Interview – Landesrätin Kristina Edlinger-Ploder: Auf Teamwork setzen!

25.04.2011 | Politik

Die steirische Gesundheitslandesrätin Kristina Edlinger-Ploder will in der Gesundheitspolitik mit einem Mehr an Teamwork positive Veränderungen erreichen. Im Interview mit Ruth Mayrhofer erklärt sie, wie sie die hohe Qualität im steirischen Gesundheitswesen aufrecht erhalten will, obwohl 900 Millionen Euro eingespart werden sollen.


ÖÄZ: Sie haben im Oktober 2010 die Ressorts Wissenschaft und Forschung, Gesundheit und Pflegemanagement in der steirischen Landesregierung übernommen und damit – wie es damals in einer Aussendung hieß – den „größten Brocken“ in der steirischen Landespolitik. Wo werden Sie konkret Ihre Prioritäten setzen?

Edlinger-Ploder: In Wissenschaft und Forschung gilt es, die herausragenden Leistungen der Universitäten und der größten steirischen Forschungseinrichtung Joanneum Research und der Unternehmen, die sich in der bundesweit höchsten Forschungsquote widerspiegeln, durch eine weitere Internationalisierung, Fokussierung auf Kernkompetenzen und durch ein Vorantreiben von Kooperationen und Vernetzung zu verteidigen. Im Gesundheitswesen sind es ganz eindeutig die Bündelung und bessere Abstimmung in der Gesundheitsvorsorge und die längst überfälligen Maßnahmen im Regionalen Strukturplan Steiermark (RSG). Sowohl bei den Spitälern wie in der Pflege gilt der Grundsatz: Ambulant vor stationär.

Wie stehen Sie zum in Diskussion befindlichen „Masterplan Gesundheit“, wie vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger vorgeschlagen und dabei insbesondere zum im Vorschlag enthaltenen „Konsolidierungskurs des Spitalswesens“?
Zum Thema Konsolidierungskurs gibt es ein Papier des Bundes, vorgelegt von Minister Stöger, ein Papier des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger und ein Papier der Länder. Viel Papier also. Dieses umfassende Paket soll Teil der Gespräche sein und im nächsten Finanzausgleich seinen Niederschlag finden. Dem Konzept einer gemeinsamen Planung, Steuerung und Qualitätssicherung auf Bundesebene kann ich etwas abgewinnen, das wäre eine qualitative Weiterentwicklung der Landes-Gesundheitsplattformen. Sichergestellt sein muss jedoch, dass die Länder nicht alleine die Rechnung zahlen.

Eine IFES-Umfrage unter steirischen Ärzten zeigte im vergangenen Sommer auf, dass deren Arbeitssituation in den Spitälern als höchst belastend bezeichnet werden kann. Stichworte dazu: lange Arbeitszeiten, Arbeitsintensität, Zeitdruck. Wie könnte Ihrer Meinung nach diese Situation verbessert werden?
Eine Antwort heißt „Teamwork“. Zu viele, personell „sparsam“ ausgestattete Abteilungen erhöhen den Leistungsdruck. Mit der Zusammenlegung und Verlagerung von Abteilungen verfolgen wir das Ziel, in etwas größeren und fachlich gut strukturierten Einheiten die Ressourcen besser zu verteilen. Ich denke auch an die Umsetzung einer langjährigen Forderung der Ärztekammer, dass Ärzte und Ärztinnen ab dem 55. Lebensjahr von anstrengenden Nachtdiensten befreit werden.

Auch in der Steiermark wird es über kurz oder lang zu Nachwuchs-Problemen insbesondere in der landärztlichen Versorgung kommen. Welche Schritte könnten Sie setzen, um die Lage nachhaltig zu entschärfen?
Ich sehe keine Nachwuchsprobleme: Für 11.500 Bewerber gibt es nur rund 1.500 Studienplätze an den österreichischen Medizinunis. Was ich sehe, ist ein Versorgungsproblem mit niedergelassenen Ärzten an der Peripherie. Hier setzen wir in einem zweiten Schritt des RSG an und wollen eine Verbesserung der Zusammenarbeit der Krankenanstalten mit dem extramuralen Bereich. Das kann ich aber nicht alleine lösen, da müssen wir Ärztekammer und Sozialversicherungen ins Boot holen.

Als zweifache Mutter können Sie sicherlich nachvollziehen, dass gerade Ärztinnen in Krankenhäusern beziehungsweise in der niedergelassenen Praxis es schwer haben, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Welche Konzepte schweben Ihnen vor, um hier Erleichterungen zu bringen?

Hier sind einige Samen der Entwicklungen aufgegangen, wenn ich an die Kinderbetreuung im LKH Graz denke, an flexiblere Arbeitszeiten und soziale Maßnahmen für Familien und Alleinerzieher. Es gilt hier, Erfolgsmodelle einfach weiter auszubauen. Die wichtigste Maßnahme sehe ich aber im privaten partnerschaftlichen Bereich: Mutter und Vater müssen sich gleichermaßen um Erziehung, Betreuung und Bildung bemühen.

Die Debatte um eine bedarfsorientierte Ausrichtung von Krankenanstalten ist auch an der Steiermark nicht vorübergegangen. Welche diesbezüglichen Pläne verfolgen Sie?
Paradox ist, dass gerade der Zwang zum Sparen erstmals den politischen Konsens für primär fachlich notwendige Strukturreformen geebnet hat. Wenn ich die Eckpunkte umreiße, sind es vor allem die Anpassung der Versorgungsstrukturen und die Effizienzsteigerung, die Patientenwohl wie Sparsamkeit dienlich sind. Die Aufteilung der Spitäler werden klar verteilt, Kooperationen werden gestärkt und Spezialisierungen forciert. Wir werden die Kooperation zwischen der stationären und ambulanten Versorgung vertiefen, die Tages- und Wochenchirurgie ausbauen und unter anderem in peripheren Häusern die Versorgung mit Spezialfächern wie HNO, Urologie, Dermatologie oder die kinderärztliche Betreuung stärken. Eine Vollversorgung in mehreren Fächern in jedem peripheren Haus ist weder medizinisch sinnvoll noch finanziell möglich. Mit dem neuen RSG ist es jedoch möglich, die regionale Facharztversorgung zu verbessern, die Patientenwege zu reduzieren und eine gesicherte, wohnortnahe und abgestimmte Basisversorgung zu gewährleisten. An jedem Spitalstandort bauen wir über 24 Stunden eine ambulante Erstversorgungseinheit nach internationalem Standard mit Notfallmedizinern auf. Dem „Gesunden“ ist das Spital um die Ecke wichtig; dem, der medizinischer Hilfe bedarf, ist die bestmögliche Versorgung wichtig. Diesem Bedürfnis haben wir Rechnung zu tragen.

Stichwort Einsparungen bei Spitälern: Das Landesbudget beträgt insgesamt rund fünf Milliarden Euro; eingespart werden sollen ausgabenseitig in mehreren Tranchen 900 Millionen. Wie kann das ohne Kürzungen bei den Leistungen beziehungsweise bei der medizinischen Versorgung gehen?
Das Beharren auf alten Strukturen und Systemen bedeutet ja nicht die bestmögliche medizinische Versorgung für die Patienten. Gerade um die sehr hohe Qualität und hohen Leistungsstandards im steirischen Gesundheitssystem trotz der engen Budgetvorgaben halten zu können, ist es notwendig, rechtzeitig die dafür erforderlichen Maßnahmen einzuleiten. Einsparungen ohne eine Verschlechterung für die Patienten in Kauf zu nehmen sind möglich, wenn die Aufgaben der Häuser klar verteilt sind, Strukturvoraussetzungen für die Konzentration von Spezialkompetenzen bei gleichzeitiger Entlastung der zentralen Häuser von der Standardversorgung geschaffen werden, die tages- und wochenklinischen Leistungen ausgebaut und eine vertiefte Kooperation zwischen der stationären und ambulanten Versorgung (ambulant vor stationär) gesichert werden. Ein wesentlicher Beitrag zum Einsparungsbeitrag aus dem Gesundheitsbereich wird auch durch die Evaluierung im Investitionsbereich erzielt. Das bedeutet nicht nur Verschiebungen nach hinten, sondern auch neue oder vorgezogene Investitionen, die sich später in der Struktur durch Kosteneinsparungen niederschlagen.

Zur Person

Mag. Kristina Edlinger-Ploder
Geboren 1971, zwei Kinder

Studium der Rechtwissenschaften an der KFU Graz

Während des Studiums: Erfahrungen in Gastronomie und Marketing in Österreich, Deutschland, Schweiz

1996: Sponsion zur Mag. iur.
1996-1998: Mitarbeit zum Aufbau eines Handelsunternehmens
1998: Eintritt in das Büro von Landeshauptfrau Waltraud Klasnic mit Schwerpunktarbeit in den Bereichen Schulen, Europa, Soziales, Energie und Gemeindeangelegenheiten
2000-2006: Mitarbeit am Generalverkehrsplan und an den Vorbereitungen rund um die EU-Erweiterung
2002: Büroleitung Landeshauptfrau Klasnic
8.4.2003: Landesrätin für Bildung
4/2002-10/2005: zusätzlich Landesrätin für Finanzen
10/2005: Landesrätin für Wissenschaft und Forschung, Verkehr und Technik
Seit 8.5.2010: Leiterin der Frauenbewegung in der Steiermark
Seit Oktober 2010: Landesrätin für Wissenschaft und Forschung, Gesundheit und Pflegemanagement

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 8 / 25.04.2011