Kommentar – Dr. Lukas Stärker: Spital muss Spital bleiben!

25.09.2011 | Politik

Mit der nun geplanten KAKuG-Novelle wird der Mindeststandard in den Spitälen drastisch heruntergefahren: Die Krankenhäuser als Gebäude bleiben zwar erhalten; allerdings wird das Leistungsangebot im Inneren reduziert.
Von Lukas Stärker*

Sowohl die Anzahl der Krankenhausbetten als auch jene der Krankenanstalten ist seit Jahren Gegenstand teilweise heftiger Diskussionen. Die Politik tut sich hier schwer mit dem Gestalten: Die Gemeindeebene versucht, „ihr“ Krankenhaus jedenfalls zu erhalten, Landes- und Bundesebene wollen beziehungsweise können oft nicht eingreifen. Gleichzeitig soll gespart werden, aber oft nicht dort, wo es sinnvoll wäre, sondern dort, wo der geringste Widerstand droht.

Subtile Strategie der Politik

Angesichts dieser Ausgangssituation kam die Politik nunmehr offensichtlich auf folgende subtile Idee und versucht, diese als „Lösung“ zu verkaufen: Die Krankenhäuser bleiben erhalten, darüber wird groß gesprochen. Die Krankenhäuser werden aber „im Inneren“ heruntergefahren, darüber wird kaum gesprochen. So erreicht man zwei Fliegen auf einen Schlag: Man kann der Bevölkerung zeigen, dass das Krankenhaus im Ort erhalten bleibt, aber dennoch Kosten sparen.

Status quo

Derzeit schreibt das Bundes-KrankenanstaltenG vor, für wieviele Einwohner Standard-, Schwerpunkt- und Zentralkrankenanstalten einzurichten sind. Die dortigen Einwohnerzahlen können zwar über- oder unterschritten werden, legen aber einen Mindeststandard fest. Hinzu kommt noch, dass das KAKuG auch noch festlegt, welche Abteilungen in Standard-, Schwerpunkt- und Zentralkrankenanstalten jedenfalls enthalten sein müssen. Auch hier kann man zwar als Bundesland durch die Einrichtung sogenannter „Sonderkrankenanstalten“ tricksen, aber dies geht nicht unbegrenzt.

Wie soll das umgesetzt werden?

Zunächst wurden im ÖSG 2010 – gegen die Stimme der Österreichischen Ärztekammer – reduzierte Organisationsformen vorgesehen. Im zweiten Schritt soll im Bundes-Krankenanstaltengesetz (KAKuG) der bestehende Spitals-Mindeststandard heruntergefahren werden. Dies soll durch die Möglichkeit, statt Abteilungen sogenannte „neue, reduzierte Versorgungsformen“ (à la „dislozierte Wochen- und Tageskliniken, Zentren, reduzierte Betriebsformen“, etc.) vorzusehen, geschehen. Dies ist nichts anderes als ein Herunterfahren des Status quo, ohne dass es von außen gleich sichtbar ist. Der Bevölkerung soll dies dann als „mehr Flexibilität“, die „maßgeschneiderte Lösungen ermöglicht“, verkauft werden.

Entwurf bereits ausgearbeitet

Das Gesundheitsministerium hat dazu auch bereits einen Gesetzesentwurf in der Lade, der anscheinend bereits zwischen Ländern und Sozialversicherung – und ohne Einbindung der ÖÄK – akkordiert wurde. Eine kritische Durchsicht ergibt folgendes Bild:

1) Bewährte bundeseinheitliche Mindeststandards für Spitäler sollen plötzlich im selben Gesetz ein paar Absätze später wie ein Schweizer Käse durchlöchert, relativiert und damit nach unten geschoben werden. Weiters wird durch die Vielzahl an möglichen reduzierten Betriebsformen und interdisziplinären Mischformen jeglicher Kontrollmöglichkeit der Boden entzogen. Richtigerweise gehören die bestehenden Regelungen eingehalten und kontrolliert anstatt sie herunterzufahren. Der ÖSG sollte u.a. Mindestpersonalausstattungen pro Abteilung vorsehen, statt diese wegzurationalisieren. Dies steht auch völlig im Gegensatz zu den Ankündigungen des Gesundheitsministers, ein einheitliches Spitalsgesetz umsetzen zu wollen.

2) Als logische Folge dieser reduzierten Anforderungen werden dann die medizinischen Leistungen in den Spitälern heruntergefahren. Der Bevölkerung wird aber vorgegaukelt, dass „das Krankenhaus ohnedies erhalten bleibt“. Dies ist jedoch nur richtig, sofern es das Haus an sich betrifft. Nur: Wo Krankenhaus drauf steht, muss richtigerweise auch ein Krankenhaus drin sein!

3) Länder und Sozialversicherung bilden hier eine „unheilige Allianz“ zu Lasten der Patientinnen und Patienten sowie der Ärztinnen und Ärzte (siehe dazu auch Punkt 9).

4) Patientinnen und Patienten bekommen in diesen reduzierten Spitälern nicht mehr das gleiche Leistungsangebot wie vorher, ohne dass ihnen dies kommuniziert wird.

5) Für die jetzt aktiven Spitalsärztinnen und Spitalsärzte wird ein Tätigwerden in diesen reduzierten Spitälern eine berufliche Einbahnstraße. Nach ein apar Jahren besteht wohl keine Möglichkeit mehr, in ein „wirkliches Krankenhaus“ zu wechseln. Dies reduziert die Attraktivität kleinerer Spitäler massiv!

6) Für die künftigen Spitalsärztinnen und Spitalsärzte wird es immer weniger Möglichkeiten zur Ausbildung geben – was sollte in diesen Spitälern, die „heruntergefahren“ wurden, ausgebildet werden?

7) Diese Verwässerung von Organisationsstrukturen führt zu unklaren Zuständigkeiten, unklaren Verantwortlichkeiten und unklaren und unklaren Haftungskonstellationen. Stattdessen sollte man beim bewährten Abteilungssystem bleiben, bei dem jede Abteilung fix einen Leiter vor Ort hat.

8) Interessant ist auch, dass die Patientenanwälte zu diesem Gesetzesentwurf, der eindeutig zu Lasten der Patienten geht, schweigen.

9) Vielleicht ist diese Novelle ja auch – entgegen der klaren Aussagen der Politik in den letzten Jahren – einer der ersten Schritte in Richtung Verlagerung der ambulanten Leistungen weg vom niedergelassenen Bereich hin in die Spitäler.

Besonders ärgerlich ist, dass nun offensichtlich im Gesundheitsbereich, das heißt am falschen Platz, massiv gekürzt werden soll und man gleichzeitig der Bevölkerung vorgaukelt, dass sich ohnehin nichts ändern werde. Gleichzeitig werden aber in anderen Bereichen unseres Landes – Stichworte Pensionsreform, öffentlicher Dienst, Strukturreform, Bundesbahn samt Tunnelprojekten etc. – nach wie vor Milliarden von Euros ausgegeben. Österreich benötigt jedoch mehr Ehrlichkeit und mehr Rationalität auf der Ausgabenseite: Nun ist die Politik gefordert!

*) Dr. Lukas Stärker ist Jurist und Kammeramtsdirektor-Stv. der ÖÄK

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 18 / 25.09.2011