Interview – Univ. Prof. Sabine Oberhauser: ELGA: absolut freiwillig

15.12.2011 | Politik

Die Teilnahme an ELGA muss freiwillig sein, erklärt die Gesundheitssprecherin der SPÖ, Sabine Oberhauser. Darüber hinaus sieht sie in der Anhebung der Qualität der ärztlichen Ausbildung sowie in Jobchancen für angehende Jungmediziner wichtige Schritte, die Situation der Ärzte zu verbessern, wie sie im Gespräch mit Ruth Mayrhofer erklärt.


ÖÄZ: ELGA und E-Medikation werden derzeit höchst kontroversiell – von Begeisterung bis zum Aufruf des Abschaffens – diskutiert. Wie stehen Sie persönlich dazu: Wo sehen Sie Positives, wo Probleme?

Oberhauser: Neuerungen können Verunsicherung hervorrufen und gerade im sensiblen Gesundheitsdatenbereich sind Änderungen sehr behutsam durchzuführen. Gerade aus diesem Grund verlange ich aber von den Entscheidungsträgern und betroffenen Institutionen klare Informationen zu diesem Thema und nicht einseitiges Polemisieren. Rund um die Diskussion über ein ELGA-Gesetz sind derzeit bewusst oder unbewusst leider viele Fehlinformationen verbreitet worden. Aus meiner Sicht sind folgende Eckpfeiler wichtig: Einerseits muss der Datenschutz für die Patienten in einem Ausmaß gegeben sein, das den derzeitigen Gesundheitsdatenschutz übertrifft. Derzeit können zum Beispiel Befunde mittels Fax übermittelt werden, und es ist überhaupt nicht kontrollierbar, wer diese liest. Andererseits muss die Kostenstruktur klar auf dem Tisch liegen und die Handhabbarkeit des Systems für die teilhabenden Gesundheitsberufe einfach und rasch in ihren Arbeitsalltag integrierbar sein. Aber auch die Frage der Haftung muss auf rechtlich sicheren Beinen stehen und es muss sichergestellt sein, dass kein Patient zur Teilnahme an ELGA verpflichtet wird, sondern diese absolut freiwillig geschieht. Besonders erfreulich ist in diesem Zusammenhang, dass sich nach einer aktuellen Umfrage 80 Prozent der Befragten für E-Health aussprechen beziehungsweise es für notwendig erachten.

Wie beurteilen Sie als Ärztin die Situation der heimischen Ärztinnen und Ärzte im stationären beziehungsweise im niedergelassenen Bereich insgesamt?
Sowohl im niedergelassenen als auch im angestellten Bereich wäre es dringend erforderlich, dass vor allem die Tätigkeiten, die den administrativen Bereich betreffen, evaluiert und optimiert werden. Die Zahl der zu versorgenden Patienten steigt ständig, die Krankheitsbilder aber auch Behandlungsmethoden verändern sich und damit auch die Anforderungen an das medizinische Personal. So sind etwa steigende Fälle von Burnout im Dienstleistungsbereich zu beobachten. Hier sind Präventionsmaßnahmen besonders gefragt. Beispielsweise wäre die fixe Etablierung von Arbeitspsychologen als dritte Säule im Bereich des Arbeitnehmerschutz-Gesetzes dringend anzustreben. Die Bestrebungen der Politik, bereits vor dem Entstehen von Krankheiten anzusetzen und Maßnahmen zu entwickeln, die Menschen länger gesund erhalten, sind daher absolut zu unterstützen und führen letztendlich auch zu einer Entlastung aller im Gesundheitsbereich Tätigen.

Die Lage für Ärzte und damit für Patienten ist nicht erst seit heute ernst: etwa durch den drohenden Ärztemangel, die Abwanderung von Ärzten ins Ausland, Überlastung von Spitalsärzten, überbordende Bürokratie. Wie kann möglichst rasch und effizient entgegengewirkt werden?
Ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Situation sowohl für Ärzte als auch für Patientinnen und Patienten ist die Anhebung der Qualität der ärztlichen Ausbildung und der Jobchancen für Jungmediziner in Österreich, denn wir brauchen auch in Zukunft gut ausgebildete Mediziner. Kaum ein Lebensbereich ist so dynamisch wie die Medizin. Daher müssen wir die Ausbildung an die derzeitigen Gegebenheiten anpassen und praxisnäher machen. Der Gesundheitsminister hat bereits Gespräche zur Verbesserung der Ausbildung von Allgemeinmedizinern aufgenommen, um geeignete und gute Rahmenbedingungen zu schaffen.

Besonders Landärzte sind derzeit von der gesetzlichen „Hausapotheken-Regelung“ betroffen. Es wird kaum möglich sein, diese Ordinationen nach dem Wegfall der ärztlichen Hausapotheke nachzubesetzen – oder?
Entscheidend dafür, ob eine ärztliche Praxis nachbesetzt wird oder nicht, darf keinesfalls ausschließlich oder hauptsächlich die Führung einer Hausapotheke sein. Für mich ist es besonders wichtig, dass Arbeitsbedingungen und Einkommen der niedergelassenen Mediziner so gestaltet sind, dass diesen ein Einkommen garantiert ist, das der Ausbildung und ihrer Verantwortung entspricht. In diesem Zusammenhang wird es in Hinkunft auch in der Verantwortung der Vertragspartner Sozialversicherung und Ärztekammer liegen, die Honorarsysteme entsprechend zu gestalten. In der Frage der medikamentösen Versorgung – vor allem auch im ländlichen Raum – ist sicherzustellen, dass vor allem ältere Menschen ohne großen Aufwand zu ihren Medikamenten kommen. Aus meiner Sicht sind daher Öffnungszeiten der Apotheken zu flexibilisieren und Hauszustellungen weiter auszubauen. Insgesamt aber halte ich die derzeitige Situation bestehend aus Hausapotheken und öffentlichen Apotheken grundsätzlich für ein gutes Mischsystem, was aber nicht heißt, dass nicht weiter an Verbesserungen im Interesse der Versorgung der Bevölkerung gearbeitet werden muss.

In Niederösterreich ist vor Kurzem Bewegung hinsichtlich der Versorgung im Fach Kinder- und Jugendpsychiatrie gekommen, der Bedarf ist bekanntlich österreichweit enorm. Was werden Sie tun, um möglichst rasch eine flächendeckende Betreuung zu erreichen?

Einerseits gibt es die Verantwortung, ausreichend Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie auszubilden. Mit dem Erlass der Mangelfachverordnung wurden bereits bessere Voraussetzungen zur Ausbildung geschaffen. Andererseits liegt es in der Verantwortung der Sozialversicherung, die Versorgung im ausreichenden Maß sicherzustellen. In Wien hat beispielsweise die WGKK bereits begonnen, ihr psychotherapeutisches Angebot für Kinder und Jugendliche zu erweitern. Insgesamt leben in Österreich 1,7 Millionen Menschen unter 19 Jahren. Um die Versorgungsqualität für diese Kinder und Jugendlichen zu optimieren, Defizite aufzuzeigen und Lösungen dafür zu finden, hat der Gesundheitsminister den „Kindergesundheitsdialog“ ins Leben gerufen.

Thema Prävention: Sie haben jüngst das neue Kinder-Impfprogramm als besonders gutes Beispiel dafür gelobt. Ansonsten hat man jedoch den Eindruck, dass Prävention auf der gesundheitspolitischen Agenda nicht gerade an einem vorderen Platz rangiert.
Neben dem Kinder-Impfprogramm, von dem 120.000 Kinder profitieren werden, da sie künftig gratis gegen Pneumokokken und Meningokokken geimpft werden, hat der Gesundheitsminister einen Schwerpunkt auf Prävention, vor allem im Bereich der Ernährung gelegt, etwa die Leitlinien für gesunde Schulbuffets. Gesundheitsförderung und Prävention sind gesamtgesellschaftliche Anliegen, daher ist es wichtig, dass auch andere Politikbereiche im Sinne von „Health in all Policies“ ihre Verantwortung für die Gesundheit wahrnehmen, die nicht alleine in den Zuständigkeitsbereich des Gesundheitsressorts fallen. Etwa dort, wo Menschen ein Drittel ihres Lebens verbringen, in der Arbeitswelt, werden nationale Aktionspläne umgesetzt, um Arbeitsplätze gesünder zu gestalten. Aber auch die Krankenversicherungsträger leisten mit der betrieblichen Gesundheitsförderung einen wesentlichen Beitrag für mehr Gesundheit in der Bevölkerung. Auch laufen zahlreiche Projekte des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention. Es gibt keinen ‚großen Wurf’ im Bereich der Prävention, sondern genau diese kleinen Schritte führen hier zum Ziel.

Zum Reformbedarf des heimischen Gesundheitswesens: Was sind für Sie die wichtigsten drei nächsten Schritte, die es konkret umzusetzen gilt? Und wie werden Sie dazu beitragen?
Die vom Gesundheitsminister angekündigten Reformen im Gesundheitswesen sind der richtige Weg und werden dafür sorgen, dass die Leistungen im Gesundheitssystem trotz Wirtschaftskrise weiter ausgebaut werden können. Zur Sicherstellung der langfristigen Finanzierbarkeit einer effektiven und effizienten Gesundheitsversorgung auf hohem Qualitätsniveau sind aus meiner Sicht eine Bündelung der rechtlichen Kompetenzen, die Konzentration und der gezielte und effektive Einsatz der finanziellen Mittel sowie Maßnahmen zur Sicherstellung einer größeren Transparenz im Versorgungssystem notwendig.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 23-24 / 15.12.2011