ELGA: Freiwilligkeit als Prinzip

25.11.2011 | Politik

Unterstützung für ihre Forderung nach der freiwilligen Teilnahme von Ärzten und Patienten erhält die ÖÄK vom Datenschützer Hans Zeger. Dass vor allem bei der Sicherheit gespart werden könnte, sieht er als eine der größten Gefahren.
Von Agnes M. Mühlgassner

Die Eile, mit der das ELGA-Gesetz nun auf den Weg gebracht werden soll, ist für den Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in der ÖÄK, Günther Wawrowsky, nicht nachvollziehbar. „Mitten in den Verhandlungen zu diesem Gesetz werden plötzlich Termine für den Ministerrat bekannt gegeben“, berichtet er. Er nennt drei zentrale Punkte, die gegen ELGA sprechen:

Kritikpunkt Nr. 1: Der geplante Teilnahmezwang für Patienten. Wawrowsky: „Wenn der unkomplizierte Zugang von bis zu 100.000 Berechtigten möglich sein soll, kann man sicher sein, dass sich auch manche finden werden, die mit diesen höchst persönlichen Informationen nicht nur Gutes anstellen.“

Kritikpunkt Nr. 2: Der Teilnahmezwang für Ärzte. Wawrowsky dazu: „Niemand weiß, was das alles kostet, aber die Strafen, wenn man nicht mitmacht, stehen schon fest: nämlich 10.000 Euro für den Arzt.“ Sein Alternativvorschlag: die freiwillige Teilnahme an ELGA – sowohl für Ärzte als auch Patienten.

Kritikpunkt Nr. 3: Der fragliche Nutzen. Die Frage, wer von ELGA in medizinischer Hinsicht profitiert, beantwortet Wawrowsky wie folgt: „Als würde Medizin jetzt gar nicht funktionieren. Es geht hier höchstens um Akutfälle.“

Das Argument der Kostenersparnis – Stichwort Doppelbefundungen – die ELGA-Befürworter immer wieder ins Treffen führen, kann Wawrowsky nicht nachvollziehen: „Doppelbefundungen gibt es kaum noch. Es gibt Kontroll-Untersuchungen im Verlauf einer Erkrankung, und die werden wir weiterführen.“ Was ihn zu einer weiteren Frage veranlasst: „Hat dieses Gesundheitssystem keine anderen Sorgen?“ So gebe es etwa beim MUKIPA keine einzige neue Leistung; das Land habe kein Geld für die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung und noch vieles mehr. „Aber Geld für ein System mit einem mehr als fraglichen Nutzen ist vorhanden“, so Wawrowsky.

Für Datenschützer Hans Zeger von der ARGE Daten ist ELGA ein „komischer Kompromiss. Niemand weiß, ob und wie es funktioniert und ob es vollständig ist“. Und weiter: „Bei ELGA stehen wir vor einer Richtungs-Entscheidung: Die EU verlangt ELGA nicht. Sie setzt sehr stark auf Telemedizin.“ Worum es der EU geht, sei eine Steigerung der Effizienz durch die Nutzung der Telemedizin.

Zeger, der sich seit 22 Jahren mit der Verwendung von Daten im Gesundheitsbereich beschäftigt, sieht bei ELGA grundsätzlich ein Problem im Bereich des Datenschutzes. So heißt es etwa in der Datenschutz-Richtlinie der europäischen Gemeinschaft: Die Grundrechte und die Privatsphäre der Bürger sind zu schützen. Hier könne der Gesetzgeber eingreifen. „ELGA ist so ein Eingriff, aber es bedarf eines ‚notwendigen Zwecks’ – und nur in gelindestem Maß, genau das vermisse ich bei ELGA.“ Im ELGA-Gesetz fänden sich nur sehr „pauschale und allgemeine“ Formulierungen, so die Kritik von Zeger. „Eine bloße Kostenersparnis ist kein zulässiger Eingriff in die Privatsphäre“, betont er nachdrüchlich. Für eine ordentliche IT seien außerdem eine ordentliche Analyse und ein Umsetzungskonzept erforderlich.

Auch entspreche das vorliegende Sicherheitskonzept nicht dem Stand der Technik. So wurden im 2005 eingeführten Telematik-Gesetz „einige vernünftige Aspekte“ (Zeger) zur Sicherheit der Kommunikation hineingeschrieben. „Sechs Jahre später ist fast nichts geschehen“, so sein Resümee. „Das ELGA-Gesetz kann die Basis-Zuverlässigkeit der IT nicht garantieren.“ Abstrakt gesehen könne man Systeme sehr sicher machen. Zeger dazu: „Aber: Erstens: je sicherer, umso teurer ist es und zweitens: je sicherer, umso umständlicher wird es.“ Eine der größten Gefahren bestehe seiner Ansicht nach darin, dass bei diesem Aspekt gespart werde.

Und auch die Datenmengen – pro Jahr sei in ELGA von rund 100 Millionen Befunden auszugehen – stellen laut dem Datenschützer ein Problem dar. Denn weltweit gibt es kein einziges solches System dieser Größenordnung – weder im Gesundheitsbereich noch sonst irgendwo. Die Folge von ELGA: „Aus kleinsten Behandlungsschritten würde ein ganz komplizierter Prozess“, so das Fazit von Zeger.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 22 / 25.11.2011