Nichtraucherschutz: Von Schall und Rauch

25.05.2011 | Politik

Einem europaweiten Ranking zufolge bildet Österreich, gemeinsam mit Griechenland, das Schlusslicht im Nichtraucherschutz und der Umsetzung der lokalen Tabakgesetzgebung. Der Ruf nach einem absoluten Rauchverbot bleibt von der Politik weiterhin ungehört.
Von Andrea Heider

Smoking ban, Rookverbod, legge antifuomo – Rauchverbot hat in Europa viele Namen und Gesichter. Von Seiten der Europäischen Kommission gibt es zwar keine Rechtsvorschriften für die einheitliche Umsetzung eines EU-weiten Rauchverbotes. Die meisten Mitgliedsstaaten verfügen jedoch über gesetzliche Verordnungen für rauchfreie Zonen und damit verbundenen Nichtraucherschutz.

Dem vierten Tobacco Control Scale 2010 (TCS) der Association of European Cancer Leagues (ECL) zufolge ist der österreichische Nichtraucherschutz alles andere als vorbildlich. Untersucht wurden neben der jeweiligen nationalen Tabakgesetzgebung auch Zigarettenpreise, Werbevorschriften, Warnhinweise und Maßnahmen zur Raucherentwöhnung in den 27 EU-Staaten sowie in Island, Norwegen, der Schweiz und der Türkei. Bestnoten erhielten Großbritannien, Irland und Norwegen. Schlusslicht hingegen sind Österreich und Griechenland. Besonders hinsichtlich Kinder- und Jugendprävention gibt es in Österreich dringenden Nachholbedarf. Laut dem Kinderbericht der OECD liegt der Anteil der regelmäßigen Raucher unter den 15-Jährigen mit 27 Prozent um mehr als ein Drittel über dem OECD-Schnitt. Auch Studien der ESPAD und HBSC zeigen ein ähnlich düsteres Bild.

Nichtraucherschutz in der Alpenrepublik

Mit 1. Jänner 2009 sind die viel diskutierten Nichtraucherschutz-Bestimmungen österreichweit in Kraft getreten: Für öffentliche Orte und die Gastronomie wurde ein Rauchverbot eingeführt. Dabei handelt es sich allerdings nicht um ein absolutes Rauchverbot, sondern vielmehr um einen Kompromiss, der möglicherweise für die Gastronomen kostspielig war, jedoch keine gesundheitlichen Verbesserungen für Betroffene mit sich bringt. Demnach erfüllen die vorhandenen „Nichtraucherschutz-Bestimmungen“ ihren Zweck kaum. Im Gegenteil: Neueste Untersuchungen haben ergeben, dass die Feinstoffbelastungen in Raucherlokalen unverändert hoch sind und sogar eine mehr als zehnmal so hohe Konzentration erreichen wie dies draußen zulässig ist, erklärt Univ. Prof. Manfred Neuberger vom Institut für Umwelthygiene der Medizinischen Universität Wien. „Optimalen Schutz bieten nur reine Nichtraucherlokale. Denn in Nichtraucherzimmern wird die Schadstoffkonzentration von den benachbarten Raucherräumen bestimmt, auch wenn sie durch eine Türe abgetrennt und mit moderner Lüftungsanlage ausgestattet sind. Aus medizinischer Sicht muss von Aufenthalten in solchen Räumen abgeraten werden. Vor allem Patienten mit Herz-/Kreislauf-Erkrankungen wie etwa Koronarsyndrom, Status post Myokardinfarkt, Insult oder TIA sind gefährdet“, erklärt Neuberger.

Gefahr für Passivraucher

Zigarettenrauch enthält mehr als 4.000 chemische Verbindungen, von denen mehr als 60 Substanzen als kanzerogen eingestuft werden. Das gesundheitliche Risiko durch Passivrauchen wird laut Neuberger oftmals unterbewertet: „Durch Passivrauchen können in Harn und Blut erhöhte Schadstoffwerte nachgewiesen werden. Akute Folgen für vorgeschädigte Personen wie etwa Asthmaanfälle, Herzinfarkte oder Schlaganfälle während des Essens in einem verrauchten Lokal, sind zu wenig bekannt. Auch chronische Folgen, von denen primär gesunde Personen ebenso betroffen sein können wie beispielsweise Lungen- und Brustdrüsenkrebs, COPD, Erkrankungen des Herzens und der Blutgefäße, werden von den Betroffenen oft unterschätzt.“ Aus medizinischer Sicht sei die Verbannung des Glimmstängels aus öffentlichen Räumen und Gastronomie die einzige nachhaltige Lösung, um Nichtraucherschutz zu gewährleisten und Erkrankungen vorzubeugen.

„Nikotinsucht ist Krankheit“

Die gesellschaftliche Akzeptanz für Rauchen ist in Österreich – obwohl die Risken bekannt sind – nach wie vor sehr hoch. Nikotinsucht ist jedoch eine Krankheit und sollte auch als solche anerkannt werden. Erst eine bewusste De-Normalisierung des Rauchens könne auch zu einer gesellschaftlichen Ablehnung der Zigarette führen. Dazu gehöre auch ein generelles Rauchverbot in offiziell zugängigen Räumen und Gastronomiebetrieben. „Im Vordergrund steht vor allem der Schutz von Gästen, Kindern, Schwangeren, vorgeschädigten Personen und Personal. Die Politik muss den Gesundheits-, Jugend- und Arbeitnehmerschutz priorisieren und eine klarere Linie fahren als bisher“, fordert Neuberger. Die Erhöhung des Bezugsalter für Tabakwaren auf 18 Jahre, effiziente Kontrollen des derzeitigen Nichtraucherschutzes durch Exekutive, Marktamt und Arbeitsinspektion wären erste Schritte in Richtung rauchfreies Österreich. Und weiter: „Kurzfristig oder langfristig ist allerdings ein absolutes Rauchverbot wünschenswert“, betont der Umweltmediziner.

Ob die Politik diese Forderungen der Experten auch hört, um die Volkskrankheit Rauchen einzudämmen, wird sich herausstellen. Zu hoffen ist, dass ein generelles Rauchverbot nicht nur Schall und Rauch bleibt.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 10 / 25.05.2011