Asherman-Syndrom: Adhäsionen mit Folgen

10.04.2012 | Medizin

Ein operatives Trauma wie etwa nach einer Kürretage oder einer Myomentfernung stellt die Hauptursache für das Asherman-Syndrom dar. Dieses wird trotz der typischen Symptomatik – Hypo- oder sekundäre Amenorrhoe, Infertilität und habitueller Abort – oft erst spät erkannt.
Von Irene Mlekusch

Es gibt keine systematischen Daten zur Prävalenz“, sagt Univ. Prof. René Wenzl von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde in Wien: „Generell ist das Syndrom, also mit klinischer Symptomatik im Gegensatz zu asymptomatischen intrauterinen Adhäsionen, aber selten und daher offensichtlich zu wenig bekannt.“ Univ. Prof. Ludwig Wildt, Direktor der Universitätsklinik für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin in Innsbruck ergänzt: „Etwa zehn Patientinnen erhalten jährlich im Zentrum für Kinderwunsch in Innsbruck die Diagnose Asherman-Syndrom; somit sind in etwa ein bis zwei Prozent der Patientinnen mit Fertilisationsstörungen davon betroffen.“ Trotz typischer Symptomatik wird das Syndrom oft erst spät erkannt.

Je nach Ausdehnung und Lokalisation leiden die Patientinnen an einer Hypo- oder sekundären Amenorrhoe; starke Schmerzen können ebenso zum klinischen Erscheinungsbild gehören wie Infertilität und habitueller Abort. „Die Symptome teilen sich in Infertilität und Probleme im Rahmen der Schwangerschaftsbetreuung, insbesondere Plazentationsstörungen“, weiß Wenzl. Besonders dann, wenn der Zervikalkanal von Verwachsungen betroffen ist, kann es aber auch zu Menstruationsproblemen kommen. Wildt denkt vor allem an ausgeprägte Synechien, wenn die Menstruation nicht durch Östrogen und Gestagengabe ausgelöst werden kann und in der Anamnese eine Kürretage, Sectio oder Endometritis bekannt ist. Wenzl warnt vor einer möglichen Zervixokklusion, bei der es zum Stau von Blut im Rahmen der Menstruation kommen kann: „Kann dieses nicht genügend abfließen, ist eine Hämatometra mit teilweise starken Unterbauchschmerzen
die Folge.“

„Als Hauptursache ist ein operatives Trauma zu sehen“, verdeutlicht Wenzl. Vorwiegend treten Synechien nach post partum oder Residuenkürettagen post abortum mit Traumatisierung der basalen Endometriumschicht auf. Auch ohne Schwangerschaft können Myomektomien, diagnostische Kürettagen oder zervikale Eingriffe wie IUD-Einlagen und ähnliches zur Entstehung von mehr oder weniger ausgeprägten Adhäsionen führen. Die Wahrscheinlichkeit für Synechien dürfte mit der zunehmenden Zahl von Kürretagen steigen. Weiters konnte im Rahmen einer Studie eine höhere Inzidenz für das Asherman-Syndrom in Neuseeland und Australien festgestellt werden, was sich möglicherweise auf die verwendeten chirurgischen Instrumente zurückführen lässt. „Diskutiert wird, ob eine Endometritis auch ohne operativen Eingriff zu einem Asherman-Syndrom führen kann. Möglicherweise sind uterine Anlagestörungen im Sinne von Anomalien der Müller’schen Gänge ein prädisponierender Faktor“, so Wenzl. Auch vorangegangene Infektionen werden als weitere prädisponierende Faktoren angesehen.

Weisen die klinischen Symptome auf ein Asherman-Syndrom hin und besteht vor allem ein unerfüllter Kinderwunsch, so muss bei entsprechender Anamnese eine detaillierte Diagnostik durchgeführt werden. „Prinzipiell ist eine bildgebende Diagnostik mittels Ultraschall, Kontrastmittelultraschall oder MRT möglich“, sagt Wenzl und fügt hinzu, dass eine Hysteroskopie aber nicht nur eine exakte Visualisierung ermöglicht, sondern auch als therapeutischer Eingriff herangezogen werden kann. In den letzten Jahren wird vor allem anstelle der salinen Hysterosonographie und der Hysterosalpingographie der Einsatz des dreidimensionalen Ultraschalls propagiert, da auf diese Weise eine bessere Einschätzung des Schweregrades möglich ist.

Intrauterine Adhäsionen werden der europäischen Gesellschaft für Hysteroskopie entsprechend in vier Gruppen aufgeteilt, wobei die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft in den Gruppen III und IV nur noch bei etwa 33 Prozent liegt.

Als invasive Diagnostik steht die Hysteroskopie zur Verfügung, die in den meisten Fällen ambulant und ohne Anästhesie erfolgen kann. „Bei klinisch relevanten Symptomen wie Schmerzen wegen Hämatometra oder vermehrten Aborten beziehungsweise Sterilität aus uteriner Ursache ist eine operative Sanierung mittels operativer Hysteroskopie indiziert“, berichtet Wenzl. Postoperativ sei die Einlage eines Foley-Katheters für circa eine Woche gegenüber einem IUD vorzuziehen. Der Adhäsiolyse folgt eine hormonelle Behandlung mit einem Östrogen/Gestagen-Präparat für einige Monate.

„Eine Schwangerschaft ist bei starken intrauterinen Adhäsionen nicht möglich, da sich die Embryonen nicht einnisten können“, erklärt Wildt. Eine hochdosierte Behandlung der Betroffenen mit Östrogenen und Gelbkörperhormon, die zunächst oral und in weiterer Folge vaginal verabreicht werden, ist oft nicht befriedigend. „Atrophien lassen sich meist besser mit Hormonen behandeln“, weiß Wildt und gibt zu bedenken, dass die Differenzierung zum Asherman-Syndrom immer wieder Schwierigkeiten bereitet.

Je nach Schweregrad des Asherman-Syndroms können sich auch für eine Schwangerschaft nach erfolgter Behandlung der Synechien Komplikationen ergeben. Fehlgeburten im ersten Trimester oder das Risiko einer Placenta accreta sind nach der Adhäsiolyse bei Patientinnen mit dem Asherman-Syndrom ebenso möglich wie eine Zervixinsuffizienz. Die Schwangerschaftsrate liegt nach der Behandlung von stark ausgeprägten Synechien etwa bei 53 Prozent, wobei in diesen Fällen wiederum von einer Abortrate von 40 Prozent ausgegangen werden muss.

Asherman-Syndrom

Die Gefahr von intrauterinen Adhäsionen nach Kürettagen und anderen gynäkologischen Operationen vor allem im Wochenbett wurde bereits vor mehr als 100 Jahren beschrieben; die schwerste Form, die mit stark ausgeprägten Synechien einhergeht, bezeichnet man als Asherman-Syndrom.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 7 / 10.04.2012