Selbständig gesund: Neuer Anreiz zur Vorsorge

15.12.2011 | Politik

Wer als SVA-Versicherter künftig auf seine Gesundheit achtet und fünf definierte Gesundheitsziele einhält, bezahlt künftig nur noch 50 Prozent des Selbstbehalts. Auf dieses Anreizsystem, das mit 1. Jänner 2012 in Kraft tritt, haben sich ÖÄK und SVA geeinigt.
Von Agnes M. Mühlgassner


Von einer „bahnbrechenden Idee“ spricht ÖÄK-Präsident Walter Dorner, Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl wiederum sieht darin einen „revolutionären Schritt“: Die Rede ist vom 50-prozentigen Bonus auf den Selbstbehalt, den SVA-Versicherte künftig erhalten, wenn sie mit dem Arzt ihres Vertrauens fünf Gesundheitsziele (Blutdruck, Gewicht, Bewegung, Tabak und Alkohol) definieren und dann auch erreichen.

Christoph Leitl geht es darum, die Vorzeichen in der Gesundheitspolitik in Österreich zu verändern. „Alle reden von Vorbeugung und Prophylaxe, aber rund 100 Prozent der medizinischen Kosten geben wir für’s Heilen, nicht für’s Vorsorgen aus.“ Prophylaxe sei nicht billig, gesteht er ein, denn man müsse auf den Patienten eingehen und beratend zur Seite stehen – aber man habe sich auf diese innovative Idee geeinigt und wolle damit Markierungen setzen. Speziell für Selbstständige – die im Übrigen eine um 50 Prozent längere Arbeitszeit haben, aber um 25 Prozent weniger im Krankenhaus sind und auch eine um rund drei Jahre längere Lebenserwartung haben – soll es keine langen Wartezeiten in den Ordinationen geben und bevorzugt Termine am Tagesrand.

Beim Programm „Selbständig gesund“ handelt es sich um ein freiwilliges Modell, wie Leitl betont: „Ich bin immer für ein Anreizmodell, nie für Zwang.“ Schätzungen zufolge liegen die Kosten – wenn sich alle SVA-Versicherten daran beteiligen – bei rund 20 Millionen Euro. Auf Prognosen darüber, wie viele Versicherte dieses neue Modell auch tatsächlich in Anspruch nehmen, wollte sich der Wirtschaftskammer-Präsident nicht einlassen: „Wie viele es tatsächlich sind, die teilnehmen, kann man nicht sagen. Wir wissen es nicht.“ Aber „der gute, alte Hausarzt“ sei auch ihm, Leitl, ein Anliegen.

Genau darin, nämlich dass „der Arzt als Vertrauensperson des Menschen zum Tragen kommt in all seinen Nöten“ sieht Walter Dorner eine der zentralen Möglichkeiten dieses neuen Modells. Und weiter: „Wir haben gesehen, dass wir auf einem guten Weg sind und dass es sich nicht nur um eine Krankenversicherung, sondern um eine Gesundenversicherung handelt.“ Besonders wichtig sei dabei, dass diese Gesprächsform, die für das Arzt-Patienten-Verhältnis angeboten wird, nun tatsächlich eine neue Dimension bekommen werde.

In der positiven Motivation der Menschen sieht der Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in der ÖÄK, Günther Wawrwosky, die besonderen Chancen dieses Modells: „Menschen brauchen Anreize, um Vorsorge zu machen.“ Wenn man an die Vorsorge glaube, dann bedeute das auch, daran zu glauben, dass die Menschen die kurative Behandlung weniger in Anspruch nehmen. Wawrowsky weiter: „Klar ist aber, dass es auch für uns ein neuer Weg ist.“

Peter McDonald, stellvertretender SVA-Obmann, will durch das Programm „die Versicherten im Bewusstsein stärken, dass jeder für seine Gesundheit verantwortlich ist“. Auch wolle man die Prävention als „zentralen Schwerpunkt“ einer Versicherung präsentieren. McDonald rechnet im ersten Jahr mit Kosten von rund 2,5 Millionen Euro, falls 20 Prozent der SVA-Versicherten dieses Angebot in Anspruch nehmen – „eine Investition, die sich für die Sozialversicherung rechnen wird“. Letztlich gehe es darum, die Finanzmittel zielgerichteter einzusetzen, um effizienter zu werden und um die gesunden Lebensjahre zu verlängern. „Wir wollen die Versicherten animieren, sich mit ihrer eigenen Gesundheit auseinander zu setzen“, so McDonald abschließend.

Übrigens: Der deutsche Gesundheitsminister Bahr hat bereits Interesse an diesem Programm gezeigt.

Selbständig gesund – die Details

Beim ersten Check durch den Hausarzt/Vertrauensarzt werden zwischen Arzt und Patient anhand von fünf Parametern – Blutdruck, Gewicht, Bewegung, Tabak, Alkohol – fünf Ziele vereinbart.

Bei einem Recall-Termin sechs Monate später prüft der Arzt, ob die Ziele auch erreicht wurden. Falls ja, wird der Selbstbehalt halbiert.

Bei diesem Arztbesuch werden auch – falls erforderlich – neue Ziele vereinbart. Andernfalls gibt es neuerliche Untersuchungen in zwei (mit Vollendung des 40. Lebensjahres) beziehungsweise drei Jahre (vor dem 40. Lebensjahr). Vor dem Ablauf der Frist wird man von der SVA daran erinnert, neuerlich einen Gesundheitscheck zu absolvieren.

Die Teilnahme am Programm ist freiwillig.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23-24 / 15.12.2011