Handys und Krebsrisiko: Exposition reduzieren!

25.06.2011 | Politik


Handys können möglicherweise Krebs auslösen – wie eine Risikobewertung der International Agency for Research on Cancer (IARC), einer Teilorganisation der WHO, ergab. Aufklärung ist daher unerlässlich, besonders an Schulen, betonten Experten bei einer Pressekonferenz der Wiener Ärztekammer im Juni in Wien.

Von Marion Huber

Dass die Österreichische Ärztekammer eine Vorreiterrolle beim Thema Handy und Krebs einnimmt und schon vor Jahren die Bedeutung der Vorsorge erkannt hat, betonte ÖÄK-Präsident Walter Dorner bei der Pressekonferenz im Juni: „Die ÖÄK hat den Präventionsgedanken seit Jahren apostrophiert und daher auch schon 2005 die ‚10 medizinischen Handy-Regeln’ herausgegeben.“ Obwohl die Mobilfunkbetreiber jegliches potentielle Gesundheitsrisiko weiterhin kategorisch abstreiten und durch Werbung ein positives Image des Handys vermitteln, müsse der Vorsorgegedanke wieder in den Vordergrund gerückt werden, so Dorner weiter. „Die Prävention darf nicht den wirtschaftlichen Interessen geopfert werden!“

Es gäbe sehr wohl einen klaren Zusammenhang zwischen Handynutzung und Krebsrisiko, erklärte Univ. Prof. Michael Kundi, Leiter des Instituts für Umwelthygiene der Medizinischen Universität Wien. „Das Risiko für einen Hirntumor steigt um etwa 70 Prozent, wenn man zehn oder mehr Jahre mit dem Handy telefoniert“, so Kundi. Bei einer Latenzzeit der Hirntumoren von 20 bis 40 Jahren könne das tatsächliche Risiko aber noch nicht eingeschätzt werden, da bisher nur Studien mit kurzer Beobachtungsdauer (im Durchschnitt vier Jahre) existieren. Kundi dazu: „Wenn das Risiko bei so kurzer Beobachtungsdauer bereits dermaßen hoch ist, könnte das langfristige noch viel höher sein.“

Wissenschaftlich gesehen gebe es zwar nicht den letztgültigen Beweis dafür; es sei aber die Evidenz dicht genug, um Maßnahmen zu setzen, wie Univ. Prof. Wilhelm Mosgöller vom Institut für Krebsforschung der Medizinischen Universität Wien ausführte. Denn bevor man Gewissheit über das Risiko habe, würden noch zehn bis 20 Jahre vergehen. „Bis dahin sind Vorsorge-Strategien unerlässlich, um das persönliche Risiko zu minimieren. Das Votum der WHO ist primär ein Auftrag an die Politik. Es ist also nicht der Auftrag an die Bevölkerung, alle Handys sofort einzustampfen, sondern vielmehr, die Exposition dort zu reduzieren, wo man es persönlich kann“, konstatierte er. Auch der ÖÄK-Präsident betonte die Bedeutung der Vorsorge: „Die Empfehlung der WHO und des Europäischen Rates ist für mich als Arzt wichtig genug, um die Menschen über Prävention aufzuklären.“

Aufklärung gefordert

Erik Huber, Referent für Umweltmedizin der Ärztekammer für Wien, präsentierte in diesem Zusammenhang die „10 Forderungen der Ärztekammer“ (siehe Kasten) und verdeutlichte dadurch die Verantwortung von Politik, Medien und Industrie: „Wir sind gefordert, entsprechende Aufklärung in den Schulen und in der Bevölkerung nun auch umzusetzen. Denn bisher hat die Aufklärung völlig versagt. Es ist Aufgabe von uns allen, auch von uns Ärzten, die Patienten aufzuklären.“ Wäre ein größeres Risikobewusstsein vorhanden, würden die Abmeldungen des Festnetzes nicht stetig steigen; auch die Verwendung von UMTS-Sticks anstelle von Kabel-gebundenem Internet wäre nicht so hoch, gab Huber zu bedenken. „Denn auch Schnurlos-Telefone und UMTS-Sticks erhöhen das Risiko für Gehirntumore. Und über das Risiko für andere Körperregionen, wie Prostata und Eierstöcke oder den Magen-Darm-Trakt, weiß man noch gar nichts Genaues.“

Wie aber kann man dieser Entwicklung entgegenwirken? „Die Strategie der Wiener Ärztekammer ist es, den Einzelnen darüber aufzuklären, was er tun kann, um sein persönliches Risiko zu reduzieren“, so Huber. Die Freisprechfunktion oder ein Headset zu benutzen, das Handy nicht am Körper zu tragen und generell weniger und kürzer zu telefonieren, wären solche einfachen Maßnahmen. Der sichere Umgang mit Handys steht im Vordergrund. „Es geht darum, das Gesundheits-schädliche Dauertelefonieren hintanzuhalten. Wenn wir nicht umdenken und umlernen, werden sich die Folgen der Seuche, die das Handy-Telefonieren jetzt schon darstellt, bei den Kindern zeigen“, appellierte Dorner abschließend.

Die „10 Forderungen der Ärztekammer“

  1. Werbeverbot mit Zielgruppe Kinder/Jugendliche bzw. Hinweis auf Gesundheitsgefahren am Ende jeder Werbung
  2. Kennzeichnung des SAR-Wertes (max. Belastung auf den Körper)
  3. Schulung von Lehrern über das Risiko
  4. Attraktivität von Festnetz erhöhen (Flatrates bei Festnetz statt Mobilfunk)
  5. Festnetz-Telefonieren muss billiger sein als Handy-Telefonieren
  6. Warnungen vor mobilem Internet
  7. Implementierung von Unbedenklichkeitsprüfungen vor Einführung neuer Technologien
  8. Einführung des „ALARA-Prinzips“ (as low as reasonably achievable) bei Mobiltelefonen, Schnurlos-Telefonen und WLAN
  9. Schaffung einer Reserve für spätere Schadenersatzforderungen
  10. Förderung einer von der Industrie unbeeinflussten Forschung

Tipp:

Die „10 medizinischen Handyregeln“ gibt es unter www.aekwien.at/media/Plakat_Handy.pdf kostenlos zum Download

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 12 / 25.06.2011