Standpunkt – Präs. Walter Dorner: Ein Trauerspiel ohne Ende

10.02.2011 | Standpunkt

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Das Medizinstudium erfreut sich nach wie vor ungebrochener Beliebtheit; ein Ende ist nicht abzusehen. Die Gründe dafür sind vielschichtig; darauf will ich jedoch nicht näher eingehen. Wäre den angehenden Jungmedizinerinnen und Jungmedizinern allerdings schon zu Beginn des Studiums klar, wie schlecht es um die Ausbildung bestellt ist, so mancher würde seine Entscheidung überdenken.

Die Ernüchterung folgt erst später: nämlich im Turnus, jener Zeit, die dem Medizinstudium folgt und eigentlich der Ausbildung gewidmet sein sollte; mit Ausbildung in den meisten Fällen jedoch nur noch wenig oder gar nichts zu tun hat. Deswegen den Turnus abzuschaffen, halte ich nicht für zielführend. Die dreijährige postpromotionelle Ausbildung hat ihren Sinn und ihren Zweck – wenn es in diesen drei Jahren auch tatsächlich um Ausbildung gehen würde. Allerdings zeigen zahlreiche Rückmeldungen von Turnusärzten und nicht zuletzt auch Umfragen – etwa die von der ÖÄK in Auftrag gegebene IFES-Studie – dass Turnusärzte rund die Hälfte ihre Zeit mit Administration und Dokumentation verbringen und so wertvolle Lebens- und Ausbildungs-Zeit sinnlos vergeudet wird.

Der nächste Unsinn ist die in Österreich – leider – geübte Praxis, dass man meist nur nach einem Turnus mit der Facharztausbildung beginnen kann. Für viele Primarii ist die Erlangung des ius practicandi, mit der die jungen Kollegen selbstständig tätig sein dürfen, oftmals eine rechtliche Absicherung, etwa bei Nachtdiensten. Inwieweit diese jungen Ärztinnen und Ärzte rein fachlich auch dazu befähigt sind – nachdem sie rund eineinhalb Jahre ihrer Ausbildung mit Dokumentation und Administration verbracht haben – sei dahingestellt. Im Übrigen könnte man hier ohne großen Aufwand sofort eine Änderung zum Besseren herbeiführen; dazu müssten keine Gesetze geändert werden. Lediglich die jetzt geübte Praxis – ius practicandi als Einstieg in die Facharztausbildung – müsste sofort abgestellt werden. In Deutschland etwa ist es gang und gäbe, unmittelbar nach dem Studium mit einer Facharztausbildung zu beginnen. Möglicherweise ist das einer der Gründe, wieso für viele unserer jungen Kollegen Deutschland so attraktiv ist …

Einer Teilapprobation – wie dies nun als „Verbesserung“ der Ausbildung vorgeschlagen wird – werde ich als Präsident der Österreichischen Ärztekammer nie meine Zustimmung geben. Ich werde nicht zulassen, dass man eine Kategorie von Ärzten produziert, die dann im Spitalsbetrieb für all jene Tätigkeiten herangezogen wird, die sonst niemand machen will. Speziell für Frauen könnte dies eine berufliche Einbahnstraße werden, aus der sie nie wieder herauskommen.

Warum wird die Lehrpraxis von der öffentlichen Hand nicht ausreichend finanziert? Unseren Berechnungen zufolge könnte dies mit rund elf Millionen Euro pro Jahr flächendeckend in Österreich erfolgen. Das Geld dafür ist vorhanden – beispielsweise beim Hauptverband: So haben die niedergelassenen Ärzte im Jahr 2009 insgesamt 70 Millionen Euro mehr eingespart, als die Bundesregierung vorgegeben hat. Damit wäre die Ausbildung in Lehrpraxen für einige Jahre gesichert.

Um den Turnus inhaltlich zu verbessern, bedarf es keiner übermenschlichen Anstrengung: Schon seit mehr als zehn Jahren gibt es das Turnusärzte-Tätigkeitsprofil der ÖÄK. Es muss nur im Ärztegesetz umgesetzt – und dann in der Praxis auch gelebt werden.

Man muss nicht das gesamte System des Turnus abschaffen oder zerstören: Nein, Gutes soll bewahrt werden, was nicht mehr zeitgemäß ist, muss adaptiert werden. Und der Turnus muss wieder das werden, wofür er ursprünglich einmal gedacht war: eine Zeit der Bildung und Ausbildung.

Walter Dorner
Präsident der Österreichischen Ärztekammer

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 3 / 10.02.2011