Standpunkt – Vize-Präs. Harald Mayer: Aus für die Bildung?

10.04.2011 | Standpunkt

(c) Gregor Zeitler

Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr – sagt ein gerne verwendetes Sprichwort. Und da der Volksmund mit seinem überaus reichen Schatz an Zitaten nicht immer gänzlich unrecht hat, lässt sich diese Weisheit auf viele Bereiche unseres Lebens übertragen – und zieht auch mehr oder weniger gravierende Folgen nach sich.

Es ist schon mehr als zehn Jahre her, dass die Österreichische Ärztekammer ihr Turnusärzte-Tätigkeitsprofil präsentiert hat. Schon damals war es ein offenes Geheimnis, dass junge Ärzte in Ausbildung in erster Linie als Systemerhalter missbraucht werden. Geschehen ist seither herzlich wenig. Zwar hat es in manchen Bundesländern einige Versuche gegeben, Dinge, die Turnusärzte nicht machen müssen, im Tätigkeitsbereich von anderen Berufsgruppen zu verankern. Die Erfolge sind – wie wir wissen – bescheiden.

Immerhin: Nun hat auch das Wissenschaftsministerium die Medizinerausbildung als Problem erkannt und vor etwas mehr als zwei Monaten zu einem Kongress geladen. Eine hochkarätig besetzte Expertenrunde diskutierte vor einem interessierten Publikum; auch Jungärzte waren darunter. Diese sind – so wie die ÖÄK im Übrigen auch – nicht davon überzeugt, dass mit der Abschaffung des Turnus alle Probleme beseitigt sind. Im Gegenteil: Vermutlich schafft man sich mit einer Teilapprobation – die so manche gerne sehen würden – noch viel mehr Probleme: Wir hätten plötzlich Ärzte zweiter Klasse, die dann ein Leben lang als quasi-Turnusärzte ihr Dasein fristen müssten.

Denn wenn schon jetzt – so wie beim besagten Kongress – Jungärzte davon berichten, dass sie während des Turnus die beste Ausbildung im Tippen im Zehnfinger-System erhalten haben, sind entweder diese jungen Menschen im falschen Beruf oder es läuft etwas im System der jetzigen Ausbildung grundlegend falsch. Für viele unverständlich, aber für Turnusärzte – bedauerlicherweise – noch immer Alltag sind zahlreiche Widrigkeiten, die so nicht sein müssten: angefangen von den Blutabnahmen, die durchaus vom diplomierten Pflegepersonal erfolgen könnten; die Tatsache, dass die Teilnahme an Visiten noch immer keine Selbstverständlichkeit ist und was vermutlich am schwersten wiegt: Unmengen an Administration und Dokumentation. In einer Studie konnte nachgewiesen werden, dass Turnusärzte ganz massiv davon betroffen sind: Sie wenden rund 50 Prozent ihrer Arbeit für das Ausfüllen von Zetteln und die Eingabe von Daten auf. Der Bogen der Ausbildungsmisere schließt sich dann bei denjenigen, die ausbilden sollten; was für diese engagierten Kolleginnen und Kollegen – jetzt einmal abgesehen davon, dass sie dafür keinerlei Benefits oder Anerkennung erhalten – nur jede Menge Mehrarbeit bedeutet, weil sie die täglich anfallende Routinearbeit auch weiterhin in vollem Umfang erledigen müssen. Zusätzlich.

Ich bin überzeugt, dass auch aus dem jetzigen Turnus etwas Gutes zu machen ist. Er kann jedoch sicherlich nicht dazu dienen, dass sich die jeweiligen Krankenhausträger Geld für Personal ersparen, weil Turnusärzte hier billig Personalprobleme in anderen Bereichen zwangskompensieren müssen und darüber hinaus – den Ausbildungsgedanken völlig konterkarierend – drei Jahre ihrer Zeit abdienen, nur um irgendwann eine Facharzt-Ausbildungsstelle zu bekommen.

Ich appelliere hier an die Verantwortlichen, mehr Redlichkeit walten zu lassen: Am PC Daten eintippen können Menschen, die dies gelernt haben, viel besser als Ärzte. In ganz besonderer Weise gilt dies für Jungärzte, die am Beginn ihrer praktischen Ausbildung stehen und ganz besonders viel zu lernen haben.

Gut ausgebildete Ärzte – das ist es was wir brauchen. Und nicht solche, die nach drei Jahren Turnus vor allem eines perfekt können: das Tippen im Zehn-Finger-System.

Harald Mayer
Vize-Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 7 / 10.04.2011