Amerikas übergewichtige Kinder: Der Kampf der First Lady

25.03.2011 | Politik



In den USA ist eines von drei Kindern zu dick. Die Frau des US-amerikanischen Präsidenten, Michelle Obama, hat ein ehrgeiziges Ziel: Innerhalb einer Generation soll die Fettsucht der US-amerikanischen Kinder beseitigt werden.

Von Nora Schmitt-Sausen

Michelle Obama legt sich mächtig ins Zeug. Sie hat ein Gemüsebeet im Garten des Weißen Hauses angelegt, vor laufenden Kameras den Hula-Hoop-Reifen geschwungen, sich an Yoga-Übungen versucht und reist kreuz und quer durch die USA, um ihr Herzensanliegen zu promoten: gesünderes Essen und mehr Bewegung für Amerikas Kinder. Seit einem Jahr ist die Präsidentengattin landesweit für ihre viel beachtete Kampagne „Let’s move“ im Einsatz. Die First Lady verfolgt ein ehrgeiziges Ziel: Innerhalb einer Generation soll die Fettsucht der amerikanischen Kinder beseitigt werden.

Die Zahl der übergewichtigen Kinder hat sich in den USA in den vergangenen drei Jahrzehnten nahezu verdreifacht. 17 Prozent der Kinder und Heranwachsenden zwischen zwei und 19 Jahren gelten in den USA heute als fettleibig, etwa die gleiche Anzahl ist übergewichtig. Auch bei den erwachsenen Amerikanern ist die Statistik eindeutig: Mehr als jeder Dritte wiegt zuviel. Ein weltweiter Spitzenwert. Längst ist die Fettsucht zur Volkskrankheit geworden – und ein Problem für das Gesundheitssystem. Im Jahr 2008 kostete die Behandlung von Erkrankungen aufgrund von Fettleibigkeit 147 Milliarden Dollar jährlich. Zehn Jahre zuvor waren es 78,5 Milliarden.

Gesund zu essen ist in den USA nicht immer leicht; erst recht dann, wenn die finanziellen Mittel begrenzt sind. Während ein Hamburger-Menü für zwei oder drei Dollar zu haben ist, kostet eine Handvoll Äpfel mancherorts das Doppelte oder gar Dreifache. Fast-Food-Lokale säumen vielerorts die Straßen, in den Supermärkten stapeln sich billige Fertiggerichte, die Speisekarten der Restaurants beinhalten manchmal nichts anderes als den klassischen Hamburger oder frittiertes Hähnchen. Gerade in ländlichen – und ärmeren – Gebieten jenseits der Küstenregionen ist der Zugang zu gesunden Lebensmitteln schwierig. Gleiches gilt für Stadtteile mit niedrigem Einkommen. Etwa 23,5 Millionen Amerikaner leben nach Einschätzung des US-amerikanischen Landwirtschaftsministeriums in so genannten „food deserts“, in denen es nicht möglich ist, gesundes Essen zu kaufen.

Michelle Obama redet nicht nur dem Durchschnittsamerikaner durch Aufklärungskampagnen und Werbefilme ins Gewissen. Sie setzt die Schrauben auch bei den verantwortlichen Akteuren an. Mit Erfolg: Die First Lady hat die Abgeordneten im US-Kongress von ihrem Ansinnen überzeugt. Ende 2010 brachte sie den Kongress dazu, die Schulen zu zwingen, hochwertigeres Essen und mehr Obst und Gemüse in ihren Mittagsgerichten anzubieten. Das Essen an amerikanischen Schulen wird damit per Gesetz gesünder. 31 Millionen Kinder werden täglich mit Essen versorgt. Auch mit der Nahrungsmittelindustrie setzt sich Obama an den Verhandlungstisch. Das Ergebnis: Der Supermarkt-Riese Wal-Mart verkündete unlängst, dass er seine Preise auf Obst und Gemüse senken und die Mengen an Fett, Zucker und Salz im angebotenen Essen reduzieren wird.

Michelle Obama will außerdem erreichen, dass die Nahrungsmittelhersteller ihre Güter besser kennzeichnen. Noch sind die Verhandlungen allerdings zäh. Auch mit der mächtigen „National Restaurant Association“ ist die Präsidentengattin im Gespräch. Sie möchte erreichen, dass in den Lokalen kleinere Portionen angeboten werden, und dass bei den Kindergerichten Karotten, Apfelstücke und Milch statt Pommes und Cola serviert werden. Obama fordert die Restaurants auf, ihr Angebot und ihre Rezepte umzustellen. „Geben Sie Eltern die Sicherheit, dass sie sich darauf verlassen können, in diesem Land in ein Restaurant zu gehen und ein wirklich gesundes Essen für ihre Kinder zu bekommen.“

Bis die Bemühungen Erfolg zeigen, dürften allerdings noch Jahrzehnte vergehen. Nicht nur die Einstellung der Nahrungsmittelindustrie, sondern auch der Fast-Food-verliebten Amerikaner muss sich ändern. Viele US-Bürger ziehen es vor, zum Schnellimbiss zu gehen oder nach dem Fertiggericht zu greifen als selbst den Kochlöffel in die Hand zu nehmen. Hinzu kommt, dass sich viele Amerikaner kaum bewegen: Selbst die kleinste Erledigung wird mit dem Auto gemacht, die Freizeit wird vor dem Fernseher statt beispielsweise beim Sport verbracht.

Kritik am Engagement

Michelle Obamas Engagement wird von Gesundheitsexperten landesweit gelobt. Doch es ist nicht ohne politische Risiken. Die Zusammenarbeit mit Wal-Mart etwa, so kritisieren selbst Stimmen aus dem eigenen Lager, sei nicht gut für das Weiße Haus. Der Supermarkt-Riese steht in den USA wegen der schlechten Arbeitsbedingungen für Mitarbeiter regelmäßig am Pranger. Doch die Präsidentengattin hält Kritik wie diese nicht zurück. Im Gegenteil. Sie verkündete gerade, dass sie ihren Einsatz für die Gesundheit von Kindern ausweiten wird. Sie möchte die Fettleibigkeit der jungen Generation künftig auch im Ausland zum Thema machen, wenn sie ihren Mann auf Staatsbesuchen begleitet. Fettleibigkeit sei zunehmend ein globales Problem. Das sehe sie auch daran: Wann immer ihr Mann sich mit einem politischen Schwergewicht treffe, drehe sich eine der ersten Fragen um den neuen Gemüsegarten des Weißen Hauses.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 6 / 25.03.2011