Kärntner Spitäler: Frustfaktor Dokumentation

15.12.2011 | Politik

Fast 50 Prozent ihrer Arbeitszeit verbringen Kärntner Spitalsärztinnen und Spitalsärzte mit Dokumentation und Administration. Dienstpläne, die nicht Arbeitszeitgesetz-konform sind sowie die unzureichende Ausbildung der Turnusärzte sind weitere Frustfaktoren, wie eine aktuelle Studie zeigt.
Von Marion Huber

Die Überlastung der Kärntner Spitalsärztinnen und Spitalsärzte resultiert vor allem aus den langen Arbeitszeiten und dem hohen Dokumentations- und Administrationsaufwand. Das sind die Besorgnis erregenden Ergebnisse einer Studie, die im Auftrag der Ärztekammer Kärnten von der Conclusio PR Beratungs Gesellschaft mbH unter 253 Spitalsärztinnen und Spitalsärzten im Herbst 2011 durchgeführt wurde.

So verbringen Spitalsärzte nur knapp 35 Prozent ihrer Arbeitszeit mit medizinischen Tätigkeiten. Ganze 35 Prozent der Arbeitszeit müssen für Dokumentationstätigkeiten und weitere 12,5 Prozent für Administration aufgewendet werden. Nur knapp 17 Prozent der Arbeitszeit stehen den Spitalsärzten damit für die unmittelbare Tätigkeit am Patienten zur Verfügung.

Dokumentare gewünscht

Der Wunsch nach Entlastung durch einen medizinischen Dokumentar ist bei mehr als 66 Prozent der Befragten sehr stark ausgeprägt. Unter Ärzten in Ausbildung ist dieser Prozentsatz deutlich erhöht; von ihnen wünschen sich sogar mehr als 85 Prozent einen medizinischen Dokumentar. Ein Wunsch, der durchaus verständlich ist, fühlen sich doch mehr als 58 Prozent der Befragten durch die Dokumentationsaufgaben stark frustriert; nur vier Prozent sind damit zufrieden. „Wir fordern daher professionelles Personal für die Dokumentation“, betonte der Präsident der Ärztekammer für Kärnten, Othmar Haas, bei der Präsentation der Ergebnisse.

Auch die Arbeitszeiten geben laut Studie Anlass zur Diskussion: Mehr als 50 Prozent der Befragten sagen, dass der Dienstplan an ihrer Abteilung nicht konform dem Arbeitszeitgesetz ist. Petra Preiß, ärztliche Betriebsrätin am Klinikum Klagenfurt, bestätigt, dass sechs Nachtdienste im Monat und 72 Stunden Wochenarbeitszeit in den Spitälern keine Seltenheit sind: „Diese Mehrarbeiten und Nachtdienste sind bei einem durchschnittlichen Grundgehalt von 3.200 Euro brutto aber die Butter aufs Brot.“

All das bringt auch mit sich, dass sich die Befragten massiv von einem Burnout bedroht sehen: So bewerten immerhin 16 Prozent die Wahrscheinlichkeit, dass sie ein Burnout bekommen – wenn die Dienstpläne in dieser Form aufrecht erhalten werden – mit 81 Prozent oder höher; weitere 21 Prozent sagen, dass dies mit einer Wahrscheinlichkeit von 61 bis 80 Prozent der Fall sein werde. Sechs Prozent der Befragten leiden bereits unter einem Überlastungssyndrom oder stehen kurz davor.

Ausbildung: ungenügend

Besonders schlecht bewertet wird in der Umfrage der Turnus: Fast 45 Prozent der Jungärzte bewerten die Ausbildung an der eigenen Abteilung nur als genügend oder gar als nicht genügend; nur fünf Prozent befinden sie für sehr gut. Turnusärzte können nur knapp 24 Prozent der täglichen Arbeitszeit für ihre Ausbildung nutzen und verbringen mehr als 76 Prozent zur Systemerhaltung.

Angesichts dieser Ergebnisse fordert der Kurienobmann der angestellten Ärzte in Kärnten, Boris Fugger, rasch Verbesserungen: „Vor allem im Hinblick auf die große Burnout-Gefahr in der Berufsgruppe sind Entlastungen dringend nötig.“ Darüber hinaus ist es auch für die künftige medizinische Versorgung in den Kärntner Spitälern unumgänglich, Maßnahmen zu setzen; fehlen doch bis 2015 allein in Kärnten mindestens 100 Spitalsärzte. Haas dazu: „Wird nicht gegengesteuert, kann es hier zu einem Mangel kommen. In Kärnten ist auch die ärztliche Personaldichte die geringste, während sich die Verwaltungsebene im Österreich-Vergleich im oberen Drittel findet.“

Ein von der Ärztekammer Kärnten erstelltes „Sechs-Punkte-Programm“ (siehe Kasten) soll dieser Entwicklung entgegenwirken und die Arbeitsbedingungen der Spitalsärzte nachhaltig verbessern. Haas appelliert abschließend an die Politik und auch an die KABEG (Kärntner Landeskrankenanstalten-Betriebsgesellschaft): „Die Mängel an den Spitälern lassen sich nicht schönreden. Es muss rasch etwas unternommen werden.“

Sechs-Punkte-Programm der Ärztekammer Kärnten

  • Gehaltsstrukturen, die auch ohne übermäßige zeitliche Belastung durch Dienste ein angemessenes Einkommen ermöglichen.
  • Altersangepasste Arbeitszeitregelungen.
  • Verbesserung der Ausbildung der Turnusärzte und Assistenzärzte.
  • Erstellung von Personalplänen, die ein Gesetzes-konformes und durchführbares Arbeiten ermöglichen.
  • Schaffung von Planstellen für medizinische Dokumentare an den Spitalsabteilungen.
  • Beteiligung von mehrheitlichen gewählten Ärztinnen und Ärzten an gesundheitspolitischen und betrieblichen Entscheidungen; u.a. Errichtung eines Ärztebeirates im KABEG-Management.

KABEG-Vorstand unter Druck

Die Diskussionen um die KABEG und deren Vorstand, Ines Manegold, reißen nicht ab: Nach der Unterlassungsklage gegen die Ärztekammer Kärnten sorgt die KABEG nun erneut für Schlagzeilen. Denn ein Sitzungsprotokoll scheint zu belegen, was Manegold stets dementierte: Nach einer Betriebsversammlung am Landeskrankenhaus Klagenfurt im Oktober 2010 wurde der Vorwurf laut, Manegold hätte einen Spitzel in die Versammlung entsandt. Der damalige medizinische Direktor Matthias Angres, der sich dort hinter die Anliegen der Ärzte stellte, wurde nämlich just nach der Versammlung wegen „Vertrauensbruchs“ entlassen. Entgegen allen Dementis unterstreicht ein kürzlich aufgetauchtes Protokoll einer Sitzung der KABEG-Führung diese Vorwürfe. Wörtlich heißt es dort: „Manegold führt aus, dass sie vorsorglich einen Informanten unter den Teilnehmern der Betriebsversammlung entsandt hat, welcher ein Wortprotokoll erstellt hat.“ Ärztekammer-Präsident Othmar Haas fordert nun einen externen Ehrenrat: „Wir Ärztinnen und Ärzte können jedenfalls eine KABEG-Chefin nicht akzeptieren, die im dringenden Verdacht steht, bewusst einen nicht berechtigten Zuhörer in eine Betriebsversammlung geschickt zu haben.“ In solchen Situationen und um den Eindruck maximaler Glaubwürdigkeit herzustellen, bietet sich als Lösung ein Ehrenrat an, der unbefangen und mit dem nötigen Sachverstand heikle Fragen klärt. Ein solcher Schritt wäre umso notwendiger, als das Krankenanstaltenbetriebsgesetz der Vorständin zwar eine riesige Machtfülle zuordnet, aber keine Regeln für Sanktionen bei Fehlverhalten vorsieht. Haas weiter: „Ein Ehrenrat könnte schnell handeln und ein Abschlussbericht in ein paar Wochen vorliegen.“

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23-24 / 15.12.2011