Interview – Vize-Präs. Harald Mayer: KAKuG: „Man täuscht die Patienten“

25.11.2011 | Politik

„Man täuscht die Patienten“

Mit der nun beschlossenen Novelle zum Kranken- und Kuranstaltengesetz (KAKuG) kommt es unter dem Begriff der Flexibilisierung in Wahrheit zur Leistungsreduktion, kritisiert der Kurienobmann der angestellten Ärzte in der ÖÄK, Harald Mayer, im Gespräch mit Agnes M. Mühlgassner.


ÖÄZ: Obwohl die ÖÄK bereits im Begutachtungsverfahren massive Bedenken gegen diese geplante Novelle vorgebracht hat, wurde sie nun doch im Ministerrat beschlossen. Welche Auswirkungen hat das?
Mayer: Es war der politische Wille, das KAKuG trotz der von uns geäußerten Bedenken zu novellieren, und das hat man nun bedauerlicherweise getan.

Was kritisieren Sie konkret?
Das KAKuG kreiert eine Vielzahl neuer Worte wie beispielsweise Tagesklinik oder reduzierte Organisationsform oder Referenzzentrum. Hier werden Wortgebilde geschaffen ohne jegliche Inhalte. In diesen neu benannten Organisationsformen – denn Spitäler im eigentlichen Sinn sind sie ja dann nicht mehr – wird es eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung, so wie wir sie jetzt haben, nicht mehr geben. Es kann zum Beispiel sein, dass ein Augenarzt nur noch zweimal die Woche für ein paar Stunden anwesend ist, also etwa Montag und Mittwoch von 8h bis 12h. Und das war’s dann auch schon. Aber der Bevölkerung sagt man, dass es sich hier um einen Qualitätsschub und um eine Verbesserung in der Versorgung handelt. Das ist doch ein Etikettenschwindel ersten Ranges. Denn damit verschafft sich die Politik die Möglichkeit zur Bevölkerung zu sagen: Was wollt Ihr denn? Es ist ohnehin alles da! Man täuscht damit die Patienten: Die wissen dann nicht mehr, welche Versorgung sie erwartet, wenn sie in ein Krankenhaus kommen. Damit wird sich die Versorgung insgesamt verschlechtern.

Der Minister argumentiert damit, dass es durch das Gesetz zu einer Qualitätsverbesserung und Sicherung der Versorgung in der Peripherie kommt.
Das sind doch nur leere Worthülsen! Was wird denn abgesichert, wenn die fachärztliche Versorgung nicht mehr rund um die Uhr gegeben ist? Ehrlicher wäre es, wenn man sagt: Man verabschiedet sich von der fachärztlichen Rund-um-die-Uhr-Versorgung. Wenn man das will, dann muss die Politik das auch sagen: Es wird zu einer Verknappung des medizinischen Angebots kommen, weil wir es uns nicht mehr leisten können oder nicht mehr leisten wollen.

Welche Auswirkungen haben heruntergefahrene Abteilungen auf Ärzte?
Wir werden in diesen Abteilungen keine Ärzte mehr ausbilden können und dort werden auch keine Ärzte mehr hingehen wollen. Ich habe Angst um die Ausbildung. Wenn die Ärzte ihre Ausbildung in peripheren Krankenhäusern nicht mehr absolvieren können, kommen wir schon allein über diese Schiene in einen Versorgungsmangel. Außerdem wird es an diesen Abteilungen keine Innovationen geben und auch keine Spitzenmedizin.

Haben Sie den Minister darauf aufmerksam gemacht?

Ja, und zwar bei einem persönlichen Gespräch. Er konnte dabei die Argumente, dass es ein Herunterfahren ist, nicht entkräften. Wir haben versucht, ihm das nahe zu bringen und sind damit gescheitert. Außer ein paar Bindewörtern und Beistrichen wurde im Entwurf nichts geändert. Das verärgert und empört.

Es sollen ja sogenannte Erstaufnahmezentren entstehen. Das sollte für die Spitäler ja eine Entlastung sein.
Man versucht, das, woran man 2008 gescheitert ist, einzuführen, nämlich ambulante Versorgungszentren. Aber es ist vorgesehen, dass dort nur Allgemeinmediziner tätig sind. Im Gesetz aber steht, dass die lege artis-Medizin auf Facharzt-Niveau, das heißt durch Fachärzte zu erfolgen hat. Über kurz oder lang wird es wahrscheinlich keinen niedergelassenen Facharzt mehr geben und das ist ganz schlecht, dass man alles in die Spitäler treiben will, und man ihnen aber gleichzeitig vorhält, dass sie so teuer sind. Damit zerstört man die fachärztliche Versorgung im niedergelassenen Bereich.

Wer ist hier Ihrer Ansicht nach die treibende Kraft?

Die Länder haben ein Interesse, ihre Kosten zu minimieren und der Bevölkerung gleichzeitig vorzutäuschen, dass sie auch weiterhin alles bekommt. Die Landespolitik sagt: Alle Spitäler bleiben bestehen – das stimmt ja auch, aber es werden nicht mehr alle medizinischen Leistungen so wie vorher angeboten.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 22 / 25.11.2011