Stand­punkt – Präs. Wal­ter Dor­ner: Bil­dung hilft Krank­hei­ten vermeiden

25.03.2011 | Standpunkt

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Noch vor eini­gen Jah­ren galt sie als Krank­heit einer eli­tä­ren Schichte, eine Krank­heit derer, die sich im Beruf auf­rei­ben und von die­sem dann zer­rie­ben wer­den. Die Bezeich­nung für die­sen Zustand war nahe­lie­gend: Mana­ger­krank­heit. Mitt­ler­weile lei­den Men­schen, die von Armut betrof­fen sind, jedoch drei­mal so häu­fig daran wie Manager.

Die Erklä­rung dafür: Wäh­rend Bes­ser­ver­die­ner sich Rück­zugs­mög­lich­kei­ten leis­ten (kön­nen) – etwa ein ent­span­nen­des Wochen­ende in einer Therme – ist dies für Men­schen, die schon um die Monats­mitte nicht mehr wis­sen, wie sie den Rest des Monats über die Run­den kom­men, schlicht unmög­lich.

Dass es eine hohe Kor­re­la­tion zwi­schen Armut und Krank­heit gibt, ist bekannt. Dass es aber auch einen direk­ten Zusam­men­hang von Krank­heit mit dem Bil­dungs­grad gibt, ist noch kaum the­ma­ti­siert wor­den. Berech­nun­gen der Euro­päi­schen Kom­mis­sion zufolge ver­ur­sacht bei­spiels­weise ein 18-Jäh­ri­ger, der die High School abbricht, durch­schnitt­lich über die gesamte Lebens­zeit in den USA Brut­to­kos­ten in der Höhe von rund 350.000 Euro – dar­un­ter fal­len etwa Kos­ten wie Steu­er­aus­fälle, für ver­mehrte Inan­spruch­nahme von öffent­li­chen Mit­teln für die Gesund­heits­für­sorge und für den Lebens­un­ter­halt sowie Kos­ten, die auf­grund einer grö­ße­ren Wahr­schein­lich­keit für Kri­mi­na­li­tät und Straf­fäl­lig­keit ent­ste­hen.

Aber auch ein ande­rer Aspekt darf nicht außer Acht gelas­sen wer­den: Ver­liert etwa von zwei berufs­tä­ti­gen Ehe­part­nern der eine sei­nen Job, kann die Spi­rale nach unten ganz rasch in Gang kom­men. Gerät man ein­mal in die Armuts­falle, ist der Teu­fels­kreis arm=krank=arm nur schwer zu durch­bre­chen. Wer arbeits­los ist, wird bekannt­lich häu­fi­ger krank, was beson­ders bei Lang­zeit­ar­beits­lo­sen ein gra­vie­ren­des Pro­blem darstellt.

Die Sta­tis­tik besagt, dass es eine signi­fi­kante Kor­re­la­tion von Monats­ein­kom­men, Ernäh­rungs­weise und chro­ni­schen Krank­hei­ten wie Adi­po­si­tas, Dia­be­tes, Augen­er­kran­kun­gen oder Schä­di­gun­gen des Bewe­gungs­ap­pa­ra­tes gibt. Wer Armut sinn­voll bekämpft, ver­hin­dert somit auch Krank­hei­ten.

Ent­schei­dende Bedeu­tung kommt hier einer fun­dier­ten Bil­dung und Aus­bil­dung zu. Nur das Wis­sen um Krank­hei­ten ermög­licht, dass man sich gesund ver­hält und recht­zei­tig aktiv wird – im Sinn der Prä­ven­tion. Und nur wer weiß, wel­che medi­zi­ni­sche Vor­sor­ge­leis­tun­gen es gibt, kann sie auch in Anspruch neh­men.

Die Alarm­si­gnale – schon bei den Kin­dern – sind nicht zu über­se­hen: So kön­nen 30 Pro­zent der Wie­ner Kin­der nicht mehr rück­wärts gehen; 60 Pro­zent sind nicht in der Lage, auf einem Bein zu hüp­fen. Von Über­ge­wicht, über­mä­ßi­gem Alko­hol­kon­sum und nicht zuletzt vom Rau­chen – wo Öster­reichs Jugend­li­che einen unrühm­li­chen Spit­zen­platz in Europa ein­neh­men – will ich erst gar nicht reden.

Wir müs­sen bereits bei den Kin­dern in gesund­heit­li­che Vor­sorge inves­tie­ren. Dazu gehört die rasche Umset­zung der Ganz­ta­ges­schule mit ver­pflich­ten­der Gesund­heits- und Ernäh­rungs­lehre sowie die Ver­dop­pe­lung der Zahl der Turnstunden.

Nur eine gute Aus­bil­dung kann maß­geb­lich dazu bei­tra­gen, dass sich junge Men­schen als Erwach­sene im Leben auch sozial eta­blie­ren und somit vor Arbeits­lo­sig­keit und deren Fol­gen geschützt sind.

Mit Ein­zel-Stra­te­gien wird es nicht getan sein. Es bedarf eines Res­sort-über­grei­fen­den Kraft­akts, bei dem die Ver­ant­wort­li­chen für die Schu­len, die Uni­ver­si­tä­ten und den Sozi­al­be­reich min­des­tens genauso gefor­dert sind wie jene des Gesund­heits­be­reichs.

Wal­ter Dor­ner
Prä­si­dent der Öster­rei­chi­schen Ärztekammer

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 6 /​25.03.2011