Kärntner Spitäler: Untragbare Zustände!

10.10.2011 | Politik

Das Kärntner Spitalswesen kommt nicht zur Ruhe. Mit einer Informationsoffensive soll die Bevölkerung nun einerseits auf die Missstände aufmerksam gemacht und andererseits die Bedeutung der ärztlichen Arbeit hervorgehoben werden.
Von Marion Huber

Seit dem Frühjahr 2008 herrscht Chaos rund um die Kärntner Krankenanstalten-Betriebsgesellschaft (KABEG), das auch heute noch – drei Jahre später – nahezu an der Tagesordnung steht, Turbulenzen und schlechte Arbeitsbedingungen inklusive. Die Verunsicherung und die Belastung der Spitalsärzte steigen ständig. Besonders am Landeskrankenhaus Klagenfurt, wo viele Ärzte die Zustände schon lange als untragbar bezeichnen, ist die Situation nach wie vor kritisch.

Die Vorgeschichte: Nachdem der Vertrag des damaligen KABEG-Vorstands Franz Sonnberger nicht verlängert wurde, tritt im März 2008 der Grazer Wirtschaftswissenschafter Univ. Prof. Dieter Mandl dessen Nachfolge an. Zu einem brisanten Zeitpunkt wohlgemerkt, als die Errichtung des Neubaus des LKH Klagenfurt im Gange war, erfolgt der Wechsel an der Spitze. Nur zwei Wochen nach seiner Wahl, im Juli 2008, suspendiert der neue Vorstandschef Mandl den kaufmännischen Direktor des LKH Klagenfurt, Herwig Wetzlinger, und wenig später stellt er auch den ärztlichen Direktor, Thomas Koperna, vom Dienst frei. Beiden wirft er Verfehlungen vor.

Schon damals melden sich die Führungskräfte zu Wort: Es ist die Rede von einem „Klima der Angst“ und untragbaren Vorgängen, die rasch beendet werden müssten. Zahlreiche Klagen folgen und die Turbulenzen nehmen kein Ende. Koperna wird rehabilitiert, Mandl vom Aufsichtsrat abberufen und Wetzlinger wieder als kaufmännischer Direktor eingesetzt. Aber auch danach kommen das LKH Klagenfurt und die KABEG nicht zur Ruhe: Im April 2009 fordern Hunderte Spitalsärzte den Rücktritt von Koperna. Acht Ärzte der orthopädischen Abteilung kündigen aufgrund eines lange schwelenden Konflikts mit deren Primar, Matthias Honl. Mitte Juni 2009 wird Thomas Koperna endgültig von Univ. Prof. Peter Lind als medizinischer Direktor abgelöst.

Hoffte man damals noch auf eine Verbesserung des Arbeitsklimas im LKH Klagenfurt und damit auch bei den Rahmenbedingungen insgesamt, lässt die Situation der Kärntner Spitalsärzte jedoch nach wie vor zu wünschen übrig: Dazu zählen die längst überfällige Reform des Gehaltsschemas oder auch die Ausbildung der Jungärzte. Dass sich an der Einkommenssituation der Spitalsärzte besser heute als morgen etwas ändern sollte, zeigt die zunehmende „Flucht“ der Mediziner aus dem Krankenhaus. In keinem österreichischen Bundesland sind die Sondergebühren so niedrig wie in Kärnten; hier bekommt ein Facharzt aus dem Gebührentopf nämlich gerade einmal 700 Euro monatlich, brutto. Einsparungen und reduktive Gesundheitspolitik werden so vor allem an den Spitalsärzten – jenen Personen, die unmittelbar mit den Patienten zu tun haben – betrieben, nicht aber im administrativen Bereich und der Verwaltung. So wird trotz der ohnehin geringen Ärztedichte in den Kärntner Spitälern – sie zählt zu den niedrigsten in Österreich – weiter nach Einsparungspotenzialen gesucht, anstatt die längst fälligen Aufstockungen vorzunehmen.

Maßnahmen sind dringend notwendig. Eine Initiative unter dem Motto „Wir machen keine Politik. Wir machen Sie gesund.“ soll die Bevölkerung auf die Missstände aufmerksam machen und die Bedeutung der ärztlichen Arbeit hervorheben. So werden die Ärzte ein Namensschild mit dieser Botschaft tragen, um der Bevölkerung vor Augen zu halten, dass die ärztliche Arbeitskraft die hohe Qualität der Gesundheitsversorgung garantiert – und nicht etwa die Gesundheitspolitik.

Im Mittelpunkt der Initiative steht ein Manifest der Kärntner Spitalsärzte (siehe Kasten), das sechs Forderungen enthält, die aus Sicht der Ärzte erfüllt werden müssen, um die Gesundheitsversorgung in Kärnten für die Zukunft zu sichern. Um die geleistete Arbeit der Ärzte auch in Zahlen, öffentlich und unübersehbar hervorzuheben, zählt seit Anfang Oktober eine vier Meter breite Uhr die Arbeitsstunden, die Kärntens Ärzte für ihre Patienten leisten. Denn: Um den Patienten auch weiterhin und in ferner Zukunft eine Gesundheitsversorgung auf diesem hohen Qualitätsniveau bieten zu können, müssen bessere Arbeitsbedingungen für Spitalsärzte geschaffen werden, sowohl was Ressourcen, Entgelt und auch Zeit für die Patienten anbelangt.

Forderungen aus dem Manifest der Kärntner Spitalsärzte

  • Das Vertrauen in unser Gesundheitssystem wieder herstellen und erhalten.
  • Die Gesundheitsversorgung gehört in die Hände von kompetenten, politisch ungebundenen Fachleuten.
  • Ärztinnen und Ärzte wissen am besten, was gute Gesundheitsversorgung braucht.
  • Um gute Gesundheitsversorgung zu gewährleisten, muss sichergestellt werden, dass genügend Menschen genügend Zeit für die Betreuung der Patientinnen und Patienten haben.
  • Gute Gesundheitsversorgung erfordert gute Rahmenbedingungen, damit gute Leistungen erbracht werden können.
  • Die Gesundheitsversorgung in Kärnten ist morgen nur gewährleistet, wenn die Ausbildung in höchster Qualität heute garantiert werden kann.

 

 

Interview

Gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen

Mit der geplanten Initiative soll die Bevölkerung auf die Problematik der tristen Arbeitssituation der Kärntner Spitalsärzte aufmerksam gemacht werden, erklärt der Kurienobmann der angestellten Ärzte Kärntens, Boris Fugger, im Gespräch mit Marion Huber.

ÖÄZ: Wieso gibt es jetzt eine Informationsoffensive?

Fugger: Durch den ökonomischen Druck und die wirtschaftliche Situation Kärntens herrscht in der Politik der Grundgedanke, dass man im Gesundheitssystem einsparen muss – das heißt bei der Leistung und beim Personal. Spitalsärzte sollen aber nicht Opfer der Ökonomie werden – die Arbeits- und Ausbildungsbedingungen müssen deshalb dringend verbessert werden, sonst wird die Frustration der Ärzte weiter zunehmen.

Das Chaos rund um das Kärntner Spitalswesen dauert ja nun schon länger an. Wieso also gerade jetzt?
Als das neue KABEG-Gesetz vor einem Jahr installiert wurde, waren 1.400 Angestellte an Protestmaßnahmen beteiligt – das hat nichts bewirkt. Auch die Betriebsversammlung im Herbst hat nichts bewirkt. Es hat ein Forderungspaket an die KABEG gegeben – auch das hat nichts bewirkt. Die Situation verschlechtert sich zunehmend. Jetzt möchten wir mit dieser Initiative die Bevölkerung aufrütteln.

Was ist die Hauptaussage der Initiative, worauf soll in erster Linie aufmerksam gemacht werden?
Die Initiative hat den Sinn, die Bevölkerung darauf hinzuweisen, in welche Richtung sich die Gesundheitslandschaft in Kärnten entwickelt. Wir wollen betonen, dass wir Ärzte Sorgen haben, dass die Gesundheitsversorgung auf längere Sicht in Gefahr ist. Wir wollen die Bevölkerung darauf hinweisen: „Vorsicht, da passiert etwas. Wir sind auf Ihrer Seite, aber Sie müssen uns unterstützen.“ Wir als Ärzte sind eine kleine Minderheit, aber wir haben mit sehr vielen Menschen zu tun – so können wir viel erreichen.

Was will die Ärztekammer damit erreichen? Ist dadurch auch auf ein Umdenken der Politik zu hoffen?
Was wir wollen ist: in mehreren Schritten die Politik erreichen. Zunächst wollen wir eine innere Einheit unter den Ärzten schaffen, also eine Identifizierung mit der Problematik. Danach gibt es einen Stufenplan für die Kommunikation; in einer Petition sind die Forderungen an die Politik exakt definiert und letztendlich ist auch ein Aufbegehren der Bevölkerung denkbar. Alles mit dem Ziel, dieses hochwertige Gesundheitssystem auch in Zukunft zu erhalten, aber auch adäquate Arbeitsbedingungen in Spitälern zu schaffen.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 19 / 10.10.2011