Therapie der COPD: Neue Standards

25.06.2012 | Medizin

Mit der Umsetzung von neuen internationalen „Standards of Care“ soll bei Patienten mit COPD die Betreuungssituation, die bis jetzt in einigen Bereichen klar hinter dem EU-Durchschnitt liegt, erheblich verbessert werden. Details dazu präsentierten Experten kürzlich beim Jahreskongress der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) in Salzburg.
Von Verena Ulrich

Laut WHO (Weltgesundheitsorganisation) entfallen mehr als 470 Millionen Euro der Gesundheitskosten auf chronische Erkrankungen. Mehr als die Hälfte dieser Kosten werden durch chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD) verursacht, weswegen die WHO die Behandlung und Prävention von chronischen Lungenerkrankungen zu einem der wichtigsten Strategieziele erklärt hat. Der Verfolgung dieses Ziels wurde beim Jahreskongress der ÖGP in Salzburg Rechnung getragen. Unter dem Generalmotto „Lernen-Forschen-Behandeln“ diskutierten vom 14. bis 16. Juni rund 600 Teilnehmer aus dem In- und Ausland die neuen „Standards of Care“ in der Pneumologie.

Neue Wege ging die ÖGP auch beim Konzept der Veranstaltung. Erstmals kamen im Zuge des Kongresses auch Patienten zu Wort und diskutierten gemeinsam mit Ärzten unter dem Titel „COPD – uncovered: Die vielen Gesichter der COPD“.

Ziel des neuen Veranstaltungskonzeptes war es, Ärzte und Patienten über die neuen Stadien-gerechten Behandlungsmöglichkeiten der COPD zu informieren und voneinander zu lernen. „Zum ersten Mal lernen beim Jahreskongress nicht nur Ärzte, sondern auch Patienten. In einem Umfeld mit anderen Betroffenen ist die Hemmschwelle, Fragen zu stellen, geringer“, erläutert Sylvia Hartl von der 1. Internen Lungenabteilung am Otto Wagner-Spital Wien und Präsidentin der ÖGP.

Ein stärkeres Einbeziehen des Patienten ist auch in den neuen internationalen GOLD (Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease)-Standards zur Behandlung von COPD vorgesehen. Bei GOLD handelt es sich um eine 2001 ins Leben gerufene Initiative, die das Ziel verfolgt, ein weltweit optimiertes Vorgehen in der Diagnose und Behandlung der COPD durchzusetzen sowie die Unwissenheit in der Bevölkerung zu bekämpfen. Im Rahmen des Kongresses in Salzburg wurden die Ärzte über die neuesten internationalen GOLD-Betreuungsrichtlinien informiert und für die Praxis geschult. „Die individuellen Symptome und deren Behandlung erhalten jetzt einen höheren Stellenwert“, erklärt die Kongresssekretärin der ÖGP, Robab Breyer-Kohansal.

Wurde die Diagnose bisher ausschließlich auf Basis des Lungenfunktionswertes
(GOLD-Stadien I bis IV) vorgenommen, kommen in den neuen Standards zwei wesentliche Aspekte hinzu. Zunächst werden die Symptome des Patienten mit berücksichtigt. Zur Messung der Symptome füllt der Patient innerhalb weniger Minuten einen vorgefertigten COPD-Assessment Test (CATTM) aus. In einem weiteren Schritt erfolgt die Einschätzung des Risikos anhand der Anzahl der Exazerbationen im vergangenen Jahr, wobei ab zwei Exazerbationen von einem hohen Risiko auszugehen ist. „Auch der Patient kann so sein Risiko selbst einschätzen“, so Breyer-Kohansal. Zur Diagnose werden GOLD-Stadium, CATTM-Ergebnis und das Risiko kombiniert und in vier Risikoklassen (A bis D) eingeteilt. Entsprechend der Klassifizierung ergeben sich nicht-medikamentöse und medikamentöse Behandlungsempfehlungen.

Mangelnde Umsetzung in Österreich

Gravierende Schwachpunkte in der Umsetzung der Guidelines ortet Breyer-Kohansal in der nicht-medikamentösen Therapie. „In Österreich ist der Zugang zu Maßnahmen der nicht-medikamentösen Therapie wie Rauchentwöhnung oder Schulung in Bewegung und Ernährung nicht vorhanden, obwohl sie nachweislich kostengünstig und sehr erfolgsversprechend sind“, umreißt die Expertin die aktuelle Situation. Die Ergebnisse eines europaweiten COPD-Audits der European Respiratory Society (ERS), das Prozesse gegen vorgegebene Standards prüfte, belegt dieses Defizit: Während europaweit im Durchschnitt 32 Prozent der COPD-Patienten Zugang zu Rehabilitation haben, sind es in Österreich nur acht Prozent. Die logische Konsequenz ist, dass die Behandlungsanleitung nicht – wie in den Guidelines empfohlen – verfolgt werden kann.

Oft ist ein Mangel an Informationen die Ursache für die Schwachstellen der heimischen Therapiesituation. Vorhandene Ressourcen werden nicht ausreichend genutzt, weil die Patienten nicht wissen, wo und wie sie diese nutzen können. Die Vernetzung und Strukturierung aller Angebote sowie eine abgestufte Indikationsstellung für die Rehabilitation wären laut Breyer-Kohansal ein wesentlicher Schritt zur Verbesserung. Ärzte sind gefordert, eine Differenzierung vorzunehmen, wer, wo, in welcher Form die Schulung für Bewegung und Ernährung vornehmen soll. „Wir brauchen konkrete Angebote, ein kleines Bündel an Maßnahmen, deren Umsetzung mit dem Patienten konkret vereinbart wird“, fordert die Expertin. „Was beim Medikament das Rezept ist, fehlt in der Rehabilitation total.“

Zur Vermeidung von Informationsdefiziten sollen die Patienten künftig bei der Entlassung eine schriftliche Kurzinformation erhalten. „Es ist wichtig, dass die Patienten selbst über ihren Krankheitszustand informiert sind“, so Breyer-Kohansal. Im sogenannten „COPD-Sheet“ werden die fünf Top-Essentials für COPD-Patienten festgehalten:

  • Was ist meine Krankheit?
  • Wie schwer ist mein Stadium?
  • Welches Risiko habe ich?
  • Welche Medikamente nehme ich?
  • Welche Maßnahmen muss ich jetzt umsetzen?

Die neuen Guidelines sehen außerdem eine Checklist vor, die bei jedem Kontakt mit dem Patienten durchgegangen und dokumentiert werden soll. Die Checklist sichert den Informationsstand und berücksichtigt die folgenden sechs Parameter:

  • Diagnose: COPD-Status und Risikograd
  • Raucherstatus
  • Patienteninformation in Form eines „COPD-Sheets“ (Kurzinformation)
  • Medikamente inklusive Inhalationsschulung
  • Evaluierung des Rehabilitations-Potentials
  • Diätmaßnahmen

Die Einführung von „COPD-Sheet“ und Checklist ist für nächstes Jahr in Krankenhäusern und Ordinationen von Fachärzten geplant.

Pocketcard für Ärzte

Als praktische Hilfe hat die ÖGP eine Pocketcard mit einer Kurzanleitung entwickelt, die Ärzte bei der Umsetzung der neuen COPD-Guidelines unterstützt. „Erste Erfahrungen zeigen, dass die Pocketcard als hilfreich empfunden wird, weil sie kompakt die wichtigen Maßnahmen aufzeigt“, berichtet Breyer-Kohansal. Die Pocketcard wurde im Zuge des Jahreskongresses in Salzburg vorgestellt und soll in einem nächsten Schritt flächendeckend an Lungenfachärzte, Internisten und Allgemeinmediziner verteilt werden. Begleitend sind Schulungen geplant, die den Ärzten die neuen „Standards of Care“ näherbringen.

Tipp:
Weitere Informationen gibt es unter www.goldcopd.org und www.ogp.at

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 12 / 25.06.2012