E-Medikation: Top oder Flop?

10.04.2011 | Politik

Mit dem Anfang April erfolgten Projektstart der E-Medikation geht die erste Teilanwendung von ELGA in Betrieb. Vorrangiges Ziel dabei ist die Patientensicherheit. Ob die E-Medikation allerdings die in sie gesetzten hoch gesteckten Erwartungen erfüllen kann, ist abzuwarten.
Von Agnes M. Mühlgassner

Eigentlich hätten die Pilotprojekte für die E-Medikation ja schon im Herbst 2010 beginnen sollen. Dass der Start erst jetzt erfolgt – eigentlich sollten schon die Ergebnisse der Evaluierung vorliegen – zeigt, dass es bei der Realisierung doch größere Probleme gab als ursprünglich angenommen. So erwies es sich beispielsweise in Wien als nahezu unmöglich, Ärzte für die Teilnahme am Pilotprojekt zu gewinnen. Und bei genauerer Betrachtung zeigen sich da wie dort noch offene Fragen: etwa jene der Finanzierung oder aber auch die Tatsache, dass mögliche Lücken in der Dokumentation zu einer unüberwindbaren Hürde bei der praktischen Anwendung werden könnten.

In Wien (in den Bezirken Floridsdorf und Donaustadt), Oberösterreich (Wels-Stadt, Wels-Land, Grieskirchen und Eferding) sowie Tirol (Reutte, Imst und Landeck) mit insgesamt rund 500.000 Versicherten haben sich etwa 100 niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, 50 öffentliche Apotheken und sechs Krankenanstalten freiwillig zur Teilnahme bereit erklärt. Bei der E-Medikation werden alle verordneten Medikamente inklusive OTC-Produkte erfasst – sofern der Patient vorab schriftlich seine Einwilligung erklärt hat. Auf der E-Card selbst werden keine Daten gespeichert; sie dient lediglich als „Schlüssel“, der einen Zugang zu dem auf einem Server gespeicherten Daten ermöglicht.

Die Evaluierung aus den drei Pilotregionen soll Ende des ersten Quartals 2012 erfolgen; ein Rollout auf ganz Österreich ist für das dritte Quartal 2012 vorgesehen. Die mit rund 3,5 Millionen Euro bezifferten Kosten für die Projektentwicklung teilen sich zu je einem Drittel Bund, Länder und die Sozialversicherung.

Bei der Präsentation zeigten sich die Projektpartner Gesundheitsministerium, Sozialversicherung, Ärzte- und Apothekerkammer erfreut, dass es nun endlich an die Realisierung des Projekts E-Medikation gehe. Gesundheitsminister Stöger etwa bezeichnet es als „Einstieg in die Gesundheitstelematik“; er sieht Österreich überdies als einen Vorreiter in der Europäischen Union. Hans Jörg Schelling, Vorstandsvorsitzender im Hauptverband der Sozialversicherungsträger, spricht gar von einem „Durchbruch“, der nun mit der lückenlosen Erfassung der vom Arzt verschriebenen Medikamente sowie der Überprüfung von Nebenwirkungen und Wechselwirkungen möglich ist. Immerhin gibt die Sozialversicherung jährlich rund drei Milliarden Euro für Arzneimittel aus.

Univ. Prof. Bernhard Tilg – der Tiroler Gesundheitslandesrat ist Vorsitzender des Projektlenkungsausschusses – erwartet sich von der E-Medikation unter anderem ein Kostendämpfungspotential sowie mehr Sicherheit für den Patienten. Letztere erhofft sich auch ÖÄK-Präsident Walter Dorner, wenn er das Projekt insgesamt doch mit einiger Skepsis betrachtet. Hans Jörg Schelling erachtet es als „wichtig“, dass Versicherte darüber entscheiden können, welche Medikamente sichtbar sind oder nicht. Für Walter Dorner hingegen ist dies eine der Schwachstellen im derzeit vorliegenden Konzept der E-Medikation: „Hier können Dokumentations-Lücken entstehen. Es muss aus rechtlicher Sicht klar gestellt werden, dass Ärzte nicht die Haftung für Lücken in der Medikamentendokumentation übernehmen könne, für die der Patient verantwortlich ist“.

Neuerlich betonte der ÖÄK-Präsident, dass auch die Zugriffsberechtigung auf einen bestimmten Personenkreis, nämlich auf medizinisches Personal in Ordinationen und Spitälern, beschränkt sein müsse. Erfahrungen aus den skandinavischen Ländern zeigten, dass dort mehrere Tausend Personen auf die Daten zugreifen könnten. Der Gesundheitsminister garantierte in diesem Zusammenhang, dass es „keinen Datentransfer zu irgendwelchen Behörden geben wird“. Dorner plädierte des Weiteren dafür, dass – wenn eine Medikation abgesetzt wird – die Daten nach sechs Monaten gelöscht werden. Und der ÖÄK-Präsident ortet auch bei der technischen Ausstattung Probleme: „Hier hapert es noch“. Gibt er dem Projekt E-Medikation insgesamt eine Chance? „Ob es ein Top oder ein Flop wird, wird man in einem halben Jahr sehen“, so Dorner.

Für den Präsidenten der Österreichischen Apothekerkammer, Heinrich Burggasser, ist vor allem wichtig, dass die Freiwilligkeit gegeben ist und dass der Datenschutz eingehalten wird und räumt gleichzeitig ein, dass „das eine oder andere auftauchen wird, was man nachbessern wird müssen“.

Diskussion über Projektvergabe

Die Diskussion rund um die Vergabe des Projekts an die Pharmazeutische Gehaltskassa sieht Schelling „gelassen“. Ein privater Anbieter aus Tirol wirft dem Hauptverband vor, dass die für die E-Medikation notwendige Arzneimitteldatenbank vom Österreichischen Apothekerverlag zur Verfügung gestellt werde, ohne dass das Pilotprojekt EU-weit ausgeschrieben worden sei. Schelling weiter: „Es handelt sich um einen Vertrag zwischen zwei öffentlich-rechtlichen Körperschaften, dem Hauptverband und der Gehaltkasse der Apotheker.“ Derzeit befasst sich das Bundes-Vergabeamt mit dem Verfahren; dem Hauptverband droht eine Klage beim Höchstgericht.

Tipp:

Eine aktuelle Liste aller teilnehmenden Ärzte, die bereits mit der E-Medikations-Software ausgestattet sind, gibt es unter www.chipkarte.at/e-medikation. Weiters steht hier auch das Formular „Zustimmungserklärung“ zum Download zur Verfügung.

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 7 / 10.04.2011