Inter­view – Dr. Katha­rina Gor­don: Valide Daten gewinnen!

10.06.2011 | Politik

Das ist das vor­ran­gige Ziel der Online-Befra­gung unter Tur­nus­ärz­ten, wie die Obfrau der Bun­des­sek­tion Tur­nus­ärzte, Katha­rina Gor­don, im Gespräch mit Ruth Mayr­ho­fer erklärt.


ÖÄZ: Wie haben Sie Ihren eige­nen Tur­nus erlebt?

Gor­don: Ich habe meine Aus­bil­dung sowohl an einer klei­nen als auch an einer gro­ßen Kli­nik absol­viert und dabei die unter­schied­lichs­ten Ein­bli­cke gewon­nen: An jeder Abtei­lung herr­schen ‚andere Gesetze’, was die Umset­zung des Tur­nus­ärzte-Tätig­keits­pro­fils, also die Aus­füh­rung und Dele­ga­ti­ons­mög­lich­keit von Arzt-frem­den Auf­ga­ben, betrifft. Die Abtei­lungs­lei­ter haben ihre Aus­bil­dungs­ver­ant­wor­tung teils gewis­sen­haft, teils äußerst man­gel­haft wahr­ge­nom­men. Oft wer­den Kol­le­gen auch unper­sön­lich als ‚Durch­lauf­pos­ten’ behan­delt, die sowieso in drei Mona­ten wie­der die Abtei­lung ver­las­sen. Im Gegen­teil dazu habe ich auch Aus­bild­ner erlebt, die ihren Auf­trag neben dem Kli­niks­tress sou­ve­rän erfüllt haben. Zu Beginn mei­ner Aus­bil­dung war es weit ver­brei­tet, Arbeits­zei­ten jen­seits der gesetz­lich erlaub­ten zu absolvieren.

Was hat sich seit­her ver­än­dert?
Mit der ‚Schär­fung’ des Kran­ken­an­stal­ten-Arbeits­zeit­ge­set­zes, der Durch­füh­rung zahl­rei­cher Kon­trol­len und sogar Ver­hän­gung von Stra­fen sind die Arbeits­zeit­über­schrei­tun­gen zurück­ge­gan­gen. Ins­ge­samt ist das Bewusst­sein für die Not­wen­dig­keit einer guten All­ge­mein­me­di­zin­aus­bil­dung gewach­sen. In zahl­rei­chen Gesprä­chen mit dem Gesund­heits- und auch dem Wis­sen­schafts­mi­nis­te­rium ist der posi­tive Wille einer Tur­nus­re­form – mit Ver­bes­se­run­gen für die Tur­nus­ärzte! – zu spü­ren. Auch kommt man end­lich von der Idee weg, dass jeder Fach­arzt zusätz­lich eine voll­stän­dige Tur­nus­aus­bil­dung zum Arzt für All­ge­mein­me­di­zin machen muss. In Zukunft sol­len nur noch die Ärzte den Tur­nus absol­vie­ren, die wirk­lich All­ge­mein­me­di­zi­ner wer­den wol­len und nicht wie bis­her auch die Kol­le­gen, die eine Fach­arzt­aus­bil­dung eines Son­der­fa­ches anstre­ben. Ein Mei­len­stein ist auch der seit 1.1.2010 gül­tige Kol­lek­tiv­ver­trag für in Lehr­pra­xen tätige Tur­nus­ärzte, der ein Min­dest­ent­gelt sichert. Die skan­da­lö­sen Miss­stände, unter denen frü­her Kol­le­gen auch gra­tis gear­bei­tet haben, sind damit Geschichte. Betref­fend der Pro­ble­ma­tik rund um den berufs­frem­den Ein­satz von Tur­nus­ärz­ten gibt es zahl­rei­che Pilot­pro­jekte, die sich die Umset­zung des Tur­nus­ärzte-Tätig­keits­pro­fils zur Auf­gabe gemacht haben. Man­ches hat sich dau­er­haft ver­än­dert, ande­res ist wie­der der Rou­tine zum Opfer gefal­len. Pro­ble­ma­tisch ist, dass viele Infor­ma­tio­nen nicht an die Ärz­te­kam­mer durch­drin­gen und fall­weise bei Mel­dung inner­halb des Kran­ken­hau­ses als ‚Ein­zel­schick­sal’ abge­tan wer­den. Durch den bun­des­wei­ten Ver­gleich der Eva­lu­ie­rungs­da­ten wird nun ein Instru­ment geschaf­fen, diese Pro­blem­fel­der auf­zu­de­cken und Lösungs­vor­schläge zu ent­wi­ckeln.

Wel­che Ver­än­de­run­gen oder Refor­men müss­ten Platz grei­fen, um diese Pro­bleme mög­lichst aus der Welt zu schaf­fen?
Das bereits im Jahr 2000 von der ÖÄK erstellte Tur­nus­ärzte-Tätig­keits­pro­fil muss end­lich gesetz­lich ver­an­kert wer­den, damit es zu einer kon­se­quen­ten Anwen­dung kommt – auf allen Abtei­lun­gen! Dazu gehört auch mehr Zeit für Aus­bil­dung: für Tur­nus­ärzte und für Aus­bild­ner! Ebenso die ver­pflich­tende Lehr­pra­xis – Absol­vie­rung im nie­der­ge­las­se­nen Bereich – nach finan­zi­el­ler Siche­rung! Und auch fami­li­en­freund­li­che Aus­bil­dungs­mo­delle: 60 Pro­zent der Kol­le­gin­nen sind Frauen!

Wie kön­nen Ihrer Mei­nung nach Tur­nus­ärzte in ihrem eige­nen Umfeld dazu bei­tra­gen, um Defi­zite zu ver­bes­sern oder sogar aus­zu­räu­men?
Indem sie kon­se­quent nach jedem Abtei­lungs­wech­sel den Eva­lu­ie­rungs­bo­gen beant­wor­ten. Dadurch ent­steht eine wert­volle und durch­aus bri­sante Daten­bank! Das beson­dere an unse­rer Umfrage ist, dass eine bun­des­weite Ver­gleich­bar­keit der Ergeb­nisse mög­lich ist und jeder Tur­nus­arzt seine absol­vierte Abtei­lung bedingt durch den Zugangs­code nur ein­mal bewer­ten kann. Ein gro­ßer Rück­lauf an Eva­lua­ti­ons­bö­gen ist essen­ti­ell, damit wir valide Daten gewin­nen kön­nen. Mit Hilfe die­ser erho­be­nen Infor­ma­tio­nen ist es den Län­der­kam­mern dann mög­lich, mit den schlecht bewer­te­ten Abtei­lun­gen in Kon­takt zu tre­ten, auf diverse Män­gel auf­merk­sam zu machen und Lösungs­vor­schläge zu ent­wi­ckeln. Auch müs­sen enga­gierte Abtei­lun­gen für gute Aus­bil­dungs­qua­li­tät ent­spre­chend aner­kannt werden!

© Öster­rei­chi­sche Ärz­te­zei­tung Nr. 11 /​10.06.2011