Blutkonserven und Blutprodukte ab 1992 konnte dieser Infektionsweg praktisch ausgeschlossen werden. Heutzutage sind die Hauptrisikogruppe Drogenabhängige, die ihre Spritzen mit anderen teilen. Männer zwischen 20 und 29 Jahren infizieren sich zu 70 Prozent über „Needle-Sharing.“ Weitere Infektionsquellen sind Piercing- und Tattoostudios, in denen mit unsauberen Nadeln gearbeitet wird, sowie unsterile medizinische Eingriffe, besonders in Ländern mit niedrigen hygienischen Standards.

Auch das medizinische Personal hat ein minimal erhöhtes Risiko für eine Infektion mit einer Hepatitis. Eine vertikale Übertragung von Mutter zu Kind wiederum ist selten. Sie ist nur bei virämischen Müttern möglich und beträgt selbst dann nur rund fünf Prozent. Eine Übertragung auf sexuellem Weg ist ebenfalls sehr selten. Und in rund 40 Prozent der Fälle bleibt der Übertragungsweg unbekannt.

Die akute Hepatitis C-Infektion chronifiziert zu 85 Prozent. Die Symptome der akuten Erkrankung sind sehr allgemein und eher unspezifisch. Es kann zu Müdigkeit, Übelkeit, Durchfall, Gelenk- und Muskelschmerzen und leichtem Fieber kommen. Meistens bleiben die Betroffenen jedoch asymptomatisch. Ähnlich sind die Symptome einer chronischen Hepatitis, weswegen die Betroffenen meist nichts von ihrer Erkrankung wissen und die Diagnose meist zufällig – beispielsweise im Rahmen einer Vorbereitung für eine Operation – erfolgt.

Die Patienten profitieren in jedem Fall von einem frühen Therapiebeginn. Oft wird die Hepatitis jedoch nicht entdeckt oder die erhöhten Leberwerte auf Alkohol oder Überernährung zurückgeführt. Manchmal sind auch die Autoantikörper ANA (in 20 Prozent) und anti-LKM1 (in 20 Prozent) positiv, sodass die Patienten fälschlicherweise unter der Diagnose einer Autoimmunhepatitis geführt werden.

Die chronische HCV-Infektion führt meist zu einer langsam progredienten Hepatitis, die letztlich zur Leberzirrhose oder zum hepatozellulären Karzinom führen kann. Für Letzteres ist die Hepatitis C in 60 Prozent der Fälle die Ursache. Dazu kommen noch zahlreiche extrahepatische Manifestationen einer Hepatitis. Die Assoziation mit lymphoproliferativen Erkrankungen – vor allem mit dem Non-Hodgkin Lymphom – gilt inzwischen als gesichert. Das Risiko, mit einer chronischen Hepatitis an einem Non-Hodgkin Lymphom zu erkranken, ist um das Zweifache erhöht.

Virus mit 100 Subtypen

Das Hepatitis C-Virus ist ein RNA-Virus. Es hat sechs Genotypen (1-6) und circa 100 Subtypen. Der Genotyp 1 ist in unseren Breiten der häufigste. Der Genotyp beeinflusst zwar nicht den Verlauf der Erkrankung, die Ansprechrate auf die Therapie und die Therapiedauer sind jedoch je nach Genotyp unterschiedlich. So kann bei Genotyp 2 und 3 mit der bisherigen Standardtherapie mit pegyliertem Interferon und Ribavirin eine Heilungsrate von rund 80 Prozent erzielt werden, was bei Genotyp 1 bisher nur in weniger als 50 Prozent der Fälle möglich war.

Ziel der Hepatitis C-Therapie ist die dauerhafte Elimination des Hepatitis C-Virus, die sogenannte Sustained Virological Response (SVR). Sie wird definiert als fehlende HCV-RNA im Serum sechs Monate nach Therapieende. Dies ist jedoch nicht bei allen Patienten möglich. Es besteht immer die Gefahr, dass es zum Wiederauftreten der HCV-RNA (Relapse) nach Beendigung der Therapie kommt. Dazu kommen auch die Non-Responder, die auf die Therapie nicht ansprechen. In diese Gruppe fallen alle Patienten, bei welchen es innerhalb von zwölf Wochen nicht zu einem Abfall der HCV-RNA um mehr als zwei log-Stufen kommt.

Bis 2011 galten pegyliertes Interferon und das Virustatikum Ribavirin als Standardtherapie. Die Ergebnisse waren – abhängig vom Genotyp – mäßig zufriedenstellend. Im Juli 2011 wurde mit der Zulassung des ersten Proteaseinhibitors für HCV – „Boceprevir“ – ein Meilenstein in der Hepatitis C-Therapie gesetzt. Kurz darauf folgte auch die Zulassung von „Telaprevir“. Die Sustained Virological Response konnte mit der Einführung der Proteaseinhibitoren beim Genotyp 1 auf mehr als 70 Prozent erhöht werden. Weiters kommt es auch seltener zu einem Relapse; auch die Zahl der Non-Responder hat abgenommen.

Der aktuelle Standard bei der Behandlung einer chronischen Hepatitis C-Infektion des Genotyps 1 ist die Response-gesteuerte Proteaseinhibitorbasierte Triple-Therapie. Die duale Therapie mit Ribavirin und Peg-INF alpha wird weiterhin bei den Genotypen 2 bis 6, bei Kontraindikationen gegen Proteaseinhibitoren und günstiger Prognose wie dem IL28B-Genotyp verwendet. „Patienten mit dem IL28B-Genotyp gehen mit einem besseren Ansprechen auf die Dualtherapie einher“, ergänzt Univ. Prof. Ludwig Kramer von der 1. Medizinischen Abteilung im Krankenhaus Hietzing in Wien.

Wählt man als Proteaseinhibitor Boceprevir, beginnt man die Therapie mit einer vierwöchigen Lead-in-Phase, in welcher man nur Peg-IFN und Ribavirin verabreicht. Danach kommt für die restliche Therapiedauer noch Boceprevir hinzu. Um die Therapiedauer bei einem bisher unbehandelten Patienten ohne bereits entwickelte Zirrhose zu bestimmen, muss in Woche acht und 24 die HCV-RNA im Blut bestimmt werden. Ist sie beide Male nicht nachweisbar, kann die Therapiedauer auf 28 Wochen verkürzt werden. Sofern sie bei der ersten Bestimmung positiv ist, geht man über die volle Therapiedauer von 48 Wochen. Bleibt sie auch bei der zweiten Bestimmung positiv, spricht man von einem Non-Responder.

Die Lead-in-Phase bei Boceprevir hat sich in Studien als erfolgreich erwiesen, da sie einerseits die Sustained Virological Response erhöht und andererseits die Relapserate erniedrigt. Bei Telaprevir konnte kein signifikanter Unterschied mit einer Lead-in-Phase festgestellt werden, weswegen sie hier nicht gebräuchlich ist. Ähnlich ist jedoch das Therapieschema: Nach der vierten und zwölften Woche wird die HCV-RNA bestimmt und im besten Fall die Therapie nach 24 Wochen beendet, wenn zu beiden Zeitpunkten kein Virus nachweisbar war. Kommt es zu einem Relapse, ist eine Therapiewiederholung über 48 Wochen indiziert. Bei Non-Respondern wird – sofern dies vorher nicht erfolgt ist – eine vollständige Triple-Therapie gemacht. Handelt es sich um Non-Responder der Triple-Therapie, ist keine weitere Medikation indiziert.

Trotz aller Erfolge der neuen Medikation ist jedoch auch Vorsicht geboten. „Sie ist viel komplexer als die ehemalige Standardtherapie“, erklärt Munda. „Bei der Triple-Therapie kann es zu vielen Nebenwirkungen kommen, die in die Hände von Spezialisten gehören. Es ist wichtig, dass an Therapiezentren überwiesen wird.“

Unterschiedlichste Nebenwirkungen

Bei Telaprevir etwa kommt es mehrheitlich zu hämatologischen Nebenwirkungen, vor allem zur Ausbildung einer Anämie (36 Prozent), zu anorektalen Symptomen inklusive Pruritus und teilweise schweren ekzematösen Hautausschlägen, welche sich jedoch nach Beendigung der Therapie generell vollständig zurückbilden. Bei Boceprevir können Fatigue, Anämie, Kopfschmerzen, Übelkeit und Dysgeusie (Störung der Geschmacksempfindung) beobachtet werden.

Studien, in denen die Therapie ohne Interferon erfolgt, existieren bereits. Diese Vorgangsweise wäre ein weiterer wünschenswerter Schritt in der Therapie der Hepatitis C, weil Interferon wegen der langen Liste an Kontraindikationen und Nebenwirkungen viele Therapien erschwert; eine davon ist unkontrollierter Drogen- und Alkoholabusus. Besonders bei Personen, die einer dieser Gruppen zuzurechnen sind, ist eine gute Therapie besonders wichtig. Unter Drogenabhängigen etwa findet man heute die meisten Neuinfektionen. „Ein weiteres Problem besteht darin, dass sowohl Alkoholabusus als auch eine Co-Infektion mit HBV oder HIV, welche gehäuft bei Drogenabhängigen anzufinden sind, die Progression der Erkrankung beschleunigen und das Outcome verschlechtern“, betont Kramer.

Zum Outcome erklärt Munda: „Die hartnäckigen Fälle, etwa die Non-Responder mit Zirrhose, haben auch mit den neuen Therapien nur eine maximale 30-prozentige Chance auf Heilung.“ Aber die HCV-Therapie befindet sich im stetigen Wandel, wie sie erklärt. „Viele neue Substanzen sind noch in Entwicklung. Momentan laufen unzählige Studien mit den unterschiedlichsten Substanzkombinationen. Eine Tablette für zwölf Wochen mit einer annähernd 100-prozentigen Heilungschance wünschen wir uns alle. Aber bis dahin wird noch einige Zeit vergehen“, so das Resümee der Expertin.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 19 / 10.10.2012