Kommentar – Univ. Prof. Thomas Szekeres: Ethik aus Angst und Geldgier?

25.02.2011 | Politik

Ein in der Öffentlichkeit bekannter und erfolgreicher Kollege, Klinikvorstand noch dazu, hatte in einer ORF-Diskussion die Meinung vertreten, Ärzte würden nur unter dem Druck der Haftung für Fehler und Strafandrohung sorgfältig und ethisch korrekt arbeiten. Dies muss jedem vernünftigen Menschen zu denken geben. Nicht, weil grundsätzlich bestritten wird, dass man im Bewusstsein möglicher strafrechtlicher Konsequenzen besonders aufmerksam und vorsichtig ist. Das ist logisch.

Gefährlich aber wird es, wenn man Werte kapitalisiert und damit ärztliches Tun als Bestandteil einer postkapitalistischen Ausbeutungsgesellschaft definiert. Ethik wird zur Ware, deren Wert unterschiedlich definiert und honoriert wird. Der Arzt ist Büttel des Gesetzes und Instrument einer Wegwerfgesellschaft.

Das ist unmenschlich, verachtend und kann nicht unwidersprochen bleiben. Ein renommierter Arzt definiert seinen Berufsstand als entfremdete, lebensnegativierende Reparatur- und Geburtshilfebranche, deren Ziel die bestmögliche und wiederum risikolose Reproduktion von Humanressourcen ist. Der Gynäkologe als Exekutor und Reproduktionscontroller einer Gesellschaft, die „Schaden“ im Sinne von Behinderung, Krankheit etc. ausblenden will. Das gab es in der Geschichte schon. Damit wird nicht nur ein Berufsstand diskriminiert, sondern schlichtweg geleugnet, dass es so etwas wie humane Ethik, Skrupel, Empathie, Verantwortung für die Gesellschaft gibt.

Ärztliche Arbeit wird schließlich unter den Aspekten der Nützlichkeit, Nutzbarkeit und des ökonomischen Leistungswertes verstanden. Damit werden alle Berufe, die sich den Menschen widmen, seien es Ärzte, Priester, Sozialarbeiter, Pflegekräfte, karitative Berufe etc., diskriminiert und in ihrem Selbstverständnis diskreditiert.

Es zählt die Ästhetik des Geldes, die zurechtgestutzte Ästhetik des Schönen, die pekuniäre Wertschöpfung jeglichen Tuns. Zum Ausgleich darf man etwas Charity betreiben. Zynismus zählt zu den konsequenten Begleiterscheinungen des Unethischen.

Ich meine, wir alle sollten uns wehren. Wir haben den Beruf nicht ausgewählt, um Millionen Euro zu verdienen, Lust an der Herrschaft über Leben und Tod auszuleben, mit weißen Mänteln gottgleich die Patienten zu verhöhnen. Nein, wir haben –  bis auf wenige Ausnahmen – diesen Beruf studiert und erlernt, um anderen Menschen zu helfen und der Gesellschaft zu dienen. Und nicht, um an ihr zu verdienen.

*) Univ. Prof. Thomas Szekeres ist Vizepräsident der Ärztekammer für Wien und Obmann der Kurie angestellte Ärzte in Wien

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 4 / 25.02.2011