Medizinische Forschung in den USA: Priorität trotz Staatsdefizit

25.09.2011 | Politik

US-Präsident Barack Obama ist ein Mann der Wissenschaft: Trotz knapper Kassen setzt er auf Investitionen in die Forschung – auch in der Medizin. Opposition ist ihm gewiss.
Von Nora Schmitt-Sausen

Obamas positive Haltung zur Wissenschaft ist in den USA kein Geheimnis. Der Präsident, Absolvent der renommierten Harvard-Universität, scharrt in seinem engsten Beraterkreis Wissenschafter von internationaler Reputation um sich: renommierte Professoren, hochkarätige Gen-Forscher, sogar Medizin-Nobelpreisträger. Wissenschaft und Forschung sollten Fundament seiner Arbeit sein, hatte Obama betont, noch bevor er überhaupt ins Weiße Haus eingezogen war. Es war mehr als lediglich ein Lippenbekenntnis, denn im Amt hat sich Obamas Haltung nicht verändert.

Speziell im Gesundheitssektor setzt der Präsident auf wissenschaftliche Evaluation und Erkenntnisgewinn. Eine seiner ersten Amtshandlungen war es, staatliche Gelder für die Stammzellenforschung freizugeben, die unter seinem Vorgänger George W. Bush gesperrt worden waren. „Wir müssen sicherstellen, dass unsere Politik auf wissenschaftlichen Erkenntnissen statt auf Ideologie beruht“, sagte er damals. Auch Beispiele wie den Kampf gegen die Schweinegrippe zieht er heran, wenn es darum geht, die Bedeutung der Wissenschaft für die USA zu unterstreichen: „Unsere Fähigkeit, mit einer Herausforderung wie dieser umzugehen, hängt im Wesentlichen von der Arbeit unserer wissenschaftlichen und medizinischen Gemeinschaft ab.“

Investieren trotz Einsparungen

Wie ernst Obamas Bekenntnis zur medizinischen Forschung ist, zeigt auch sein Haushaltsplan für das Jahr 2012. Trotz horrend hoher Staatsschulden und geplanten Einsparungen von 1,1 Billionen Dollar innerhalb der kommenden zehn Jahre will Obama investieren. Neben den Sektoren Bildung, Energie und Infrastruktur plant die Regierung Zuwendungen für die medizinische Forschung. Die National Institutes of Health (NIH), die sich etwa mit Grundlagenforschung zu Krebs oder Diabetes befassen, sollen 745 Millionen Dollar (plus 2,4 Prozent) mehr erhalten als im Jahr 2010. Knapp 32 Milliarden Dollar möchte die US-Regierung damit künftig in den Sektor der medizinischen Forschung investieren, die landesweit an mehr als 3.000 Universitäten und Krankenhäusern und an den 27 Zentren der NIH erfolgt. „Wir können unsere Zukunft nicht opfern. Beim Sparen müssen wir immer auch die Sektoren im Blick haben, die wichtig für unsere Zukunft sind“, erklärt der Präsident.

Bereits zum Jahresanfang hatte die Obama-Regierung Pläne offen gelegt, wonach sie ein staatliches Zentrum für die Entwicklung von Medikamenten gründen möchte. Dieses soll an die Gesundheitsinstitute der NIH angegliedert werden. Der Hintergrund: Man sei besorgt über den Stand der Neuentwicklungen im Arzneimittelsektor. Die Pharmaindustrie scheut zunehmend den langen und kostspieligen Weg, neue Medikamente zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Geplant ist, dass die neue Staatseinrichtung sowohl in die Grunderforschung neuer Medikamente oder Behandlungsmethoden einsteigt, als auch durch Tierversuche oder Probandenstudien deren Wirksamkeit und Verträglichkeit austestet – ein Novum für eine staatliche Forschungseinrichtung. Nach der akademischen Evaluierung soll die Industrie einsteigen.

Die Republikaner drohen die Investitionspläne des US-Präsidenten zu durchkreuzen. Jegliche staatliche Intervention in die Privatwirtschaft ist ihnen vom Grundsatz her ein Gräuel und in Zeiten leerer Staatskassen stehen sie einer Aufstockung staatlicher Mittel kritischer gegenüber als ohnehin schon. Mehr noch: Das Kürzen von Staatsausgaben haben sich die Konservativen, die seit vergangenem Herbst die Mehrheit in einer Kammer des US-Kongresses inne haben, groß auf die Fahne geschrieben. „Wir haben eine moralische Verpflichtung, das zu tun“, betonte der Republikaner Paul Ryan, Vorsitzender des Haushaltsausschusses, als er Anfang April einen Gegenentwurf zu Obamas Haushaltsplänen vorlegte. Dieser sieht mehr als vier Billionen Dollar Einsparungen vor.

Eine Entscheidung über die Verteilung der Zuwendungen für 2012 steht noch aus. Das neue US-amerikanische Haushaltsjahr beginnt am 1. Oktober dieses Jahres. Einen Vorgeschmack auf die zu erwartenden harten Auseinandersetzungen über das Budget lieferte jüngst die Debatte um den Nachtragshaushalt 2011. Erst in letzter Sekunde konnten sich Demokraten und Republikaner über Haushaltskürzungen verständigen und verhindern, dass sämtliche Staatsgeschäfte aus Geldmangel zum Erliegen kommen. Eine Kürzung der Mittel für NIH war dabei bis zuletzt Bestandteil der Diskussion.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2011