Ergebnisse der Burnout-Studie: Kampf gegen das „Ausbrennen“

25.04.2011 | Politik



Es ist fünf vor zwölf: Erstmals zeigen wissenschaftlich erhobene Daten auf, dass knapp 54 Prozent der österreichischen Ärzte sich in unterschiedlichen Phasen des Burnout befinden. Die ÖÄK fordert eindringlich Gegenstrategien.

Von Ruth Mayrhofer

Das Projekt ist weltweit einzigartig: Im Auftrag der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) hat die Universitätsklinik für Psychiatrie der Medizinischen Universität Graz eine wissenschaftliche Studie durchgeführt, die die aktuelle Burnout-Gefährdung der heimischen Ärzteschaft durchleuchtet. Die Studie unter der Leitung von Univ. Prof. Peter Hofmann wurde von November 2010 bis Februar 2011 als Online-Umfrage durchgeführt. An dieser beteiligten sich 6.249 Ärzte.

Das Ergebnis ist beunruhigend: Knapp 54 Prozent der Befragten befinden sich in unterschiedlichen Phasen des Burnouts – von der relativ „harmlosen“ Phase I bis hin zur behandlungsbedürftigen Phase III (siehe Kasten 1). Ein Drittel davon befindet sich in Phase III. „Das entspricht einer überdurchschnittlichen Gefährdung im Vergleich zu anderen hoch belasteten Berufen“, erklärt Studienleiter Peter Hofmann. „So liegt beispielsweise bei Richtern, Wirtschaftstreibenden und Wirtschaftstreuhändern die Zahl der belasteten Personen lediglich bei durchschnittlich 40 Prozent.“

Besonders gefährdet sind männliche Spitalsärzte unter 47 Jahren; darunter vor allem jene, die sich in einer Facharzt-Ausbildung befinden sowie Turnus- und Fachärzte. Nachtdienste und Notarzt-Tätigkeit lassen das Burnout-Risiko weiter ansteigen. Auch Singles, denen der soziale und emotionale Rückhalt einer Partnerschaft beziehungsweise Familien fehlt, sind deutlich stärker betroffen. Ärzte, die bereits an einer Depression leiden, laufen Gefahr, zusätzlich ins Burnout zu schlittern – und umgekehrt.

Dass speziell Ärzte in Krankenhäusern Burnout-gefährdet sind, wundert ÖÄK-Präsident Walter Dorner nicht: „Die Gründe dafür liegen auf der Hand.“ Mangelnde Anerkennung, überlange Dienstzeiten, Nachtdienste, eine überbordende Bürokratie und Administration, die verbesserungswürdige Zusammenarbeit der einzelnen Berufsgruppen sowie Personalmangel würden den Spitalsärzten schon seit Jahren das Leben schwer machen und seien als Hauptursachen für Burnout zu sehen. Dorner: „Neben den beruflichen Stressfaktoren müssen auch die privaten berücksichtigt werden; jüngere Kollegen und hier besonders Frauen, die sich mitten in der Familienplanung befinden, sind einer doppelten Belastung ausgesetzt!“

Ein weiteres, bisher ungelöstes Problem sind ungeklärte Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten in den Spitälern. Hier erweise sich die kollegiale Führung als „elementarer Stressfaktor“ (Dorner) für die dort tätigen Ärzte. Dorner fordert daher ein Überdenken der Führungsverantwortung und eine Neustrukturierung im patientennahen Bereich. „Die Ärzte in den Krankenhäusern sind zunehmend mit dem Umstand konfrontiert, dass sie auch für den Pflegebereich die Letztverantwortung übernehmen müssen und das ist aus organisatorischer Sicht und aufgrund der konkreten Anforderungen an die Führung eines medizinischen Betriebes kontraproduktiv“, so der ÖÄK-Präsident.

Menschen in den Fokus rücken

Dorner wünscht sich daher eine „umsichtige Spitalsreform, die das Hauptaugenmerk auf die im Spital tätigen Menschen legt anstatt auf die Ökonomie“. Nicht zuletzt seien es Ökonomisierung, Rationalisierung und der Wunsch nach stetiger Effizienzsteigerung, die den aktuellen Zustand mit verschuldet hätten. Oberflächliche Maßnahmen dagegen allein seien, so Dorner, „nichts als Kosmetik“ und damit unwirksam. Darüber hinaus bedauert er, dass die seit Jahren vorliegenden Vorschläge der ÖÄK zur Verbesserung der Zustände auch im Lichte der aktuellen Pläne zur Spitalsreform bisher „ungehört verhallt“ seien. Um das Burnout-Risiko der Spitalsärzte nachhaltig zu senken, müsse nämlich ein Bündel an strukturellen Reformen umgesetzt werden, so der ÖÄK-Präsident. Dazu zählen neben neuen und flexiblen Arbeitszeitmodellen zum Beispiel auch Spitals-eigene Betreuungsplätze für Kinder und nicht zuletzt der Ausbau des niedergelassenen Bereichs. Die faktische Letztverantwortung der Ärzte im patientennahen Bereich müsste sich in den Führungsaufgaben klar niederschlagen und dementsprechend geregelt werden. Die Dienstzeit dürfe 25 durchgehende Stunden nicht überschreiten, Dokumentations-Assistenten müssten die Ärzte flächendeckend von administrativen Aufgaben entlasten. Die Umsetzung dieser Punkte würde zudem auch zu einem Plus in der Patientenversorgung führen, zeigt sich Dorner überzeugt.

Burnout-Faktor Niederlassung

Im niedergelassenen Bereich, in dem Ärzte ebenso wie in den Spitälern von Burnout bedroht sind, erweisen sich speziell Journaldienste und Rufbereitschaft als Risikofaktoren. Und auch hier tragen die hohe Verantwortung, die Rolle als Unternehmer sowie eine überbordende Bürokratie und Administration zum Burnout-Geschehen bei. Besonders Land-Ordinationen, die ohnedies in vielen Fällen existentiell gefährdet seien, seien von Journaldiensten, die sie zur Versorgung der Menschen auch in umliegenden Gemeinden führen, zusätzlich belastet. Der Beruf des Landarztes sei daher dringend aufzuwerten und seine Attraktivität zu erhöhen, erläuterte Dorner. Außerdem bedürfe es einer „ausgewogenen Balance zwischen Niederlassung und Spitälern, um die medizinische Versorgung der Bevölkerung ohne Burnout-Gefahr für die Ärzte abzusichern“.

In diesem Zusammenhang stellte Dorner fest, dass die Umsetzung des Hausarztmodells, das im Juni 2010 von der Bundeskurie Niedergelassene Ärzte beschlossen wurde, ein wichtiger Meilenstein dafür sein könnte. Dieses Modell (siehe ÖÄZ 15/16 vom 15. August 2010) sieht vor, dass der Hausarzt – Allgemeinmediziner oder Facharzt – zum zentralen Angelpunkt im „Gesundheitsleben“ der Patienten wird, ohne wie in anderen Ländern üblich die rigide Rolle eines Gatekeepers zu übernehmen. Besonders in ländlichen Regionen könnte dies zu einer Aufwertung der Hausärzte führen, denn: „Wird die Reform wie geplant durchgezogen, wird es Fachärzte bald nur noch in Spitalsambulanzen geben und die eigene Facharzt-Praxis wird der Vergangenheit angehören“, warnte Dorner vor einer Ausdünnung der niedergelassenen Strukturen.

Präventionsprojekt geplant

Die ÖÄK plant zusätzlich ein breit angelegtes Präventionsprojekt unter dem Titel „SRESSless“, das die nachhaltige Senkung des Burnout-Risikos zum Ziel hat. Federführend dabei ist Univ. Prof. Wolfgang Lalouschek von der Medizinischen Universität Wien, gleichzeitig Gründer von Medical Coaching. „Das Projekt soll über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren zunächst in Wien stattfinden, regelmäßige Veranstaltungen und Coachings sollen das Burnout-Risiko reduzieren“, erklärte Lalouschek. In Workshops sollen daher neben den Ärzten selbst deren (Ehe-)Partner und Mitarbeiter einbezogen werden. Ein weiterer Schwerpunkt wird auf der Kommunikation in schwierigen Situationen liegen.

Die drei Phasen des Burnout *)

Phase I: Emotionale Erschöpfung, Unfähigkeit zur Entspannung – sogenanntes „tägliches Burnout“

Phase II: Abstumpfen gegenüber Interessen und Beziehungen, Hilflosigkeit, körperliche Beschwerden

Phase III: Die Symptome aus Phase II verstärken sich und werden behandlungsbedürftig.

*) Definition: Hofmann/ARGE Burnout

Maßnahmen gegen Burnout – Die Forderungen der ÖÄK

  • Eine umsichtige Spitalsreform, die das Hauptaugenmerk auf die Menschen legt
  • Neue, flexible Arbeitszeitmodelle für Spitalsmitarbeiter
  • Spitalseigene Betreuungsplätze für Kinder
  • Ausbau des niedergelassenen Bereiches zur Entlastung der Spitäler
  • Anpassung der Führungsstrukturen im Spitalsbereich
  • Flächendeckende Installation von Administrationassistenten
  • Beschränkung der durchgehenden Dienstzeit auf 25 Stunden
  • Aufwertung der Landordinationen
  • Umsetzung des Hausarztmodells der ÖÄK
  • Balance zwischen Niederlassungen und Spitälern

© Österreichische Ärztezeitung Nr. 8 / 25.04.2011