14. Symposium über Notfälle im Kindes- und Jugendalter: Plötzlicher Herztod

10.09.2012 | Medizin

Selten führt ein kardialer Notfalleinsatz zu einem Kind. Gehäuft beim Leistunssport und im Alter von 13 bis 24 Jahren tritt der plötzliche Herztod auf. In Österreich wird beim Leistungssport – im Gegensatz zu anderen Ländern – ein EKG nicht vorschriftsmäßig durchgeführt.
Von Verena Ulrich

Acht junge Leistungssportler wurden in den Jahren 2003 bis 2008 in die Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie in Graz mit akuten Synkopen eingeliefert; drei davon sind verstorben. Die betroffenen Kinder und Jugendlichen waren in der Regel körperlich fit und hatten zuvor keinerlei Beschwerden. Der plötzliche Herzstillstand wäre durch regelmäßig durchgeführte EKGs zu verhindern gewesen. „Das Problem ist, dass im österreichischen Leistungssport – im Gegensatz zu anderen Ländern – ein EKG nicht vorschriftsmäßig durchgeführt wird“, so ao. Univ. Prof. Peter Schober, Leiter der Abteilung für Sport- und Leistungsmedizin an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie in Graz. Der Experte wird im Rahmen des 14. Symposiums über Notfälle im Kindes- und Jugendalter in St. Veit an der Glan einen Vortrag zum Thema „Versterben beim Leistungssport“ halten und auf die Problematik aufmerksam machen.

Die Ursachen für den plötzlichen Herztod im Kindes- und Jugendalter sind Kardiomyopathien, primär elektrische Herzerkrankungen (wie zum Beispiel Long-QT-Syndrom, Brugada-Syndrom, WPW-Syndrom) sowie Myokarditis. Selten kommen auch Anomalien oder entzündliche Veränderungen der Koronargefäße als Ursache in Frage. Laut einer Studie, die im American Journal of Medicine veröffentlicht wurde, könnten 89 Prozent der angeborenen Rhythmusstörungen und Kardiomyopathien über ein 12-Kanal-EKG diagnostiziert werden. „Es muss im Leistungssport einmal pro Jahr eine verpflichtende sportmedizinische Untersuchung gefordert werden, die ein EKG auf jeden Fall impliziert“, so Schober. Der Experte richtet seinen Appell auch an niedergelassene Ärzte und Eltern. „Es sind regelmäßige Untersuchungen durchzuführen, wenn ein Kind oder Jugendlicher Leistungssport betreibt“, mahnt der Experte. Auch das Übergehen von bakteriellen oder viralen Infekten kann unter Belastung zu katastrophalen Folgen führen. „Das Risiko einer Myokarditis ist dann um ein Vielfaches höher“, gibt Schober zu bedenken.

Im internationalen Wettkampfsport ist nicht selten Doping für einen plötzlichen Herztod verantwortlich – speziell Anabolika und künstlich zugeführte Wachstumshormone können zu krankhaften Veränderungen des Herzens führen. In den USA geben acht bis zwölf Prozent der High School-Schüler an, verbotene Substanzen zu sich zu nehmen. „In Österreich haben wir diesbezüglich keine Daten“, so Schober in seiner Funktion als Vorsitzender der Ethikkommission der NADA, die besonderen Wert auf Doping-Prophylaxe legt. Die größte Grauzone für Doping im Jugendalter sieht Schober nicht im systematisierten Sport, sondern im Freizeitsport. „In Fitnessstudios werden Jugendlichen Substanzen angeboten, die auf der Doping-Liste stehen“, so Schober. Ein Problem sieht er auch in Nahrungsergänzungsmitteln, die oft willkürlich und nicht vom Arzt indiziert an Kinder und Jugendliche verabreicht werden. „Es ist ein gesellschaftliches Problem, gegen alles etwas zu nehmen. Nahrungsergänzungsmittel können Wegbereiter für Doping sein“, so Schober.

Kardiale Notfälle erkennen

Nur etwa zehn Prozent der Notfälle im Kindes- und Jugendalter sind auf kardiale Ursachen zurückzuführen. Dennoch muss der Notfallarzt an ein mögliches, kardiales Problem denken und wissen, dass die Situation ein spezielles Vorgehen von ihm erfordert. „Immer wenn eine Notfallsituation aus einer relativen Gesundheit heraus erfolgt und vor allem, wenn unter Belastung eine Synkope oder eine Herzrhythmusstörung auftritt, spricht das für ein kardiales Grundproblem“, so Raimund Kraschl von der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde am Klinikum Klagenfurt Wörthersee. Er hält beim 14. Symposium für Notfälle im Kindes- und Jugendalter einen Vortrag über kritische Herzerkrankungen im Kindesalter. Kraschl wird den Teilnehmern vermitteln, welche Ursachen zu kardialen Notfällen im Kindes- und Jugendalter führen können und wie in der Notfallsituation vorzugehen ist. „Bei kardialen Kinder-Notfällen ist es essentiell, zusätzlich zur Herz-Lungen-Wiederbelebung nach ERC-Richtlinien eine frühzeitige Rhythmusdiagnostik durchzuführen, um einen schockbaren Rhythmus zu detektieren“, so Kraschl. Je später der Notfallarzt bei einem Kind an eine kardiale Ursache denkt, umso mehr Zeit verliert er für eine wirksame, elektrische Defibrillation. „Pro Minute sinkt die Überlebenschance um circa zehn Prozent“, so Kraschl.

Das Übersehen eines kardialen Problems bei Kindern und Jugendlichen kann auch weitere Risiken bergen. Wertet der Notarzt eine kardiale Synkope nicht als solche und wird das Kind nicht entsprechender Diagnostik und Therapie zugeführt, kann eine erneute Notfallsituation tragisch für das Kind ausgehen. „Bei einer Ionenkanalerkrankung wie dem Long-QT-Syndrom können die ersten Synkopen von selbst reversibel sein. Irgendwann kann  dann jedoch eine schwere Herzrhythmusstörung auftreten, die nicht reversibel ist und möglicherweise tödlich endet“, so Kraschl.

Gerüstet für den pädiatrischen Notfall

Im Rahmen des 14. Symposiums über Notfälle im Kindes- und Jugendalter sollen die Teilnehmer unter anderem darauf aufmerksam gemacht werden, auch bei Kindern und Jugendlichen an kardiale Problematiken zu denken. Die Fortbildungsveranstaltung ist im deutschsprachigen Raum einzigartig und seit dem Start vor 14 Jahren regelmäßig ausgebucht. Die Idee geht auf den Organisator und wissenschaftlichen Leiter Martin Edlinger zurück. Der Pädiater war selbst lange als Notarzt tätig und hat den Fortbildungsbedarf auf dem Gebiet der pädiatrischen Notfallmedizin erkannt. „Ich habe gemerkt, dass viele diensthabende Ärzte ein Kribbeln im Bauch haben, wenn der Patient im Kindesalter ist“, erläutert Edlinger.

In praxisnahen Workshops können spezielle Techniken für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen erlernt werden; einzelne Notfälle werden in Kleingruppen analysiert. „Ziel war es, den Ärzten die Scheu zu nehmen und Probleme gemeinsam zu diskutieren“, so der Organisator.

Die Fortbildungsveranstaltung wird gemeinsam mit der Ärztekammer Kärnten sowie der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde des Klinikums Klagenfurt/Wörthersee veranstaltet. Zielgruppe sind Anästhesisten, Allgemeinmediziner und Kinderärzte.

14. Symposium über Notfälle im Kindes- und Jugendalter

11. bis 13. Oktober 2012
St. Veit/Glan, Kärnten

nähere Informationen und Anmeldung unter www.aekktn.at

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 17 / 10.09.2012