Standpunkt – Präs. Walter Dorner: Wo bleibt der Patient?

25.09.2011 | Standpunkt

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Es sind – bedauerlicherweise – nur einige wenige Themen, mit denen sich all diejenigen, die im Gesundheitswesen das Sagen haben und diejenigen, die meinen, etwas sagen zu müssen, beschäftigen: In erster Linie geht es um’s Geld – um die Ökonomie, um die teuren Spitäler, die vermeintlichen Doppeluntersuchungen. Letztlich fokussiert es sich auf eine einzige Frage: Wo kann eingespart werden? Um den Menschen, den kranken Menschen, geht es in diesen Wortmeldungen nur in Ausnahmefällen.

Zu glauben, dass man gerade in der Medizin einsparen könnte, ist ein fataler Irrtum. Ein Verschluss der Koronararterien war noch vor 30 Jahren ein Todesurteil. Coxarthrosen waren ein Faktum, dem man nichts entgegenzusetzen hatte – damals. Heute, mit den Möglichkeiten der modernen Medizin steigen natürlich auch die Kosten. Moderne Technik in der Medizin ist aber nicht nur ein Kostenfaktor, sondern sichert auch Arbeitsplätze und stellt einen enormen Faktor im Wirtschaftsleben dar. Angesichts der Bevölkerungspyramide und der erfreulicher Weise immer weiter steigenden Lebenserwartung wird die Zahl derer, die die Errungenschaften der modernen Medizin in Anspruch nehmen werden (müssen), immer größer werden.

Diese großartigen Errungenschaften sind natürlich ein Ansporn für die in der Forschung tätigen Ärztinnen und Ärzte, noch weitere, noch bessere Techniken und Therapien zu entwickeln, um ein Altern in Würde bei guter Gesundheit zu ermöglichen. Die Ärztinnen und Ärzte sind es, die die tragenden Säulen unseres Gesundheitssystems sind: Ohne Ärzte geht nichts. Noch funktioniert dieses unser Gesundheitssystem, von dem die Politiker nicht müde werden zu betonen, dass es eines der besten der Welt ist. Die Rahmenbedingungen, unter denen Ärzte arbeiten müssen, sind jedoch mitunter unerträglich: Spitalsärzte arbeiten 70 und mehr Stunden pro Woche, Kassenstellen von niedergelassenen Ärzten können teilweise nicht mehr nachbesetzt werden – und der Ärztemangel im Spitals- und im niedergelassenen Bereich ist mittlerweile traurige Realität.

Hier gilt es, rasch bessere und attraktivere Arbeitsbedingungen für Ärztinnen und Ärzte zu schaffen. Wir werden auch die Ausbildung neu denken müssen: Die ärztliche Ausbildung muss wieder den Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt ihres Denkens und Handelns stellen.

Die Vernetzung zwischen dem niedergelassenen Bereich und dem Spitalsbereich wird sich hier als zentraler Punkt erweisen und beide Seiten – intramural und extramural – werden davon profitieren. Weitere Überlegungen werden auch dahingehend angestellt werden müssen, welche Leistungen wo am besten erbracht werden können und auch, welche Strukturen in bestimmten Regionen – etwa am Land – Sinn machen.

Dass solche Dinge nur von denjenigen, die unmittelbar in diesem Bereich tätig sind – nämlich den Ärztinnen und Ärzten – geplant, beurteilt und im Letzten auch ausgeführt werden, versteht sich wohl von selbst. Schreibtischtäter sind hier fehl am Platz.

Walter Dorner
Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2011