CIRSmedical.at: Feh­ler nicht ver­schwei­gen, son­dern dar­aus lernen

25.05.2012 | Medizin

Im Durch­schnitt gehen circa 300 bis 400 Feh­ler vor­aus, bis ein Scha­den ent­steht. Und einem schwe­ren Scha­den gehen etwa 30 bis 40 gerin­gere Feh­ler vor­aus. Einen Bei­trag dazu, Feh­ler nicht zu ver­schwei­gen, son­dern dar­aus zu ler­nen, leis­tet CIRS­me­di­cal.
Von Eli­sa­beth Gers­ten­dor­fer

CIRSmedical.at funk­tio­niert und wird von den im öster­rei­chi­schen Gesund­heits­we­sen Täti­gen gut ange­nom­men, zeigte sich Artur Wech­sel­ber­ger, Vize­prä­si­dent der Öster­rei­chi­schen Ärz­te­kam­mer bei einem Pres­se­ge­spräch anläss­lich einer Exper­ten­ta­gung zum Feh­ler­be­richts- und Lern­sys­tem CIRS­me­di­cal erfreut. „Seit dem Start im Novem­ber 2009 wurde mehr als 76.000 Mal auf das Sys­tem zuge­grif­fen, also mehr als 80 Mal pro Tag. Das zeigt, dass eine hohe Akzep­tanz gege­ben ist und CIRS­me­di­cal funk­tio­niert“, so Wech­sel­ber­ger. Bis­her haben das „Cri­ti­cial Inci­dent Report­ing Sys­tem“ vor allem Ärzte und Pfle­ge­per­so­nal befüllt; knapp 200 Berichte wur­den ver­öf­fent­licht und dis­ku­tiert. Rund 50 muss­ten gelöscht wer­den, weil sie nicht brauch­bar waren.

Feh­ler­be­richte, die immer wie­der auf­tau­chen, betref­fen vor allem die Medi­ka­ti­ons­si­cher­heit. „Medi­ka­mente wer­den ver­tauscht, weil etwa die Anga­ben auf der Ampulle nicht klar les­bar sind, oder die Kom­mu­ni­ka­tion der Ein­nahme mit dem Pati­en­ten schlecht ver­lau­fen ist. Oft füh­ren hand­schrift­li­che Unles­bar­kei­ten zu Ver­wechs­lun­gen“, berich­tet Wech­sel­ber­ger. Auch Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stö­run­gen wie etwa Hör­feh­ler bei der tele­fo­ni­schen Über­mitt­lung von Labor­wer­ten oder Pro­bleme der Orga­ni­sa­tion in arbeits­tei­li­gen Ein­hei­ten seien häu­fige Feh­ler­quel­len. Beschrie­ben wurde bei­spiels­weise die Situa­tion, in der bei einem Not­fall-Pati­en­ten ein CT statt­fin­den sollte, wobei aller­dings unklar war, ob dies mit oder ohne Vaku­um­liege erfol­gen sollte. „Wenn Dis­kus­sio­nen ent­ste­hen, ver­geht Zeit. Das sind Dinge, die orga­ni­sa­to­risch geklärt wer­den kön­nen“, meint Wech­sel­ber­ger. Umso wich­ti­ger sei, dass nicht nur Ärzte das Sys­tem nut­zen kön­nen, son­dern auch Gesund­heits- und Pfle­ge­be­rufe, die auf­grund ihrer Pati­en­ten­nähe über Kom­pe­tenz für Ver­bes­se­rungs­vor­schläge ver­fü­gen. Ursula Froh­ner, Prä­si­den­tin des Öster­rei­chi­schen Gesund­heits-und Kran­ken­pfle­ge­ver­ban­des dazu: „Der mul­ti­pro­fes­sio­nelle Ansatz för­dert das Ent­ste­hen einer Sicher­heits­kul­tur im öster­rei­chi­schen Gesund­heits­we­sen. Durch die Berichte ent­steht eine Sen­si­bi­li­sie­rung für Feh­ler und Bei­na­he­feh­ler und die Bereit­schaft, dar­aus zu lernen.“

Auch von inter­na­tio­na­lem Aus­tausch kann CIRS­me­di­cal pro­fi­tie­ren. Bereits jetzt ste­hen bei­spiels­weise die „Quick Alerts“ der Schwei­zer Stif­tung für Pati­en­ten­si­cher­heit öster­rei­chi­schen Usern von CIRS­me­di­cal zur Ver­fü­gung. Dabei han­delt es sich um kom­pri­mierte Ver­bes­se­rungs­vor­schläge oder Hin­weise auf Män­gel. Bri­gitte Ettl, Prä­si­den­tin der Öster­rei­chi­schen Platt­form für Pati­en­ten­si­cher­heit und Ärzt­li­che Direk­to­rin des Kran­ken­hau­ses Hiet­zing in Wien nennt ein Bei­spiel aus der Pra­xis: „Ein Quick Alert könnte etwa auf ein kon­ta­mi­nier­tes Ultra­schall-Gel hin­wei­sen. Ich kann dann in mei­nem Kran­ken­haus über­prü­fen, ob das auch bei uns zutrifft. Sol­che Sicher­heits­mel­dun­gen sind ein wich­ti­ger Bestand­teil der Kran­ken­haus­ar­beit.“ Wäh­rend es frü­her prak­tisch nicht mög­lich gewe­sen wäre, über Feh­ler zu spre­chen, kön­nen diese nun belegt wer­den, vor allem auch, weil die Ein­gabe in CIRS­me­di­cal anonym erfolgt und die berich­ten­den Mit­ar­bei­ter keine dis­zi­pli­na­ri­schen Maß­nah­men fürch­ten müssen.

Je grö­ßer der Pool an Erfah­run­gen, desto höher der Lern­ef­fekt und die Chance, die Pati­en­ten­si­cher­heit zu stei­gern, davon ist auch Prof. Die­ter Conen, Prä­si­dent der Schwei­zer Stif­tung für Pati­en­ten­si­cher­heit über­zeugt. „Wir wol­len das Netz mög­lichst groß und Feh­ler bekannt machen. Im Durch­schnitt gehen circa 300 bis 400 Feh­ler vor­aus, bis ein Scha­den ent­steht. Und einem schwe­ren Scha­den gehen etwa 30 bis 40 gerin­gere Feh­ler vor­aus. Wenn diese Feh­ler aber gemel­det wer­den, kann daran gear­bei­tet wer­den, den Scha­den zu ver­hin­dern“, so Conen. Die Ver­wechs­lung von Medi­ka­men­ten sei bei­spiels­weise häu­fig auf die Beschrif­tungs­art der Ver­pa­ckung zurück­zu­füh­ren, da die Her­stel­ler­fir­men eher vom Wie­der­erken­nungs­wert gelei­tet sind und weni­ger von der raschen Les­bar­keit und ent­spre­chen­den Schrift­grö­ßen bei Men­gen­an­ga­ben. Conen: „Man muss Mög­lich­kei­ten fin­den, wie sol­che Feh­ler ver­hin­dert wer­den kön­nen; im Fall der Medi­ka­ti­ons­si­cher­heit etwa durch getrennte Lage­rung  oder elek­tro­nisch mit Bar­code. Die Unver­wech­sel­bar­keit von Medi­ka­men­ten etwa hin­sicht­lich ihrer Men­gen­an­ga­ben läge auch bei der Zulassungsbehörde.“

Feh­ler nicht verschweigen

Der­zeit ist CIRS­me­di­cal auf die Ein­gabe durch alle im Gesund­heits­be­ruf pro­fes­sio­nell Täti­gen aus­ge­rich­tet und damit ein Exper­ten­sys­tem. Wech­sel­ber­ger kann sich aber auch vor­stel­len, das Mel­de­sys­tem auf Laien aus­zu­deh­nen. Aller­dings sei es zunächst das Ziel, eine Sicher­heits­kul­tur in den Ein­rich­tun­gen zu schaf­fen; die natio­nale Feh­ler­kul­tur ein nächs­ter Schritt. „Laien haben die Mög­lich­keit, CIRS­me­di­cal auf­zu­ru­fen. In den ver­gan­ge­nen zwei Jah­ren wurde das Sys­tem aber aus­schließ­lich bei Gesund­heits­be­ru­fen bewor­ben und die Fra­gen rich­ten sich an Exper­ten. Die Qua­li­tät der Mel­dun­gen von Laien ist anders als von Exper­ten, die im Sys­tem arbei­ten, das müsste berück­sich­tigt wer­den“, so Wech­sel­ber­ger. Zen­tral sei es jeden­falls, Feh­ler nicht zu ver­schwei­gen, son­dern aus ihnen zu ler­nen, sagt Wech­sel­ber­ger. Die ÖÄK inte­griere des­halb CIRS­me­di­cal in die ärzt­li­che Fort­bil­dung, sieht aber auch die Not­wen­dig­keit, das Lern­sys­tem in die Aus­bil­dung ein­zu­be­zie­hen. „Wir möch­ten, dass auch die Tur­nus­ärzte ver­mehrt von die­sem Sys­tem pro­fi­tie­ren. Über den fach­spe­zi­fi­schen Lern-Bene­fit hin­aus würde das gene­rell eine neue
Sicher­heits­kul­tur för­dern“, so der ÖÄK-Vize­prä­si­dent. Durch die Ein­gabe in das Mel­de­sys­tem ent­stehe auto­ma­tisch ein ande­rer Umgang mit Fehlern.

Gro­ßes Poten­zial habe CIRS­me­di­cal auch für den Aus­bau zu einem natio­na­len Feh­ler­sys­tem. Aller­dings habe man in der Ärz­te­kam­mer den Ein­druck, das Gesund­heits­mi­nis­te­rium distan­ziere sich seit Abschluss der posi­ti­ven Eva­lua­tion
im Herbst 2011. „Wir wun­dern uns, dass im Zusam­men­hang mit der geplan­ten natio­na­len Pati­en­ten­si­cher­heits-Stra­te­gie keine Rede von CIRS­me­di­cal ist“, erklärte Wech­sel­ber­ger. Das bis­her aus­schließ­lich von der Ärz­te­schaft finan­zierte Feh­ler­be­richts- und Lern­sys­tem werde aber auch fort­ge­setzt, sollte das Gesund­heits­mi­nis­te­rium CIRS­me­di­cal nicht als natio­na­les Sys­tem unter­stüt­zen.

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 10 /​25.05.2012